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Für die, die ohne Stimme sind#

Zum 50.Todestag Kramers#


Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitung Die Furche (2. März 2008)

Von

Cornelius Hell


Der Erste Weltkrieg raubte ihm die Jugend, der Nationalsozialismus Heimat und Existenz, das Klima der Nachkriegszeit den einstigen Erfolg. Dazwischen blieben ganze sieben Jahre, in denen er als freier Schriftstellerleben konnte und Österreichs erfolgreichster Lyrikerwar: Theodor Kramer. 1897 in Niederhollabrunn geboren, musste er nach der Matura in den Krieg und wurde schwer verwundet. Nach einem abgebrochenen Studium schlug er sich als Buchhändler durch. Seine Gedichte wurden bald in den renommiertesten Zeitungen zwischen Königsberg und Basel, zwischen Hamburg und Wien gedruckt. Sie formulieren die Kriegserfahrung, finden unprätentiöse Bilder für die Lösslandschaft des Weinviertels und rückten vor allem Außenseiter in den Mittelpunkt: Bettgeher, eine Weinmagd oder eine erfrorene Säuferin, einen Taglöhner und immer wieder Huren. Kramer schrieb „für die, die ohne Stimme sind“.

Eines der bekanntesten seiner genial-einfachen Gedichte ist

"Wer läutet draußen an der Tür?"

In fünf Strophen wird diese Frage immer weniger euphemistisch beantwortet, bis am Ende die entsetzliche Wahrheit steht:

"Wer läutet draußen an der Tür?
Die Fuchsien blühn so nah.
Pack, Liebste, mir mein Waschzeug ein
und wein nicht: sie sind da."

Als Jude und Sozialdemokrat wurde Kramer nach dem "Anschluss" mit Arbeits-und Berufsverbot belegt. 1939 konnte er nach London emigrieren, wo er 1940/41 als "feindlicher Ausländer" interniert war, 1946 die britische Staatsbürgerschaft erhielt und als Bibliothekar ein karges Auskommen hatte. In Österreich erschien erst 1956 wieder eine nennenswerte Publikation von ihm: Michael Guttenbrunner gab den Band "Vom schwarzen Wein" heraus, der unter anderem das "Requiem für einen Faschisten" enthält – Kramers Totenlied für den von seiner Antibürgerlichkeit wie von der Formenstrenge seine Gedichte her verwandten, aber politisch radikal entgegengesetzen Josef Weinheber. Kramer bringt es fertig, den Satz "Ich hätte dich mit eigner Hand erschlagen" in eine bewegende Totenklage zu integrieren.

1957 holte man den vereinsamten und kranken Kramer nach Österreich zurück und verschaffte ihm eine Ehrenpension, die er noch wenige Monate in Anspruch nehmen konnte. Am 3. April 1958 starb er an den Folgen eines Schlaganfalls. Dass seine Verse lebendig blieben, ist nicht zuletzt der Musikgruppe "Zupfgeigenhansel" zu danken, die nicht wenige vertonte. Kramer, der mit der Stetigkeit eines Handwerkers ausschließlich Lyrik schrieb, hat ein riesiges Werk hinterlassen.

Davon zeugt die seit 2005 im Zsolnay Verlag neu edierte dreibändige Ausgabe "Gesammelte Gedichte". Auch seine "Liebesgedichte" erschienen 2005 in einer erweiterten Neuausgabe mit einem Nachwort von Daniela Strigl.

Sie sprach auch bei der Festveranstaltung zu Kramers 50. Todestag in der Wiener Urania am 2. April 2008 – zusammen mit Erwin Chvojka, dem Kramer-Nachlassverwalter, dem auch fast alle Ausgaben zu verdanken sind. Am Tag darauf fand ein Besuch bei Kramers Ehrengrab am Zentralfriedhof statt, und am 26. April konnte man Kramers Landschaften erwandern.

Die Furche, 2. März 2008