Wie geht es Schrödingers Katze?#
Lothar Bodingbauer
Der berühmte britische Kosmologe Steven Hawking (* 1942) greift nach eigenen Angaben zur Waffe, wenn er von Schrödingers Katze hört. Nicht um sie zu töten, sondern um denjenigen zu verjagen, der ihm davon erzählt.
Er will damit sagen: Schrödingers Katze ist eines der am wenigsten verstandenen Gedankenexperimente der Physik.
Gedankenexperimente verwenden Physiker gerne, um einen komplexen Sachverhalt anschaulich darzustellen. Es soll damit etwas gezeigt werden, was schwierig wäre, direkt zu sehen. Man kann auch mit Gedankenexperimenten Widersprüche finden, bevor noch Millionen aus Steuergeldern in experimentelle Realisierungen der Problemstellung fließen.
Das Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze soll nun nicht zeigen, wie man einer Katze übel mitspielen kann, sondern wie eigenartig die Naturgesetze der Quantenphysik sind. Schrödingers Katze veranschaulicht diese Gesetze derQuantenwelt – derWelt der kleinsten Teilchen – an einem Beispiel unserer Welt.
Diese Gesetze der Quantenwelt muss man zuerst verstehen, bevor man Schrödingers Katze verstehen kann, ohne diese arme Katze zu bedauern.
Der österreichische Quantenphysiker Erwin Schrödinger (1887–1961) beschreibt folgende quantenmechanische Situation: Elektronen, die auf eine Wand mit zwei Löchern losfliegen, hinterlassen auf einem Schirm dahinter ein Muster, das sie nur zustande bringen, wenn sie keine Teilchen, sondern Wellen sind. Sie gehen als Welle durch beide Löcher gleichzeitig.
Sonderbar, aber so ist das eben. Werden die Elektronen beobachtet, stört das diesen Durchflug so stark, dass sich die Elektronen wieder wie konventionelle Teilchen benehmen. Sie fliegen entweder durch Loch 1 oder durch Loch 2. Die Wellenfunktion kollabiert, sagt man. Beobachten zwingt eine Entscheidung eines vormals überlagerten Zustands herbei.
Schrödingers Katze illustriert genau dieses Doppelspaltexperiment: Eine Katze befindet sich in einer Kiste, in die man nicht hineinsieht. Sie wird mittels eines speziellen Mechanismus in der nächsten Stunde mit 50%iger Wahrscheinlichkeit sterben. Nach Ablauf einer Stunde schauen wir in die Kiste. Die Katze wird beobachtet und in diesem Moment entscheidet sich: lebendig oder tot. Bis dahin, sagt Schrödinger, ist sie wie eine Elektronenwelle, die durch Loch 1 und 2 gleichzeitig geht: Sie ist im überlagerten Zustand von lebendig und tot zugleich.
Greifen Sie jetzt selbst zu einer Waffe? Erinnern Sie sich – natürlich kann eine Katze nicht lebendig und tot zugleich sein. Aber Elektronen können durch Loch 1 und Loch 2 gleichzeitig gehen, und genau das und nicht mehr soll dieses Gedankenexperiment beschreiben.
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch: