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Finanzhilfe für den Neutöner#

Arnold Schönberg, der vor 140 Jahren geboren wurde, war lange Zeit auf die Unterstützung von Gönnern und Mäzeninnen angewiesen. Besonders hilfreich erwies sich die Wiener Industriellengattin Lilly Lieser.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Sa./So., 10./11. Mai 2014)

Von

Lisa Fischer


Arnold Schönberg
Der junge Arnold Schönberg in der Sommerfrische. Von seiner Gönnerin Lilly Lieser ist kein Foto bekannt.
© apa/Schönberg Center

Wenn heuer des 140. Geburtstags von Arnold Schönberg gedacht wird (13. September 1874), so schreibt sich damit gleichzeitig der Name einer seiner wichtigen Mäzeninnen - Lilly Lieser - erneut in die Geschichte ein. Die 1873 geborene und damit nur um ein Jahr ältere Förderin des skandalumwitterten Komponisten fungierte zwischen 1913 und 1918 als Schönbergs finanzielle Unterstützerin. Dies geschah zu einer Zeit, in der durch die Kämpfe des Ersten Weltkrieges Millionen von Menschen Not litten und auch Schönbergs finanzielle Situation prekär war. In ihrer turbulenten Beziehung zeigt sich gleichzeitig das schwierige Wechselverhältnis zweier markanter Persönlichkeiten, anhand beider Lebensläufe darüber hinaus die ganze Tragik einer Zeit. Während Schönberg bereits 1933 nach Amerika emigrierte und zu Weltruhm gelangte, wurde Lieser ein Opfer des Nationalsozialismus.

Kreative Milieus#

Lilly Liesers Engagement für die Musik sollte ebenso gewürdigt werden, wie ihre Aktivitäten in ihrer Breitensteiner Villa im Schwarzatal. Die Region war durch die Eröffnung der Semmeringbahn vor 160 Jahren, im Jahr 1854, zu einem touristischen Erholungsgebiet geworden. Ungewöhnliche landschaftliche Ausblicke verbinden sich mit neuen Einblicken in kreative Milieus, die sich zu gegenwärtigen Innovationswerkstätten verwandeln, wenn Menschen mit Begeisterung diesen spannenden Entdeckungen folgen und erneut Visionen entwickeln.

Im "Grünen Salon" blühte hier bis zum Jahr 1938 eine vielfältige Kultur künstlerischen Austausches und wechselseitiger Inspiration. Im musikalischen, literarischen oder bildnerischen Bereich entstanden in den geselligen Landsitzen Werke von Dauer. Liebe zu Menschen oder Natur spielten dabei ebenso eine zentrale Rolle wie die Passion für die Kultur.

Lilly Lieser, vermögende Industriellengattin, lernte Schönberg über ihre Freundin Alma Mahler kennen. In Wien trafen sich die Frauen in den einschlägigen Kreisen, in der Sommerfrische am Kreuzberg im Schwarzatal wurden sie Nachbarinnen. Das Semmeringgebiet fungierte mit seinen Landhäusern als erholsame Außenstelle der Stadt. Es war nicht nur Refugium, sondern für viele eine Kreativwerkstatt und ein Ort der Inspiration.

Schönberg kannte die Gegend gut. Er war bereits mit seinem Lehrer Alexander von Zemlinsky und dessen Schwester Mathilde ins Schwarzatal gefahren. Dort entstand 1899, vermutlich in seinem Quartier in Payerbach, in der Villa Rumpler in der Bahnhofstraße, seine "Verklärte Nacht". Die in Gedanken an die Geliebte vom Eros durchzogene Komposition zeigte sich als Spiegelbild des sich entwickelnden Liebesverhältnisses zu Mathilde, die er 1901 heiratete. Seine finanzielle Situation war zu diesem Zeitpunkt angespannt und so bot die Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald Hilfe. Zusammen mit der Musikkritikerin Elsa Bienenfeld ließ sie 1904/05 in den Räumlichkeiten ihrer Wiener Schule Musikkurse organisieren. Zemlinksy unterrichtete Formenlehre, Schönberg Harmonielehre und Kontrapunkt und Bienenfeld Musikgeschichte.

Eine Annonce in der "Neuen musikalischen Presse" sollte für die Lehrenden eine breitere Publizität gewinnen. Alban Berg, von seiner musikalischen Schwester Smaragda auf das Inserat aufmerksam gemacht, zähle ebenso wie Anton Webern zu den ersten Schülern von Schönberg.

Das Engagement der Frauen schuf somit die Basis der Zweiten Wiener Schule. In ihr wuchs eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen heran, die den Meister nicht nur inspirierte, sondern in der Folge auch tatkräftig unterstützte. Alban Berg gründete 1911 einen eigenen Fonds für seinen sich in ständigen Geldnöten befindlichen Lehrer, den er mit größtem Engagement verwaltete.

Dank der engen Beziehung zu Alma Mahler und ihrer guten Kontakte zum Großbürgertum gelang es Berg, zahlreiche Personen zu finanziellen Zuwendungen zu animieren. Ebenso setzten sich Freunde und Freundinnen aus den Literaten- und Musikkreisen für ein regelmäßiges Einkommen Schönbergs ein. Arthur Schnitzler folgte einem Spendenaufruf von 1911 nicht nur mit einer persönlichen Unterstützungserklärung, sondern auch mit pekuniärer Zuwendung, ebenso der Architekturerneuerer Adolf Loos, der Musikkritiker Julius Korngold, die engagierten Frauen der Industriellenfamilie Magda und Editha Mautner-Markhof, die Sängerin Marie Gutheil-Schoder und der Dramatiker Hermann Bahr.

Das zeitaufwändige Engagement für den Meister entpuppte sich jedoch immer wieder als belastende Geduldsprobe. Alban Berg klärte Missverständnisse und neutralisierte gekränkte Befindlichkeiten.

Die Sommerfrische#

Während Schönberg in Wien immer wieder Skandale verursachte, bot ihm die Sommerfrische Erholung und Anregung. In Breitenstein hatte sich Alma Mahler nach dem Tod ihres Mannes Gustav auf einem geerbten Grundstück 1913 ein Haus bauen lassen, das sich bald zu einem Liebesnest und einem grünen Kreativsalon entwickelte. Gleichzeitig verkaufte sie Teile des großen Anwesens an ihre Freundin Lilly Lieser, die sich dort ihre "Villa Lillenaun" errichten ließ. Die Wände schmückten Gemälde von Gustav Klimt, Edvard Munch, Oskar Kokoschka. Zudem besaß die Kunstsinnige Bildermappen von den Malern Klinger, Hodler, Rembrandt, Cézanne, van Gogh und Michelangelo. Lieser war demnach nicht nur Mäzenin lebender Kunstschaffender, sondern auch Sammlerin.

Alma Mahler mobilisierte bei ihren Hilfsaktionen für den in weiten Wiener Kreisen Umstrittenen viele ihrer Bekannten und es gelang ihr, sogar in Amerika Finanzquellen zu eröffnen. 1913 erhielt Schönberg von einem durch Alma vermittelten "Goldonkel" aus Übersee 1049 Mark, wie er ihr glücklich schrieb. Alma war in ihrem Netzwerken für Schönberg unermüdlich, denn "da rennen", wie sie dem Verzweifelten mitteilte, "so viele reiche kunstbegeisterte Kühe herum, eine muß jetzt gemolken werden".

Da Lieser dem betuchten Großbürgertum entstammte, vermerkte Schönberg 1914 seine Ansichten über deren Pflichten in einem Brief an Alma Mahler: "Ich stehe auf dem Standpunkt, dass jene reichen Leute, die in früheren Zeiten Mäcene waren, auch heute die Pflicht haben für die Künstler zu sorgen. Von dem nehme ich grenzenlos, ohne Bedenken und fast ohne Dankgefühl. Letzteres ist für meine geistige Unabhängigkeit auch absolut nötig." Lilly Lieser bot sich als ideale Förderin an. Bereits 1913 ließ Alma Schönberg 500 Kronen ihrer Freundin zukommen und involvierte sie erfolgreich in ihre ambitionierten Finanzierungsaktionen.

Für den durch finanzielle Krisen geschüttelten Schönberg betätigte sich Lieser in der Zeit des Ersten Weltkrieges als Agentin. Sie organisierte und bezahlte Konzertaufführungen, auch wenn sie durch Schönbergs Misserfolg ein finanzielles Desaster wurden, dessen Folgen sie zu tragen hatte. Auch für die Anschaffung eines eigenen Harmoniums kam sie 1916 finanziell auf. 1915 veranstaltete Schönberg in Wien einen Damenkurs, bei dem die großzügige Sponsorin persönlich den Ausführungen des Lehrers lauschte. So war sie nicht nur Musikliebhaberin, sondern Expertin.

Ihren beiden Töchtern, Helene und Annie, erteilte Schönberg ebenfalls Unterricht. Mitten im Krieg, im Sommer des Jahres 1915, sollte er darüber hinaus auf Einladung seiner wohlwollenden Förderin einen Kreativurlaub am Kreuzberg verbringen. Der Komponist brachte hohe Ansprüche mit, er benötigte Ruhe, ein Zimmer, wo er ungestört arbeiten konnte, er wünschte keine Gesellschaften und nach der Arbeit ein "bisschen fest Herumrennen oder Turnen", wie er ihr schrieb. Die Hausherrin ließ alles gut vorbereiten, in einem kühlen Nordzimmer ein Klavier aufstellen und erwartete den Sommerkomponisten.

Schönberg erschien nicht alleine, sondern mit Gattin, zwei Kindern, Dienstbotin und Hund. Auf den geplanten Kompositionsurlaub ging bald ein emotionales Sommergewitter nieder und das Ganze fiel ins Wasser. Lilly Lieser schwor Schönberg beim Leben ihrer Kinder, dass sie ihn nicht beleidigen wollte, und war bereit, ihm über ein Jahr weiter monatliche Renten zu überweisen.

Schönberg sah es als Pflicht der Reichen an, seine Empfindlichkeiten zu ertragen und zu zahlen. Lieser litt zunehmend unter den Ansprüchen des fordernden Komponisten und schrieb ihm schließlich: "In der Nähe Ihrer Persönlichkeit zu leben wäre an sich nur ein Glück, dem zuliebe man sogar Ihre sonst fast unerträgliche Empfindlichkeit ertragen könnte. Was mir den Verkehr mit Ihnen erschwert, ist nur die Selbstverständlichkeit mit der Sie, bis zum unwiderlegbaren Beweis des Gegenteils, in jedem Zweifelsfalle auch mir gegenüber vor allem menschliche Hässlichkeit und Unanständigkeit voraussetzen. Ich habe es daher aufgeben, in Ihren Augen ein anständiger Mensch sein zu wollen."

Damit zog sie sich nach vielerlei Missverständnissen aus ihrem mäzenatischen Verhältnis zurück und überließ anderen die Finanzierung des Komponisten.

Die Wege trennen sich#

1924, noch vor Beendigung des Trauerjahres nach dem Tod seiner Frau Mathilde, heiratete der 50- jährige Schönberg die Schwester seines Schülers, die um die Hälfte jüngere Gertrud Kolisch. Schönberg trat, auf den steigenden Antisemitismus reagierend, wieder zum Judentum über und emigrierte mit seiner neuen Familie 1933 in die USA. Dort konnte er als Komponist und Lehrer von der Ferne auf die turbulenten Zeiten in Wien blicken. Die ihn umgebenden Kreise hatten den Schwierigen in Wien im Spannungsfeld von Verehrung und Kränkung maßgebend finanziell und emotional unterstützt. Teile dieser Kreise traf er in Amerika wieder. Alma Mahler war zur Freundin geworden. Ihre Tochter, die Bildhauerin Anna, nahm Arnold Schönberg 1951 nach seinem Tod in Los Angeles die Totenmaske ab.

Lilly Lieser galt 1938 gemäß den Nürnberger Rassegesetzen als verachtete und entrechtete Jüdin. Beiden Töchtern gelang die Flucht, sie hingegen musste 1941 ihren Landsitz an die Wiener Neustädter Flugzeugwerke verkaufen. Er sollte erst 1958 an die Erbinnen zurückgestellt werden.

Lilly Lieser wurde 1942 deportiert, und starb 1943, wahrscheinlich im Ghetto von Riga. Die Initiative von Irene Suchy, der Mäzenin Schönbergs einen "Stein der Erinnerung" zu widmen, verdient daher tatkräftige Unterstützung.

Lisa Fischer, geboren 1959 in Wien, ist Kulturhistorikerin, Ausstellungskuratorin und Journalistin. Vor kurzem ist ihr neuestes Buch erschienen: "Liebe im Grünen. Kreative Sommerfrischen im Schwarzatal und am Semmering", edition moKKa, Wien 2014, 37 Euro.

Wiener Zeitung, (Sa./So., 10./11. Mai 2014)


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