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Verbrannt, verehrt, vergöttlicht#

Matthew Inman erklärt, "Woran du erkennst, dass deine Katze deinen Tod plant"#


Von der Wiener Zeitung (Samstag/Sonntag, 13./14. April 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Edwin Baumgartner


Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte der Katze.#


Katzencomic
Katzen wissen stets, wo man am besten essen geht.
© Wiley

Richtig verärgert war Barbaras Katze zuerst, und das ganz zu Recht. Schließlich waren ihre Dosenöffnerin und ich im Theater gewesen und verwerflicherweise nachher noch essen gegangen. Das bedeutete ein stundenlanges Minus an Streicheleinheiten. Barbara wendete sie demonstrativ den Rücken zu, mich ignorierte sie völlig. Aber jetzt hat sie sich wieder ein wenig beruhigt, stützt ihren Kopf auf Barbaras Arm, lässt sich von ihr kraulen. Der Blick freilich, mit dem sie mich dabei fixiert, verheißt nichts Gutes. Vielleicht schaffe ich es ja noch, das Testament aufzusetzen und es zum Notar zu bringen. Denn das Urteil ist wohl gefällt, es geht nur noch um den Zeitpunkt.

Dank Matthew Inman weiß ich das. Der 28-jährige US-amerikanische Programmierer, Comicszeichner und Schöpfer der Kult-Webseite theoatmeal.com, hat es minutiös dargelegt in "Woran du erkennst, dass deine Katze deinen Tod plant". Vom Verlag Wiley wird das Buch als Comic ausgegeben und in Buchhandlungen entweder bei Comics oder bei Humor eingereiht. Was zwar beruhigend ist, aber grundfalsch. Ich vermute, es ist ein Lehrbuch; die Warnung eines Eingeweihten. Die Leser haben das erkannt: Das Buch stand auf Platz eins der "New York Times"-Bestsellerliste und bewegt sich auch auf deutschsprachigen Bestsellerlisten im Spitzenfeld.

Weltherrscher Katze#

Kein Weg führt an der Erkenntnis vorbei: Die Katze ist auf dem Weg, die Weltherrschaft zu übernehmen. Wenigstens hat die Menschheit die Chance, in einigen ausgewählten Exemplaren als unbefellte Sklavenrasse zu überleben (falls sie nicht ohnedies längst unbemerkt dazu geworden ist). Dann wird auch dieser falsche Eintrag im Internet-Lexikon "Wikipedia" korrigiert werden: Die Katze "ist ein seit mindestens etwa 9500 Jahren vom Menschen gehaltenes Haustier", heißt es dort in Verkennung der Tatsache, dass es genau andersherum ist und der Mensch seit 9500 Jahren von der Katze gehalten wird. In Jericho etwa wurden Katzenskelette aus dem sechsten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung gefunden.

Barbaras Katze fixiert mich weiterhin aus halbgeschlossenen Augen. Ich werde mich wohl in mein Schicksal ergeben müssen.

Die Ägypter, die haben die Zeichen erkannt: Die Katze verehrten sie als Katzengöttin Bastet, Tochter des höchsten Gottes, des Sonnengottes Re, Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, des Tanzes und der Feste - und übrigens auch der Musik, was den Begriff "Katzenmusik" einen völlig neuen Aspekt hinzufügt. Natürlich mumifizierten die Ägypter ihre Katzen - wie sie alle ihre heiligen Tiere von Krokodilen über Schlangen und Spitzmäuse bis hin zu Skarabäen einbalsamierten.

Die Scheiterhaufen brennen#

Nach solcher Verehrung in der Antike kam das Mittelalter wie ein Fluch über die Katzenheit. Kirchenmänner ordneten, vielleicht beeinflusst vom persischen Zoroastrismus, die Katze dem Teufel zu. Im Volksaberglauben begleitete sie die Hexen, die ihrerseits Katzengestalt annehmen konnten. In die Fundamente der Kirchen mauerte man lebende Katzen ein, im aberwitzigen Irrglauben, damit den Teufel unter der Kirche zu begraben. Obendrein wurden speziell schwarze Katzen - aber nicht nur sie - auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Womit es ihnen nicht besser erging als tausenden und abertausenden Mädchen und Frauen.

Allerdings fanden sich, speziell unter den Adeligen, auch Katzenliebhaber. Und in einem Land genossen Katzen sogar hohes Ansehen: In England durfte sich eine Ansiedlung nur dann als "Hamlet", also als Dorf, bezeichnen, wenn sie mindestens neun Gebäude, einen Pflug, einen Brennofen, ein Butterfass, einen Hahn, einen Stier, einen Hirten und - ja: eine Katze aufweisen konnte.

Bisweilen wurde zu jener Zeit die Katze freilich auch auf dem Kontinent geehrt: Eike von Repgows Rechtsbuch "Sachsenspiegel" (1220-1230) legt für eine unrechtmäßig getötete Katze drei Pfennige Schadenersatz fest. Für eine unrechtmäßig getötete Kuh gab es nur einen Pfennig mehr.

"Siehst du", scheint Barbaras Katze mir mit ihrem Blick mitzuteilen, "ich bin eben etwas wert, nun gut, die Kuh wird überschätzt, aber reden wir jetzt einmal von dir..."

Angesichts solchen Blicks verkneife ich mir besser die Bemerkung, dass diese drei Pfennige für eine Katze nur deshalb festgesetzt wurden, weil die Katze als Nutztier galt. Das Katzenfell verwendete man für die Kleidung, und aus Katzenleder fertigte man Handschuhe.

Im 16. Jahrhundert verliert die Katze allmählich ihre Bedeutung als Nutztier und wird zum reinen Haustier. Wobei der alte Aberglauben den Menschen freilich unausrottbar in den Knochen sitzt: So glaubt manch einer, es brächte Unglück, wenn ihm eine schwarze Katze über den Weg läuft. Sollte er sich zwecks Abwendung des Unheils bekreuzigen, taumelt er von einem Aberglauben in den nächsten. Und alles nur wegen einer Katze. Also doch ein Tier des Teufels...? - Immerhin fressen sie in alten japanischen Dämonengeschichten sogar Kinder.

"Na, Angst?", scheint Barbaras Katze mich mit ihrem Blick zu fragen.

Ich hingegen wundere mich, dass kaum einem Künstler eine würdige Katzendarstellung gelang. Nicht einmal Albrecht Dürer schaffte es, und er war wohl ein begnadeter Zeichner. Aber wie kann jemandem, dem solch ein Hase gelingt, eine Katze so missraten wie im Kupferstich vom Sündenfall, wo ein dickliches Etwas Adam und Eva zu Füßen liegt? Im "Katzenkonzert" von Jan Breugel d. Ä. sind ein, zwei Katzengesichter geglückt, aber die anderen sind unkätzisch. Was nicht stimmt, kann man dabei nicht genau benennen, es ist nur das Gefühl: "So nicht." Franz Marcs "Katze auf gelbem Polster" ist nicht nur aus malerischer, sondern sogar aus felider Sicht ein Meisterwerk - aber nahezu das einzige.

Katzendichtung#

"Ich bin eben schöner, als Bilder sein könnten", scheint Barbaras Katze mir mit ihrem Blick mitzuteilen, "zumal ich ja ohnedies eher ein Wesen der besseren Literatur als der Malerei bin."

Was arrogant klingt (eine Katze eben), aber durchaus korrekt ist. Bei Dante Alighieri, Francesco Petrarca und Torquato Tasso kommt sie vor. Charles Baudelaire schrieb das grandiose Gedicht "Le chat" und die Cheshire Cat in Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" kann gar grinsen und sich vom Schwanz her unsichtbar machen. "Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern" von E.T.A. Hoffmann und "Spiegel, das Kätzchen" von Gottfried Keller haben als Klassiker der deutschen Literatur keinen Staub angesetzt. Aber für den literarischen Katzenadel sorgte der Literaturnobelpreisträger T.S. Eliot mit seinem "Old Possum’s Book of Practical Cats", den witzigsten, berührendsten und tiefgründigsten Versen, die jemals über Katzen gedichtet wurden (dass Andrew Lloyd Webber bei ihrer Vertonung in "Cats" zur Hochform auflief, ist kein Wunder). Und der englische Star-Dramatiker Edward Bond schrieb für den deutschen Star-Komponisten Hans Werner Henze das Libretto zur Oper "Die englische Katze".

Höhere Ehren gibt’s da nur noch, wenn sie religiöser Natur sind. Der Koran berichtet von Mohammeds Lieblingskatze, und so gilt die Katze im Islam als reines Tier. In Marokko liegt gar Baraka (Segenskraft) auf ihr.

Genug Ehrendes genannt? - Barbaras Katze jedenfalls scheint besänftigt und gönnt mir jetzt sanftes Schlecken und leichte Bisse. Alles vergeben? Wenn mir nur Matthew Inmans Buch nicht im Kopf herumginge. "Vielleicht", sage ich mir, "will sie mich ja nur in Sicherheit wiegen..."

Wiener Zeitung, Samstag/Sonntag, 13./14. April 2013


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