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Bakterien als Gefahr für die Menschheit#

Neue Anstrengungen von Experten im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.#


Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 1. März 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexandra Grass und Eva Stanzl


Antibiotika, gegen die Bakterien resistent sind, Grafik
Antibiotika, gegen die Bakterien resistent sind
WZ-Grafik, Quelle: WHO. Fotos: pictoores/Totolia, cassis/Fotolia

Wien. 700.000 Menschen sterben jährlich, weil ihnen Antibiotika nicht mehr helfen können. Sie sind von besonders hartnäckigen Bakterien befallen, die selbst die schärfsten Waffen, die die Medizin derzeit zu bieten hat, nicht umbringen können. Werden keine Anstrengungen unternommen, um diese Resistenzbildung einzuschränken beziehungsweise um neue Antibiotika zu entwickeln, könnte die Zahl der Todesfälle im Jahr 2050 weltweit bei zehn Millionen Menschen liegen, warnen Experten.

Um diese Bedrohung zu verdeutlichen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals eine Liste mit den zwölf für die Menschheit gefährlichsten Bakterienstämmen vorgelegt. Erst im vergangenen Herbst hatte die UNO-Vollversammlung in New York diese Gefahr aufgezeigt. Die Suche nach einer globalen Antibiotika-Strategie wird seither verstärkt vorangetrieben.

WHO listet gefährliche Keime#

Die WHO-Liste wird von dem besonders gefährlichen Keim Acinetobacter baumannii angeführt (siehe Grafik). Dieses gefinkelte Bakterium kann Infektionen verursachen, für die keinerlei Therapien existieren. Auch die von Experten "Panzerschrankantibiotika" genannten Wirkstoffe, wie zum Beispiel Carbapeneme, sind gegen diesen Krankenhauskeim machtlos. Diese letzte Reserve an Substanzen wird ausschließlich dann angewendet, wenn alle anderen Arzneien versagen. Müssen auch sie kapitulieren, sind die Patienten unweigerlich ihrem Schicksal ausgeliefert.

Die WHO hat am Montag Regierungen dazu aufgerufen, Anreize für Forscher in Universitäten und Pharmafirmen zu schaffen, um neue Antibiotika zu entwickeln. Trotz des dringenden Bedarfs für diese Substanzen gibt es nur wenige neue Produkte. Im September 2016 waren rund 40 neue Antibiotika auf dem US-Markt in der klinischen Entwicklung - verglichen mit hunderten von Wirkstoffen gegen Krebs.

60 Prozent der Patienten mit schweren Infektionen, die nicht mit Penicillin und Co. behandelt werden können, sterben nach Angaben der Experten. Vorwiegend handelt es sich dabei um Menschen mit Immunschwächen, wie Matthias Voßen von der Klinischen Abteilung für Infektionen am Allgemeinen Krankenhaus in Wien im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont.

Risikogruppe Immunschwache#

"Jeder, der nicht ganz gesund ist, hat schon ein Problem - auch in Österreich", sagt Voßen: "Natürlich wird niemand über die Straße gehen und aus dem Hinterhalt von einem multiresistenten Keim angefallen werden: Für die Allgemeinbevölkerung ist das Risiko erst mal gering. Allerdings können Gesunde resistente Keime weitergeben. Und wer nach einem Autounfall oder mit einer äußerst schweren Influenza auf der Intensivstation landet, kann Probleme bekommen."

Eine besondere Gefahr stellen die Bakterien für Menschen mit Transplantaten dar, die Immunsuppressiva und damit einhergehend Antibiotika einnehmen müssen, gegen die sie wiederum ihre eigenen Resistenzen entwickeln: Wenn sie sich im Spital noch mehr multiresistente Keime einfangen, wird es problematisch. "Jedes Krankenhaus bräuchte Infektiologen, die es beraten, welches Antibiotikum tatsächlich notwendig ist. Man muss sich überlegen, welchen Keim man treffen will und welches das schmalste Antibiotikum ist, das man geben muss, um Bakterien zu behandeln, jedoch Resistenzen zu vermeiden", betont Voßen.

Besonders gefährlich seien Keime, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind, schreibt die WHO. Diese Bakterien veränderten sich ständig und werden so auch gegen neue Medikamente immun. Diese Immunität könnten sie auch an andere Bakterien weitergeben.

"Wir wollen keine Panik über neue Supererreger verbreiten", betonte WHO-Expertin Marie-Paule Kieny bei der Präsentation der Liste. Es gehe darum, die Forschungsanstrengungen zu fokussieren. Anreize könnten etwa Prämien für Pharmafirmen sein, wenn ihr Medikament auf den Markt kommt.

Die Suche nach einem Ausweg aus der Krise läuft weltweit. In Österreich gibt es einen Nationalen Aktionsplan zur Antibiotikaresistenz, der im Jahr 2014 verabschiedet wurde. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das sogenannte Antimicrobial Stewardship - ein interdisziplinäres Programm für eine gezielte Anwendung von antimikrobiellen Substanzen. Regelmäßig Auskunft über die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen gibt der Österreichische Resistenzbericht (Aures), der ebenso zu einer Optimierung in der Anwendung beitragen soll.

Hygiene gegen Übertragungen#

Als Risiko gelten vor allem Touristen und Patienten aus vorwiegend tropischen Ländern, in denen multiresistente Keime besonders stark vertreten sind. Manche Menschen tragen diese Bakterien in sich, ohne dass es zu einer Infektion kommt, betätigen sich dann aber unbemerkt als Überträger. In Pflegeheimen und Krankenhäusern, wo sich besonders viele immunschwache Menschen aufhalten, sind deshalb entsprechende Hygienevorgaben von großer Bedeutung, um das Risiko der Übertragung eindämmen zu können. Sowohl die Hygiene- als auch die Antibiotikastrategie sind daher zwei wichtige Pfeiler im Kampf gegen Superkeime.

Wiener Zeitung, Mittwoch, 1. März 2017