A star was born - aber wann?#
Die Rätsel um das Geburtsjahr Jesu und um den "Stern von Bethlehem" fasziniert die Forschung#
Von der Wiener Zeitung, (Freitag, 23. Dezember 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Heiner Boberski
Um die Zeit der Geburt Christi gab es mehrere spektakuläre Himmelsereignisse.#
Wien. Wann genau wurde Jesus Christus geboren? Ging damals wirklich ein Stern am Himmel auf? Diese Fragen können Historiker und Astronomen bis heute nicht exakt beantworten, nur Indizien sammeln und Theorien entwickeln. Einigkeit besteht darin, dass sich der Mönch Dionysius Exiguus im 6. Jahrhundert verrechnet hat, als er die Geburt Jesu Christi im Jahr 754 "ab urbe condita" (seit der Gründung Roms) ansetzte und dieses Jahr - es gab kein "Jahr null" - zum Jahr eins der neuen christlichen Zeitrechnung erklärte. Denn laut Matthäus-Evangelium wurde Jesus "zur Zeit des Königs Herodes in Judäa geboren", und Herodes starb bereits im Jahr 4 vor Christus.
Nicht die "heiligen drei Könige", die später Eingang in die christliche Überlieferung fanden, sondern eine unbekannte Anzahl von weisen Sterndeutern aus dem Osten soll damals Herodes aufgesucht und gefragt haben: "Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen." Dass es drei waren, schloss man aus der Zahl der Geschenke, die sie dem Jesuskind überbrachten: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Herodes wies sie, nach Rückfrage bei seinen Ratgebern, nach Bethlehem. Denn dort, so hatte der Prophet Micha geweissagt, werde der Messias zur Welt kommen.
Der "Stern von Bethlehem", dem die Weisen folgten, muss nicht ein neu aufgehender Stern (Nova) im heutigen astronomischen Verständnis gewesen sein, es könnte sich auch um ein anderes seltenes Himmelsereignis handeln. Er wurde lange Zeit als Komet gedeutet und dargestellt, auch noch auf dem Fresko "Anbetung der Könige" in der Scrovegni-Kapelle in Padua, das Giotto di Bondone unter dem Eindruck des 1301 sichtbaren Halleyschen Kometen gemalt hatte. Dieser Komet war auch zwischen Oktober 12 und Februar 11 vor Christus sichtbar, aber so früh dürfte die Geburt Jesu nicht erfolgt sein. Ein Komet oder eine Nova war auch im Jahr 5 oder 4 vor Christus in China und Korea zu sehen, berichten dortige Quellen.
Seltene Planetenbegegnung#
Als plausibler gilt die "Konjunktionstheorie", die der österreichische Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo (1907-2007) seit den 60er Jahren vertrat. Sie geht auf Johannes Kepler (1571-1630) zurück, der für das Jahr 7 vor Christus eine äußerst seltene dreifache Begegnung der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische berechnet hatte. Ein babylonischer Astronom in antiker Zeit, so Ferrari d’Occhieppo, hätte die Verbindung von Jupiter (Königsstern) und Saturn (Planet Israels) im Sternbild der Fische als Geburt eines mächtigen Königs im Westen deuten müssen.
Die drei Konjunktionen ereigneten sich im Abstand von einigen Monaten, was den Weisen Zeit gegeben hätte, von Babylon nach Israel zu reisen und dort die nächste Konjunktion zu erleben. Es heißt ja bei Matthäus, sie hätten plötzlich, schon nahe Bethlehem, den Stern wieder gesehen (das wäre am 12. November des Jahres 7 vor Christus gewesen) und seien hoch erfreut gewesen. Gegen die Konjunktionstheorie gibt es freilich einige Einwände, vor allem ist zweifelhaft, ob der Saturn bei den Babyloniern für das Judentum stand und ob dort jemand der Konjunktion überhaupt Beachtung geschenkt hätte.
Andere Theorien beziehen sich auf Konjunktionen von Jupiter und Venus oder auf eine spektakuläre Supernova, die laut dem Altorientalisten Werner Papke im Sternbild Haar der Berenike aufleuchtete. Diese Ereignisse sind allerdings erst in den Jahren 3 und 2 vor Christus, also nach dem Tod von König Herodes, eingetreten. Ein anderes Himmelsereignis hat 1999 der US-Physiker Michael Molnar als deutlichen Hinweis auf die Geburt des Messias interpretiert: Am 17. April des Jahres 6 vor Christus um 8.26 Uhr standen die Planeten Jupiter, Saturn, Mars, Merkur und Venus in einer Reihe im Zeichen des Sternbildes Judäas, des Widders, und direkt vor dem Jupiter zog die Sichel des zunehmenden Mondes vorbei.
Legenden, nicht Historie#
Viele moderne Bibelwissenschafter lesen freilich die Erzählungen um die Geburt Christi nicht als historische Berichte, sondern als Legenden mit theologischer Aussage. In diesem Fall gehe es um die weit über Israel hinausstrahlende universale Heilsbedeutung der Geburt Christi. In dem Text von den Weisen aus dem Osten bewahrheiten sich alttestamentarische Prophezeiungen, dass Völker - und Könige! - nach Israel wandern und Weihrauch und Gold mitbringen und dass dem Volk, das im Dunkel wohnt, ein Licht aufstrahlt.
Skeptiker halten es auch für möglich, dass die Geburt Jesu gar nicht in Bethlehem erfolgte, aber wegen der Micha-Prophetie dorthin verlegt wurde. Die von Kaiser Augustus angeordnete Volkszählung, deretwegen sich Josef und die schwangere Maria nach Bethlehem begeben haben sollen, hat für die meisten Historiker frühestens im Jahr 6 nach Christus stattgefunden, nur der deutsche Archäologe Philipp Filtzinger fand einen Hinweis auf das Jahr 8 vor Christus. Aber das löst die Rätsel um das Geburtsjahr auch nicht.
Wie es zum 25. Dezember als offiziellen Geburtstag Jesu kam (ein Datum, an dem in Israel Hirten kaum mit ihren Schafen im Freien gewesen wären), das ist eine andere (mit dem römischen "Sol invictus"-Fest zusammenhängende) Geschichte.