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unbekannter Gast

Ein nobler Verfasser geistreicher Prosa#

Ein Nachruf auf den österreichischen Erzähler Peter Marginter#


Von der Zeitschrift Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Samstag, 16. Februar 2008 )

von

Stefan Broniowski


Peter Marginter war wohl so etwas wie das Fabelwesen der österreichischen Literatur. Zwar behauptete immer wieder der eine oder andere, diesen Namen schon einmal irgendwo gehört, ja mancher sogar, schon einmal etwas von diesem Autor gelesen zu haben. Aber weil Marginter in der Öffentlichkeit jahrzehntelang nie vorkam, die Literaturszene weitgehend mied und sehr zurückgezogen lebte, könnte man versucht sein zu fragen: Gab es ihn wirklich? Oder hatte man sich die Lektüre seiner Bücher nur eingebildet?

Es gab ihn und er war, man muss es jetzt einmal offen aussprechen, einer der lesenswertesten deutschsprachige Autoren des letzten halben Jahrhunderts. Innerhalb der österreichischen Literatur gehörte er freilich nicht zu den Schrillen, die sich mit Sprachzersetzung in Szene zu setzen wussten, sondern zu den eher Stillen, die Sprache gestalten wollten und es auch vermochten.

Peter Marginters Schreibweise vereint, um nach bekannten Namen zu greifen, die schlacken-lose Sauberkeit eines Franz Kafka mit der souveränen Ironie eines Thomas Mann und der bizarren Erzähllust eines Heimito von Doderer - und ist selbstverständlich doch etwas ganz Eigenes. Die zur Beschreibung oft herangezogenen Vokabeln "skurril" und "phantastisch" erfassen nur die vordergründigsten Aspekte. Gewiss sind Marginters Bücher – unter anderem "Der Baron und die Fische" (1966), "Der tote Onkel" (1967), "Königrufen" (1973), "Die drei Botschafter" (1980), "Das Rettungslos" (1983), "Der Kopfstand des Antipoden" (1985), "Des Kaisers neue Maus" (2001) – voller grotesker Gestalten, irrwitziger Situationen und märchenhafter Schauplätze.

Doch Marginters Prosa ist zunächst vor allem intelligent, gebildet, geistreich, witzig, präzise, nuancenreich und nobel, läuft keiner Mode nach und vertraut stattdessen auf die Überzeugungskraft bewusst erworbenen guten Stils.

Peter Marginter war aber wohl vor allem auch dies: ein aufmerksamer Zeitgenosse, der, indem er schrieb, wie er schrieb, und erzählte, was er erzählte, Kritik an eben der Zeit übte, in der er nun einmal lebte, an deren Banalität und Aufgeblasenheit, an ihrer bürokratischen Technikgläubigkeit und ihrem phantasielosem Pseudorealismus. Der ordinären Normalität setzte er Überraschendes, Außergewöhnliches, Seltenes und eigentlich Unmögliches entgegen, wovon er herrlich unterhaltsam zu erzählen wusste. Die Wonnen, die der Leser seiner Bücher erleben darf, sind wohl der Lust geschuldet, die ihr Autor beim Schreiben empfand.

Leider findet man Peter Marginters Bücher derzeit eher noch in Antiquariaten als in den heutzutage üblicherweise schlecht sortierten Buchhandlungen. Doch ein ganz Unbekannter war und ist Marginter auch wieder nicht. Immerhin erhielt er im Lauf der Jahre zahlreiche Preise, darunter 1970 den Anton-Wildgans-Preis, und war Vorstandsmitglied des österreichischen PEN-Clubs. Einige seiner Bücher wurden sogar verfilmt. Auch als Übersetzer aus dem Englischen wurde Marginter geschätzt. Im außerliterarischen Alltag war er übrigens Jurist und arbeitete unter anderem als Kulturattaché in der Türkei und in Großbritannien, als Abteilungsleiter im Außenministerium und bis 1995 als Leiter des österreichischen Kulturinstituts in London. Am 10. Februar 2008 starb Peter Marginter im vierundsiebzigsten Lebensjahr.

Wiener Zeitung,, Samstag, 16. Februar 2008