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Brillante Kehlen, virtuose Finger, eine große Komponistin #

Nicht wie im Vorjahr Beethoven ein Jahresregent, sondern gleich mehrere Persönlichkeiten prägen das eben erst begonnene Musikjahr 2021. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (7. Jänner 2021)

Von

Walter Dobner


Vor 125 Jahren starb Clara Schumann, Klaviervirtuosin, Komponistin und „Priesterin der Kunst“.
Vor 125 Jahren starb Clara Schumann, Klaviervirtuosin, Komponistin und „Priesterin der Kunst“. .
Foto: Name. Aus: Wikicommons, unter PD
Die Komponistin Sofia Gubaidulina, längst als Klassikerin der Moderne zu bezeichnen, wird im Oktober 90.
Die Komponistin Sofia Gubaidulina, längst als Klassikerin der Moderne zu bezeichnen, wird im Oktober 90.
Foto: Name. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 3.0
Alfred Brendel, einer der prägenden Pianisten der vergangenen Jahrzehnte, feiert am 5. Jänner seinen 90. Geburtstag
Alfred Brendel, einer der prägenden Pianisten der vergangenen Jahrzehnte, feiert am 5. Jänner seinen 90. Geburtstag.
Foto: Jiyang Chen. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 3.0

Im Vorjahr war alles für ein weltweites Fest zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven vorbereitet. Aber das Coronavirus machte viele von den dafür erdachten Projekten zunichte. Dieses Jahr wird nicht von einer musikalischen Persönlichkeit dominiert, dafür gibt es genügend Gelegenheiten, sich an mehrere zu erinnern und damit auch so manchen wieder der Vergessenheit zu entreißen.

Das gilt selbstverständlich nicht für jenen, der diese sehr persönliche Jubiläumsliste anführt: Am 5. Jänner wird einer der prägenden Pianisten der vergangenen Jahrzehnte, Alfred Brendel, 90. Der Philosoph seines Genres, wie er wegen seiner tiefschürfenden, vor allem auf die Wiener Klassik und Liszt konzentrierten Interpretationen oft genannt wird. Geboren im heutigen Tschechien, aufgewachsen im damaligen Jugoslawien, ausgebildet in Graz, dann in Wien zu Hause, hat der auch mit zahlreichen fundierten Büchern – jüngst über Schubert- und Beethoven-Interpretation mit dem Musikwissenschafter und Dirigenten Peter Gülke – und pointierten Gedichten hervorgetretene Pianist seit Jahrzehnten seinen Wohnsitz in London.

Zwei seiner einst gefeierten, heute selbst auf dem Plattenmarkt nur mehr spärlich vertretenen, lange verstorbenen Kollegen hätten im November ihren 100. Geburtstag begangen: am 5. November der aus Ungarn gebürtige, auf Grund seiner technischen Fertigkeiten gerne als Übervirtuose angesprochene George Cziffra, zwei Wochen darauf sein Landsmann Géza Anda, der sich vornehmlich als Mozart- und Schumann-Interpret einen Namen gemacht und den Wilhelm Furtwängler wegen seiner Anschlagskultur als „Troubadour des Klaviers“ bezeichnet hat.

Frauen im Fokus #

Apropos Klavier: Am 25. Mai werden es 125 Jahre, dass Clara Schumann verstorben ist. Eine „Priesterin der Kunst“ nannte sie Franz Liszt. Der gestrenge Eduard Hanslick war überzeugt, dass sie durch ihre Interpretationen wesentlich zur Begeisterung für Beethovens Klaviersonaten in Wien beigetragen hat. Zudem wurde die Schumann, die auch mehrfach als Komponistin hervorgetreten und häufig zusammen mit dem Geiger Joseph Joachim musiziert hat, als erste Frau als Professorin für Klavierspiel an das renommierte Hoch'sche Konservatorium in Frankfurt am Main berufen. Mit ihrem Konzept, für jeden ihrer Klavierabende eine eigene, Charakter, Fasslichkeit, Tempi und Tonarten der Stücke berücksichtigende Dramaturgie zu überlegen, wirkt sie bis heute.

Überhaupt stehen 2021 viele Frauen im musikalischen Fokus: Am 7. Jänner wäre die nicht nur durch ihre exemplarische Darstellung von Mozart- und Strauss-Partien berühmte Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf 120 Jahre, am 24. Oktober die zu ihren Lebzeiten nicht minder gefeierte Sena Jurinac, durch Jahrzehnte eine der großen Stützen der Wiener Oper, 100 Jahre alt. Anna Netrebko, die nach wie vor wenigstens einige Male im Jahr am Haus am Ring auftritt, feiert am 18. September ihren 50. Geburtstag.

Viermal so alt wäre am 18. Juli eine der berühmtesten Mezzosopranistinnen ihrer Zeit, die von Liszt, Wagner bis Brahms mit allen bedeutenden Musikern ihrer Zeit befreundete Französin Pauline Viardot- Garcia. Hätte im Vorjahr alles wie geplant stattgefunden, wäre sie wohl einem größeren Kreis wieder bekannter. Ihre populärste Fachkollegin der Gegenwart, Cecilia Bartoli, wollte sie 2020 in den Mittelpunkt der von ihr kuratierten Salzburger Pfingstfestspiele stellen. Auch sie fielen bekanntlich den Wirren des so überraschend hereingebrochenen Coronavirus zum Opfer.

Den Reigen der Sängerjubilare führt Plácido Domingo an, der in wenigen Tagen, am 21. Jänner, 80 wird. Sein nicht minder bejubelter Kollege José Carreras begeht am 5. Dezember – zugleich Mozarts 230. Todestag – seinen „Fünfundsiebziger“. Weil wir schon bei den Tenorissimi sind: Franco Corelli wäre am 8. April, Giuseppe di Stefano am 24. Juli 100 Jahre. Richard Taubers Geburtstag jährt sich am 16. Mai zum 130. Mal. Beim wohl berühmtesten von ihnen, Enrico Caruso, werden es am 2. August 100 Jahre, dass er, erst 48-jährig, in seiner Heimatstadt Neapel verstorben ist.

Geht es um Mozart, geben noch immer der belgische Geiger Arthur Grumiaux und der jung bei einem Verkehrsunfall umgekommene britische Hornist Dennis Brain mit ihren bis heute unerreichten Einspielungen seiner Violin- und Hornkonzerte den Maßstab vor. Geboren wurden beide vor 100 Jahren: Grumiaux am 21. März in Villers-Perwin, Brain am 17. Mai in London. Mit Mozart, einer Neueinstudierung seiner „Cosí fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen 1982, begann auch die internationale Karriere von Riccardo Muti: Er wird am 28. Juli 80, zugleich der 280. Todestag seines bekanntlich in Wien verstorbenen Landsmanns Antonio Vivaldi. Noch ein international profilierter Dirigent feiert dieses Jahr einen runden Geburtstag: Der aus Kalifornien stammende Kent Nagano, GMD in Hamburg, davor in dieser Funktion an der Bayerischen Staatsoper München tätig, wird am 22. November 70.

Musik ist Widerstand #

2021 gibt auch vielfach Gelegenheit, an Komponisten von Rang zu erinnern, darunter im April an den 50. Todestag von Igor Strawinsky, oder an den 100. Todestag des heute meist nur mehr durch seine Oper „Hänsel und Gretel“ bekannten Engelbert Humperdinck im September und von Camille Saint-Saëns im Dezember. Knapp vor Weihnachten, am 22. Dezember, werden es 200 Jahre, dass der komponierende Kontrabassvirtuose Giovanni Bottesini geboren wurde. Sein wohl genuinster Interpret, der langjährige Wiener Philharmoniker Ludwig Streicher, wäre übrigens im Vorjahr 100 Jahre alt geworden.

Auch eine der großen Komponistinnen unserer Tage, die längst als Klassikerin der Moderne anzusprechende, seit den 1990ern in Deutschland lebende Russin Sofia Gubaidulina, jubiliert: Sie begeht am 24. Oktober ihren 90. Geburtstag. Dafür wird sie hoffentlich gebührend gefeiert. Gidon Kremer und Anne-Sophie Mutter sollten bei diesen Feierlichkeiten unbedingt dabei sein: Ihnen hat die vielfache Ehrenprofessorin ihr erstes und zweites Violinkonzert quasi „auf den Leib“ geschrieben. Wie sie Musik charakterisiert? „Für mich ist es die bedeutendste Form des Widerstandes der Menschheit gegen den geistigen Verfall überhaupt. Musikalische Tätigkeit ist enorm wichtig und heilend für die Welt.“

Allen ins Stammbuch geschrieben – nicht zuletzt den für das Wohl ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger verantwortlichen Staatenlenkern.

Die Furche, 7. Jänner 2021


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