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Hugo von Hofmannsthal 1874-1929#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: Große Österreicher. Thomas Chorherr (Hg). Verlag Carl Ueberreuter, Wien. 1985.


Man kennt ihn als den Dichter des »Schwierigen«, der vielleicht bezauberndsten, tiefsinnigsten, klügsten Komödie, die ein österreichischer Autor im 20. Jahrhundert geschrieben hat. Man weiß allenfalls auch noch, dass er den »Unbestechlichen« geschaffen hat -dem Diener ein Denkmal setzend, der mehr war als ein Dienender, der Seele war des Hauses und allenfalls auch dessen Hirn.

Aber Hugo von Hofmannsthal war mehr als ein Komödienschreiber. Er war auch mehr als ein Operntextdichter. Er war der österreichischste der österreichischen Dichter der Jahrhundertwende und der Zeit danach. Er war zudem ein Genie der Sprache und das, was man einen literarischen Polyhistor nennen könnte: er war, einfach ausgedrückt, in allen literarischen Sätteln gerecht. Er hat in sich alle Vorzüge der Belle Epoque vereinigt. Er ist mehr als ein Inbegriff des Bildungsbürgertums gewesen. Er war ein Bildungsgroßbürger. Zu Unrecht konzentriert sich sein Nachruhm auf die beiden »klassischen« Komödien; schon seine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Richard Strauss ist beinahe der Vergessenheit anheimgefallen, man weiß gerade noch, dass er das Libretto zum »Rosenkavalier« geschrieben hat. Aber dass er zauberhafte Poesie schuf, Verse von einmaliger Schönheit, und dies schon als Gymnasiast - solches übersieht man gern.

Hugo von Hofmannsthal hat es freilich leicht gehabt - in einer Zeit, da in den Außenbezirken der Reichshaupt- und Residenzstadt die Zimmer-Küche-Zinskasernen aus dem Boden schössen und sich der gleiche Himmel über Ringstraßenpalais und Armenquartieren wölbte, wurde ihm jene Erziehung ermöglicht, ohne die sein Talent vielleicht nie zum Glanz herangereift wäre. Der Vater entstammt einer Seidenfabrikantenfamilie, die Mutter ist Tochter eines Notars. Seine Jugend ist geprägt von jenem goldenen Abendschimmer, den Otto Friedlaender den »letzten Glanz der Märchenstadt« genannt hat. Zwischen Wien mit dem Burgtheater, der Wachau und dem Salzkammergut wächst Hugo von Hofmannsthal heran, ein junger aus gutem Haus, eine Figur, wie er selbst hätte erfinden können. Auch die Beschreibung, gegeben von einem Klassenkollegen am Wiener Akademischen Gymnasium, passt: das Gesicht, schrieb der Freund, hatte »trotz des feinen Schnittes der Nase und der reich ausgeformten Stirn etwas Schlaffes, gleich; Nachlässiges; und vollends die Unterlippe, die fast eine Hängelippe zu nennen war, ließ ihn nicht altklug, sondern geradezu alt erscheinen«.

Tatsächlich wirkt Hugo von Hofmannsthal nicht letzt wegen dieser starken Unterlippe fast habsburgisch-aristokratisch. Und aristokratisch war auch sein Lebenswandel von frühester Jugend an: er hat nie einen Beruf ausüben müssen, konnte sich immer seinen Begabungen widmen, konnte es sich in jeder Bedeutung des Wortes leisten, mitten im Studium umzusatteln - von Jus auf Philologie. Dorthin, zur Sprachkunst, hatte er immer schon seine Schritte gelenkt. Als Siebzehnjähriger hatte er in der »Neuen Freien Presse« - unter dem Decknamen Loris - seine ersten Gedichte veröffentlicht, später war er dann von einem Bekannten in das weithin berühmte Cafe Griensteidl am Wiener Michaelerplatz mitgenommen worden, wo sich rund um den bärtigen Hermann Bahr ein Kreis junger Dichter und Schriftsteller versammelt hatte, die »Wiener Moderne« repräsentierend: Arthur Schnitzler war da und Felix Saiten und Richard Beer-Hofmann und etliche andere. »Wissen, Klarheit und, wie es scheint, auch echte Künstlerschaft« attestiert Schnitzler dem jungen Hofmannsthal. Dieser wieder schreibt ihm einmal: »Dienstag um 12 Uhr bin ich sehr natürlich in der Schule, dann mache ich Aufgaben und von 3-4 habe ich Deutschstunde ...« Im Cafe Griensteidl lernt Hofmannsthal, noch immer Gymnasiast, auch den Dichter Stefan George kennen, die Freundschaft, die sich entwickelt, zerbricht aber nach ein paar Jahren an der Unvereinbarkeit der literarischen Charaktere. Hofmannsthal ist zu sehr Ästhetizist, Nicht-Engagierter. Dennoch schreibt er in seiner ersten Schaffensperiode einige seiner schönsten Gedichte - von einer Musikalität und einem sprachlichen Einfühlungsvermögen, wie sie kein zweiter dieser »Jung-Wien«-Runde im Griensteidl je auf ähnlich wunderbare Weise zustande brachte.
Als Dramatiker hat Hofmannsthal sich vor allem auch für antike Vorbilder interessiert. Sein bekanntestes Jugenddrama »Der Tor und der Tod« wird bald durch Griechendramen ergänzt, er wandelt auf den Spuren des Sophokles, durch die Nachdichtung von »Elektra« wird Richard Strauss auf den Dichter aufmerksam, komponiert Musik zu dem Trauerspiel - es kommt zu einer langen, fruchtbaren Zusammenarbeit. Strauss und Hofmannsthal sind einander freilich stets nur künstlerisch, kaum menschlich nahegekommen. »Hätt ich einen Componisten, der minder berühmt, aber meinem Herzen näher, meiner Geistesart verwandter wäre, da wärs mir freilich wohler«, schreibt Hofmannsthal einmal, und ein andermal sagt er unverblümt zu Strauss: »Auch gibt es zwischen zwei Menschen wie wir nichts als gemeinsame Arbeit.« Aus dem Kontakt entstehen aber unsterbliche Meisterwerke: »Der Rosenkavalier«, »Ariadne auf Naxos«, »Arabella«, »Die Frau ohne Schatten« ... Und dann fordert doch wieder das zutiefst Österreichische an Hugo von Hofmannsthal sein Recht; in seiner Wiederschöpfung des Mysterienspiels, einer Art Wiederbelebung des Jesuitendramas, hat er vor allem für Salzburg Bleibendes geschaffen: »Das Salzburger große Welttheater« etwa, in dem er Calderon nachempfindet, oder den »Jedermann«. Max Reinhardt, der große Theatermann, wirkt hier immer beratend, befruchtend mit. Hofmannsthal aber, der selbst stets davon träumt, einmal ein Theater zu leiten, wird dies nie erreichen. Er bleibt zeit seines Lebens der große Dichter - er ist nie Direktor geworden.

Wie andere literarische Zeitgenossen erfährt auch Hofmannsthal den Widerspruch des Schicksals: fast alle Dramen und Theaterstücke des Wieners werden in Deutschland uraufgeführt; sogar sein so wienerischer »Schwieriger« stand in München zuerst auf der Bühne, obwohl Hofmannsthal in keinem seiner Stücke den Unterschied zwischen deutschem und österreichischem Wesen so deutlich-liebenswert herausgearbeitet hat. Sein Baron Neuhoff symbolisiert den Neuen, der die Tradition nicht versteht. Es ist der schwermütige Hauch einer versinkenden Gesellschaftsschicht, die Hofmannsthal porträtiert hat und über die der preußische Aristokrat sagt: »Alle diese Menschen, die Ihnen hier begegnen, existieren ja in Wirklichkeit gar nicht mehr. Das sind ja alles nur mehr Schatten. Niemand, der sich in diesen Salons bewegt, gehört zu der wirklichen Welt, in der die geistigen Krisen des Jahrhunderts sich entscheiden.«

Hat Hugo von Hofmannsthal zu dieser wirklichen Welt gehört? Er war ein Verwöhnter, ein Begnadeter. In Rodaun lebte er in einem Barockschlösschen, das Kaiserin Maria Theresia ihrer Hofdame Fuchs - der berühmten »Füchsin« - einst geschenkt hatte. Er hat eine schöne, reiche junge Frau geheiratet, die ihm drei Kinder schenkte.

Und dann, plötzlich, traf ihn - fast wie in einem der antiken Dramen, die er so schätzte - der Keulenschlag des Schicksals. Sein ältester Sohn Franz beging Selbstmord.

Hugo von Hofmannsthal wurde am Tag des Begräbnisses seines Ältesten vom Schlag getroffen. Als er in Kalksburg begraben wurde, hieß es, erst jetzt sei das alte Österreich endgültig tot.



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