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Ein Mann der Polemik#

Vor 100 Jahren wurde Friedrich Torberg geboren. Daniela Strigl über den Erzähler, Lyriker, Theaterkritiker, Feuilletonisten, Parodisten, Übersetzer und Wasserballer.#


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (Donnerstag, 11. September 2008)

von

Daniela Strigl


Friedrich Torberg
Friedrich Torberg
© Die Furche

Unter den vielseitigen Schriftstellern seiner Zeit war er vielleicht einer der begabtesten, sicherlich aber unter allen begabten der vielseitigste.“ Prägnanter als der Biograph David Axmann kann man es nicht sagen. Kritischer gewiss. „Die ‚Gefahren der Vielseitigkeit‘“ heißt die Torberg-Ausstellung im Jüdischen Museum Wien mit überraschend hoch erhobenem Zeigefinger, legitimiert freilich durch eine Aussage des Autors – in einem Nachruf auf sich selbst – über die „immanenten Gefahren seiner Vielseitigkeit“, die ihm bald nach der „blaugrau karierten Berufung zum Dichter“ (in ein blaugrau kariertes Heft hatte der Siebenjährige seine ersten Gedichte notiert) bewusst geworden seien: „Hier liegt der Zwie-, genauer der Fünfspalt, der sich so tragisch durch Torbergs Leben zieht. Sind es doch mindestens fünf Gebiete literarischer Betätigung, auf denen Torberg hervorgetreten ist, und wenngleich sein Hervortreten auf keinem dieser Gebiete unbemerkt blieb: bis ganz nach vorne hat es ihn nie geführt, in eine erste Reihe, ist er dort, wo es ihm wirklich darauf ankam, nie gelangt.“

Mehr als fünf Gebiete#

Dabei sind Torbergs Leistungen als Erzähler durchaus anerkannt, man denke an den ungeheuer erfolgreichen Romanerstling „Der Schüler Gerber hat absolviert“ (1930), an den Wasserballerroman „Die Mannschaft (1935) und an „Die Tante Jolesch“ (1975). Einige seiner Gedichte, wie „Sehnsucht nach Altaussee“ oder „Auf den Tod eines Fußballers“ (nämlich Matthias Sindelar), sind Lyriklesern noch heute präsent. Als Theaterkritiker, als Feuilletonist und nicht zuletzt als Parodist war Torberg von atemberaubender Brillanz und wohl wirklich in der „ersten Reihe“ angelangt. Sein Witz bürgt für zeitloses Lesevergnügen und doch sind Torbergs diesbezügliche Meriten heute verblasst. Aber es waren ja mehr als fünf Gebiete: Torberg hat als Übersetzer geglänzt – als solcher verhalf er Ephraim Kishon zu seinem deutschen Publikum. Er hat die Werke Fritz von Herzmanovsky-Orlandos und Peter Hammerschlags bearbeitet – verbessert, wie er meinte, malträtiert, wie die Germanistik befand. Jedenfalls half Torbergs kreative Herausgeberschaft, den literarhistorischen Ruf der mit ihm befreundeten Autoren überhaupt erst zu begründen. Sodann war er ein hingebungsvoller und begnadeter Briefschreiber – die gewaltigen Bestände im Nachlass der zur „Wienbibliothek“ verkürzten Wiener Stadt- und Landesbibliothek zeugen davon; soeben ist ein sehr vergnüglicher und ansehnlicher Band der Korrespondenz mit Marlene Dietrich herausgekommen, mit der der atemlose Schürzenjäger Torberg ausnahmsweise eine platonische Freundschaft pflegte.

Gegen Totalitarismen#

Ja, und schließlich war Friedrich Torberg ein Mann der Polemik, der ihr Opfer einkreisenden, sämtliche seiner Achillesfersen ins Visier nehmenden und es mit Argumentationssalven genüsslich zur Strecke bringenden verbalen Erledigung. Als eine Art Gottseibeiuns des Kulturkampfes im Kalten Krieg ist er vor allem Jüngeren eher gegenwärtig als durch sein OEuvre: Wie ein ewiger Taubendreck der Literaturgeschichte klebt an seinem Namen der sogenannte Brecht-Boykott, der an den maßgeblichen österreichischen Bühnen von 1953 an fünf Jahre dauerte und sich der gemeinsamen abendländischen Anstrengung der Theaterkritiker Friedrich Torberg und Hans Weigel verdankte. Torbergs Versuch, zwischen dem Dichter und dessen politischer Instrumentalisierung zu unterscheiden – „ich bin nicht ‚gegen Brecht‘. Ich bin gegen die Brechtokokken“ –, fruchtete wenig. David Axmann erklärt diesen Akt der Privatzensur mit des Sozialdemokraten früh entwickelter Abscheu gegen Totalitarismen linker wie rechter Natur und der dazumal durchaus realen Bedrohung des Kommunismus. Gegen die brachte Torberg seine Zeitschrift „FORVM“ in Stellung, die der „Kongreß für kulturelle Freiheit“ finanzierte (der wiederum Mittel von der CIA erhielt). Dabei war der Herausgeber sogar seinen Vorgesetzten zu rabiat. Anlässlich der ersten Nummer schrieb der Parodist und Autor Robert Neumann („Die Kinder von Wien“) seinem alten Freund 1954: „Es ist eine ausgezeichnet gemachte Zeitschrift, aber [...] es ist keine abendfüllende Beschäftigung für einen erwachsenen Schriftsteller Ihrer grossen Begabung, aus kleinen Kommunisten Hackfleisch zu machen.“ Torberg nahm aber nicht nur deklarierte KPler wie den Schauspieler Karl Paryla aufs Korn, sondern auch linke Intellektuelle wie Hilde Spiel, wobei er jeweils – bei Paryla erfolgreich – an den Ästen von deren beruflicher Existenz sägte. Torbergs fröhlich hemmungslose Aggressivität verschattet sein Bild, sie hat ihm Feindschaften eingetragen, die bis zum heutigen Tage wirken. (Gegen Unterstellungen, er sei ein CIA-Spitzel, ging er gerichtlich vor und obsiegte.) Es ist das Verdienst der Biographie wie des von den Ausstellungsmachern Marcel Atze und Marcus G. Patka herausgegebenen Katalogs (in dem man dem Nachlassverwalter Axmann leider bloß die Lebenschronik zuwies), die Facette des Kalten Kriegers bloß als eine von vielen zu beleuchten. Die von David Axmann mit maßvoller Bewunderung und sanfter Ironie erzählte Lebensgeschichte findet in dem schön gestalteten Band eine illustrative Ergänzung: etwa über den Sportler Torberg, den Zionisten, den Kritiker der skandalösen österreichischen NS-Verbrecher-Prozesse. Hier hat sich die „Sekte der Germanisten, welche bekanntlich dem Glaubensgrundsatz huldigt, Literatur entstehe vor allem zum Zweck der Abfassung von Dissertationen“ (Torberg), von ihrer aufgeschlossenen Seite gezeigt.

Wasserballmeister#

Da wie dort werden des Autors weniger bekannte Romane „Auch das war Wien“ (über das Wien des Anschlusses) und „Hier bin ich, mein Vater“ (über einen jüdischen Nazi-Spion) vorgestellt sowie die hervorragenden Novellen „Mein ist die Rache“, in der der jüdische Held gegen seine ethischen Prinzipien einen KZ-Kommandanten erschießt, und „Der letzte Ritt des Jockeys Matteo“. Über Torbergs Spätwerk „Süßkind von Trimberg“ (1971), den Roman des jüdischen Minnesängers, urteilt Axmann nicht viel anders als der gestrenge Reich-Ranicki, nämlich so: „schlecht ist er nicht, jedenfalls nicht ganz schlecht, aber leider nicht gut genug, schon gar nicht für ein Lebenswerk. Kurzum, Torberg scheiterte an Stoff und Stil.“ Der gebürtige Wiener, dessen Mutter und ältere Schwester im Ghetto Lodz umgekommen waren, sah sich als „Jude und Österreicher“, in dieser Reihenfolge, dabei war er seit 1924 tschechoslowakischer Staatsbürger. In Prag, wo er 1927 zunächst nicht maturierte (er fiel wie sein Gerber in Mathematik durch), wurde er von Max Brod als Kabarett-Autor entdeckt und änderte, zwecks ernsteren Schreibens den Geburtsnamen Kantor in den Nom de guerre Torberg. Ein Jahr später verhalf er als zweifacher Torschütze seiner Mannschaft Hagibor-Prag zum Titelgewinn in der tschechoslowakischen Wasserballmeisterschaft. Der schönste Tag seines Lebens, wie er selbst noch viel später meinte, konkurriert nur mit jenem, an dem ihm innerhalb einer Viertelstunde Karl Kraus und Alfred Polgar das Wohlwollen des jeweils anderen hinterbrachten. Torbergs Emigration führte ihn über Zürich, Paris und Lissabon als einen von „Ten Outstanding Anti-Nazi Writers“ (neben Alfred Döblin, Heinrich Mann, Alfred Polgar und Franz Werfel) 1940 nach Hollywood, wo er, im Sold von Warner Brothers, nicht glücklich war. In New York lernte er nicht nur die ihn buchstäblich einkochende Marlene Dietrich kennen, sondern auch Marietta Bellak aus Wien, die Zukünftige, zukünftige Geschiedene und lebenslange Gefährtin.

Überhaupt konservativ#

Nach zehn Jahren Amerika kehrte Torberg versuchsweise nach Wien zurück und blieb – als „Jud vom Dienst“, wie er zu spotten beliebte. Als literarischer Reichsverweser des gewesenen Kakaniens blickte er vornehmlich zurück. 1948 schrieb er an Hermann Broch: „ich bin ‚formkonservativ‘, nicht nur mit ästhetischer Absicht und nicht nur aus ethischer Bemühung, sondern ich bin (...) überhaupt konservativ.“ An seinem Grab sprach Bruno Kreisky 1979: „Er war verwurzelt in der Welt von gestern, aber er hat ein großes Stück hinübergerettet in die Welt von heute, und er hat für uns ein Erbe verwaltet, das nicht vertan werden sollte.“

Die FURCHE,, 11. September 2008


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