Mutation prägt Fellfarbe#
Forscher lüften Geheimnis des weißen Tigers: Nur ein DNA-Baustein ausgetauscht#
Von der Wiener Zeitung (Freitag, 24. Mai 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Der weiße Tiger ist laut Forschern ein bewahrenswerter Teil der Natur.#
Peking. (gral/ag) Seit jeher üben weiße Tiger eine gewisse Faszination auf den Menschen aus. Sie werden von den meisten als wunderschön und mystisch empfunden. Nicht zuletzt durch die Auftritte der beiden deutsch-US-amerikanischen Magier Siegfried und Roy in den 1990er Jahren und deren Einsatz für die Züchtung dieser Tiere gelangten die weißen Tiger zu Weltruhm. Heutzutage sind sie nur noch in Zoos und Shows zu finden, was immer wieder Kritiker auf den Plan ruft.
Das weiße Fell der Tiere entsteht durch den Austausch nur eines einzigen Bausteins der DNA. Und diese Mutation betrifft ausschließlich die Pigmentierung, wie Forscher aus China und Südkorea im Fachblatt "Current Biology" schreiben. Ansonsten seien die Tiere gesund und überlebensfähig, erklärt Xiao Xu vom College of Life Sciences in Peking. Die Raubkatzen sollten aber nicht länger als Kuriosität ausschließlich untereinander gezüchtet, sondern als bewahrenswerter Teil der Natur behandelt werden, fordern die Forscher.
Blaue Augen, rosa Tatzen#
Die weißen Tiger sind eine sehr seltene Variante des Bengal-Tigers (Panthera tigris tigris), auch Königstiger genannt. Sie haben, wie der Name schon sagt, ein weißes statt orangefarbenes Fell. Allerdings sind sie keine vollständigen Albinos - immerhin trägt ihr Fell ja dunkle Streifen und ihre Augenfarbe ist nicht rot, sondern blau. Weiße Tiger haben außerdem eine rosa Nase und rosa Ballen unter den Tatzen. Die genetische Veränderung, die zu dem weißen Fell führt, wird rezessiv vererbt: Das bedeutet, dass sowohl Vater als auch Mutter die Veränderung besitzen müssen, damit sie beim Nachwuchs zum Tragen kommen kann.
Erste Berichte von weißen Tigern gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Das letzte frei lebende Exemplar wurde 1958 erlegt. Heute leben die seltenen Tiere nur noch in Gefangenschaft. Die meisten, wenn nicht alle der heute lebenden Tiere sind Nachkommen eines männlichen Tigers, der 1951 in Indien gefangen und zur Zucht eingesetzt wurde. Unter den Tieren kommt es häufig zu Problemen wie Totgeburten, frühzeitigem Tod oder Missbildungen.
Dass diese Probleme eine Folge der Inzucht und nicht der Mutation sind, zeigten die Forscher um Xiao Xu nun in ihrer Untersuchung. Sie hatten mit drei Tigern - zwei weißen und einem orangen - 13 Jungtiere gezeugt und dann das Erbgut aller 16 Tiger untersucht. Dabei entdeckten sie die entscheidende Veränderung in einem SLC45A2 genannten Gen. In diesem Pigment-Gen ist ein einzelner Baustein gegen einen anderen ausgetauscht. Dadurch wird die Produktion bestimmter Farbpigmente beeinträchtigt. Andere Farbpigmente bleiben unberührt. Das erklärt auch, warum die weißen Tiger dunkle Streifen tragen.
Nur Pigmentierung betroffen#
An exakt gleicher Position im Erbgut hatten Forscher auch schon bei einem Menschen eine Mutation entdeckt. Der deutsche Patient hatte helle Haut und dunkle Haare. Auch von einigen Tieren kennt man Farbvarianten, die darauf zurückgehen. Die Experten folgern aus ihrer Untersuchung - und der Tatsache, dass in freier Wildbahn früher gesunde, ausgewachsene Tiger gefangen wurden -, dass die Mutation nur die Pigmentierung betrifft und keine negativen Folgen hat. Obwohl die genetische Veränderung bei Bengal-Tigern sehr selten sei, habe sie viele Jahrhunderte in freier Wildbahn bestanden, so die Forscher. Sie sollte als Teil der genetischen Vielfalt angesehen werden, die es zu erhalten gelte. Die gesundheitlichen Probleme, unter denen die weißen Tiger heute litten, habe wahrscheinlich der Mensch durch die anhaltende Inzucht provoziert.