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Notiz 005: Graz und die Welt#

(Ein kurzer Beitrag zur steirischen Industriegeschichte)#

von Martin Krusche

Die historische Steyr-Daimler-Puch AG hat nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Produkten die einschlägige Marktsituation in Österreich über viele Jahre dominiert. Mit ihren Vorläufer- und Nachfolgebetrieben hat sie alle vier industriellen Revolutionen durchlaufen und abgebildet.

Autor Erich Mayer (in der Mitte, Bernd Elmar Mader zugewandt) stützt seine Auführungen auf eine profunde Kenntnis des Betriebs. (Foto: Martin Krusche)
Autor Erich Mayer (in der Mitte, Bernd Elmar Mader zugewandt) stützt seine Auführungen auf eine profunde Kenntnis des Betriebs. (Foto: Martin Krusche)

Sachbuchautor Erich Mayer kennt diese Geschichte von innen. Er war rund drei Jahrzehnte für den Konzern in leitender Position tätig, erlebte mit, wie die Globalisierung alles veränderte, was bis dahin die Wirtschaft ausgemacht hatte. Parallel dazu begleitete Mayer die enormen technischen und ökonomischen Veränderungsschübe, von denen der Konzern inhaltlich geformt wurde.

All das hatte ein Tempo und eine Dynamik, die in der Menschheitsgeschichte völlig neu waren. Das läßt sich ganz gut an einem Aspekt menschlicher Kompetenzverschiebungen festmachen. Die „Rechenschieber-Generation“ unter den Technikern erlebte erst programmierbare Taschenrechner, dann eine umfassende Digitale Revolution, die heute als Dritte Industrielle Revolution beschrieben wird.

Erich Mayer war von Kiwanis eingeladen worden, seine Sicht dieser Prozesse vorzutragen. Das reflektiert seine Publikation: PUCH (Werk II – im Wandel der Zeit. Eine steirische Industriegeschichte) im Verlag Weishaupt.

Es waren eben diese Prozesse, in denen die einstmals so rückständige Region durch eine partielle Industrialisierung ihren Talenten neuartige Jobs bieten konnte. So kam die Steiermark aus dem kargen Leben der agrarischen Welt heraus, um in etlichen Bereichen der Entwicklung bis heute Weltrang zu haben. Mayer nannte das ganz zu Recht eine ungebrochene Tradition, die auf Erzherzog Johann zurückzuführen sei und bis in die Gegenwart Wirkung zeige.

Dieser ungewöhnliche Aristokrat setzte sein enormes Vermögen und seine lebenslange Wißbegier ein, um Know how zu importieren und Kompetenzgewinn in der Steiermark zu fördern. Das steht für rund zweihundert Jahre einer permanenten technischen Revolution, die freilich auch Schattenseiten hat.

Mayers Buch in der zweiten Auflage. (Foto: Weishaupt)
Mayers Buch in der zweiten Auflage. (Foto: Weishaupt)

So legte Mayer dar, wie das Zweier-Werk in Thondorf als Rüstungsbetrieb der Nazi gebaut und zu einem beträchtlichen Teil mit Arbeitssklaven betrieben wurde. Zweier-Werk deshalb, weil es das Stammwerk von Altmeister Johann Puch als Produktionsstätte ergänzte. Durch diese Konzentration wurde Graz unter anderem auch zu einem bevorzugten Ziel für Bombenangriffe der Alliierten.

Aus diesem düsteren Kapitel europäischer Geschichte führte der Weg heraus in eine soziale Revolution, nämlich die Volksmotorisierung Österreichs. Bis zum zweiten Weltkrieg waren Kraftfahrzeuge ja den wohlhabenden Menschen vorbehalten; ganz speziell die Automobile, von denen man auf unseren Straßen hauptsächlich Firmen- und Behördenfahrzeuge sah.

Durch seine umfassende Kenntnis solcher Prozesse, die er Jahrzehnte mitgestaltet hatte, kann Mayer mit einer ganzen Reihe irreführender Klischees der Industrieentwicklung aufräumen. Es ist in Summe sehr komplex, wenn erstens einmal Massenproduktion und Massenkonsum zusammenfinden sollen, um zweitens in jenen Zeiten zu bestehen, in denen sprunghaft wachsende Firmenkonglomerate die schon erwähnte Globalisierung der Wirtschaft konkret machen.

Dazu kommen dann aber auch soziokulturelle Besonderheiten. Wem wäre das „Waffenradel“ kein Begriff? Was haben Puch-Mopeds in unseren Teenager-Tagen bedeutet und bewirkt? Wie klingt „Audi quattro“ in unseren Ohren? Daß Allrad schließlich Alltag wurde, nicht bloß bei Militärfahrzeugen und Rallye-Monstern den Lauf der Dinge bestimmte, hat ganz wesentliche Wurzeln in Graz, wo herausragende Allradkompetenz erworben wurde.

Wir sollten mit der Zuschreibung „Kult“ sparsam sein, aber da ist so allerhand bezüglich Thema Steyr-Daimler-Puch zu finden, das im Rückblick einen Kultur-Faktor gewonnen hat. Das sind sehr emotionale Themen. Mayer blieb in all dem vorzugsweise sachlich, um etwa begreiflich zu machen, welche strukturellen Kräftespiele in so einer Geschichte stecken, die wir dann zum Beispiel als eine Parade von Kult-Fahrzeugen wahrnehmen: Puch-Schammerl, Haflinger, Puch G, oder Mopeds wie die MC 50, die wassergekühlte Cobra etc.

Diese Aktie belegt: 1926 wurde die Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr-Werke AG umbenannt. (Foto: Martin Krusche)
Diese Aktie belegt: 1926 wurde die Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr-Werke AG umbenannt. (Foto: Martin Krusche)
STEWEAG-Aktie von 1923, ein Jahr nach der Firmengründung, die zum Ausbau der Mur erfolgte. (Foto: Martin Krusche)
STEWEAG-Aktie von 1923, ein Jahr nach der Firmengründung, die zum Ausbau der Mur erfolgte. (Foto: Martin Krusche)

Mit all dem hat der Name Puch bis heute besonderen Klang, was eigentlich erstaunt, weil der Altmeister im Jahr 1914 verstarb. Es ist kurios, wenn man bedenkt, daß unter diesem Namen schon lange keine Fahrzeuge mehr produziert werden.

Daran ändern aktuelle Puch-Fahrräder nichts, denn die haben in der Herstellung keinerlei Verbindung zum Ursprung, sind bloß die Produkte einer neuerliche Verwertung des Markennamens.

„Die langersehnte Neuauflage des legendären PUCH Waffenrades präsentiert sich im unverkennbaren Retro-Stil.“ Solche jungen Werbebotschaften handeln nur noch von Begriffen und Emotionen, sind ohne weiteren Bezug zu jenen historischen Lizenzfertigung des Swift-Rades aus dem britischen Coventry, mit der man erst in Steyr und dann in Graz die Kundschaft überzeugte.

Die Reputation der alten Marke geht also weit über die Sachfragen bezüglich verfügbarer Fahrzeuge hinaus. Die Steyr-Daimler-Puch AG gilt - sozialgeschichtlich betrachtet - als ein österreichischer „Erinnerungsort“ (Mnemotop), der im kollektiven Gedächtnis einen prominenten Platz hat. (An diesem Abend in Graz war Gelegenheit, einige zu diesen Geschichten passende Aktien aus der Sammlung von Herwig Schneider in Händen zu haben.)

Erich Mayer ist nicht nur ein in diesen Zusammenhängen sachkundiger Autor, sondern hat – wie erwähnt - Teile jener Prozesse mitgestaltet. Das ist eine äußerst interessante Rolle, wo wir uns mittlerweile in der Vierten Industriellen Revolution befinden, die vielen Menschen noch völlig unklar ist. Da hilft uns die Geschichtsbetrachtung einige Schritte weiter, um nächste Klarheiten zu finden, womit wir es zu tun haben.


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