Der Tenorissimo und sein Wien #
Mit der Ausstellung „Tenorissimo!“ erinnert das Wiener Theatermuseum an fünfzig Jahre Plácido Domingo in Wien: klein, fein, informativ. #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 14. Dezember 2017).
Von
Walter Dobner
Warum sich in diesem Jahr gleich zwei Institutionen dieses Themas angenommen haben, die Staatsoper und das Theatermuseum, und ob es nicht besser gewesen wäre, beide Synergien zu bündeln und dafür eine umfangreiche Exposition auf die Beine zu stellen: Natürlich kann man diese Frage stellen. Aber nicht jeder hat die Möglichkeit, sich eine Ausstellung während der Aufführungspausen in der Staatsoper anzusehen. So macht es durchaus Sinn, dass sich auch das Theatermuseum mit Domingos halbem Jahrhundert in Wien auseinander setzt. Selbst wenn dafür nur wenig Platz zur Verfügung steht.
Über 3800 Auftritte #
Aber das reicht für eine qualitätvolle Schau. Vorausgesetzt, man verfügt über ein entsprechendes Konzept und es handelt sich um eine Thematik, für die man besonders ausgewiesen ist. Beides trifft auf den Kurator, Peter Dusek, langjähriger Archivchef des ORF und vor allem begeisterter Opernkenner, zu. Entsprechend geht es ihm nicht um irgendwelche Details, sondern um eine so knappe wie zugleich umfassende grundsätzliche Würdigung dieses, wie er die Ausstellung nennt, „Tenorissimo“. Und das ist Plácido Domingo ohne Zweifel. Schon die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Als Sänger ist er über 3800 Male aufgetreten, davon die letzten Jahre vor allem als Bariton. Auch in Wien, wie man in der von den Staatsoperndramaturgen Andras und Oliver Láng verfassten Publikation zur Staatsopern- Schau nachlesen kann: als Simone Boccanegra, Nabucco und Giorgio Germont in „La traviata“. Dazu kommen um die fünfhundert Auftritte als Dirigent. Mittlerweile hat Domingo an die 150 Rollen verkörpert, ist, selbstverständlich, Österreichischer Kammersänger und wurde mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet. Debütiert hat er an der Staatsoper am 19. Mai 1967 in der Titelrolle von Verdis „Don Carlo“. Im Jahr darauf folgte sein Erstauftreten an der „Met“. Mittlerweile gibt es kaum ein Opernhaus, einen Konzertsaal von Rang, in dem Domingo nicht zu Gast war, als Tenor, Bariton oder Dirigent. Dass er ab 1990 wiederholt mit seinen Tenorissimo- Kollegen Luciano Pavarotti und José Carreras in großen Arenen aufgetreten ist, hat Domingos schon zuvor weit über die Klassik reichende Popularität noch gesteigert. Selbstredend, dass auch Opern für ihn geschrieben wurden. Aber dieses Bild wäre unvollständig, würde man nicht erwähnen, dass er auch als Operndirektor in Los Angeles amtiert, sich um den Sängernachwuchs kümmert, bei Wohltätigkeitsveranstaltungen auftritt und ein erklärter Fußballfan ist.
Wie sich bei solcher Vielfalt Schwerpunkte setzen lassen? Dusek hat sich einfach von Domingos Rollen an der Wiener Staatsoper leiten lassen. Und da ergeben sich die Schwerpunkte Verdi, Puccini und Verismo, Französische Oper und Raritäten sowie Dirigent und Bariton wie von selbst und man kann auch noch auf seine Tätigkeit als Impresario hinweisen am Beispiel zahlreicher Fotos, klug ausgewählter Kostüme sowie von aus der Staatsoper entlehnten Schminktischen, die Domingos Konterfei am Spiegel zieren.
Tenor, Bariton und Dirigent #
Ergänzt werden diese Informationen durch ausgesuchte Programmzettel, Hinweise auf exemplarische CD-Einspielungen, wie seine Mitwirkung in der Aufnahme von Wagners „Lohengrin“ unter Solti, in Puccinis „Madama Butterfl y“ und „Turandot“ unter Karajan oder in Offenbachs „Les Contes d’Hoffmann“ unter Ozawa, oder spezielle Publikationen, wie das zu seinem 25-Jahr- Jubiläum an der Staatsoper verfasste Buch von Lilian Fayer und Dieter Zöchling „Von Don Carlos bis Parsifal“. Wer hätte damals gedacht, dass dies nur eine Hälfte von Domingos Wirken in Wien sein würde?
Eine 21-teilige DVD erinnert an einige der markantesten Domingo-Auftritte als Tenor, Bariton und Dirigent am Wiener Haus am Ring, aber auch, dass er 1982 zusammen mit Hans Krankl die offi zielle WM-Hymne, „El Mundial“, gesungen hat. Selbstverständlich fehlt auch nicht jener 18. Juni 1993, an dem Domingo an der Volks- und Staatsoper aufgetreten ist: zuerst als Luigi in Puccinis „Der Mantel“, anschließend als Canio in „Pagliacci“. Auch das einmalig in der Wiener Musikgeschichte.