Der verhinderte Präsident#
Kaiserin Maria Theresia, Papst Paul III. und Kaiser Franz Joseph gehören zu seinen Vorfahren. Seit der Kärntner Hocharistokrat Ulrich Habsburg-Lothringen Bundespräsident werden will, kennt ihn die ganze Republik.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 31. März 2011).
Von
Janko Ferk
„In Österreich darf jeder alles werden“, sagt Ulrich Habsburg-Lothringen, „auch ehemalige Nationalsozialisten. Nur mir wird das Amt des Bundespräsidenten verwehrt.“ Der Kärntner Habsburger meint es so bitter, wie es klingt. Auch Rudolf Graf von Habsburg, der Begründer der Dynastie, der aufgeklärte Reformer Joseph II. und der selig gesprochene Kaiser Karl sind seine Vorfahren. Er selber ist begeisterter Republikaner, im Zivilberuf erfolgreich und für die „grüne Idee“ als Politiker in seiner Heimatstadt Wolfsberg engagiert. Eine weitere politische Karriere als republikanisches Staatsoberhaupt bleibt ihm wegen der österreichischen Gesetzeslage derzeit verwehrt. Gegen diese kämpft er an und führt, vertreten durch einen Kärntner slowenischen Rechtsanwalt, Verfahren vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Gespür für die res publica#
Vor Ulrich Habsburgs 70. Geburtstag habe ich sein Leben aufgezeichnet. Habsburg hat seine Geschichte autorisiert und mich dokumentarisch unterstützt. Dieses Leben ist zeitweise spannender als ein Roman. Der Lebensweg ist kein durchschnittlicher und birgt manche überraschende Wendung. In eine hocharistokratische Familie geboren, setzt er sich als Politiker für die parlamentarische Demokratie ein und als Bundesheeroffizier, der vom damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim angelobt wurde, für die Republik.
Mit seiner Gesinnung erinnert er eher an große Vorfahren aus seiner Familie, als an exemplarische Vertreter heutiger res publica, die die öffentliche Sache schon einmal als sogenannte Lobbyisten für ein paar Zigtausend Euro mit ihrer privaten verwechseln. Ulrich Habsburg käme es nicht in den Sinn, aus seinem Mandat Nutzen für sich zu ziehen. Schon gar nicht finanziellen. Noch vor Beginn seiner Bestrebungen, bei der Bundespräsidentenwahl 2010 als Kandidat antreten zu dürfen, hat er das Amt eines Gemeinderats der Stadt Wolfsberg zurückgelegt. Mit dem Gewicht seines historischen Namens stellt er sich seit Jahrzehnten auf die Seite Schwächerer und Wenigerer, namentlich der Kärntner Slowenen und jüdischer Mitbürger. Nur seine Intentionen für eine gesunde Umwelt vertritt er als studierter Forstwirt vielleicht mit noch größerer Vehemenz als jene für Gerechtigkeit. Wie dokumentiert man ein solches Leben, fragt man sich als Autor zu Beginn seiner Arbeit. Eine Biografie muss interessant sein, antwortet man – sich. Lesbar und spannend. Der beachtliche Lebenslauf dazu ist die Voraussetzung. Die Biografie ist die Spur, die vom Vergänglichen bleibt. Die Nachkommenden – und hier auch die Zeitgenossen – sollen wissen, mit welchem Glück, welchen Schmerzen, mit welcher Zuwaage Enttäuschung manchmal und mit wie viel Zuversicht sich ein Mensch durch seine Zeit bewegt hat und bewegen hat lassen. Vor allem, nicht gehen hat lassen.
Biografien sind Gegenstand der verschiedensten Fächer. Die Lebensbeschreibung Habsburgs könnte eine solche der Geschichte, der Politik und der Gesellschaft sein. Sie ist eine der Geschichte, Politik und Gesellschaft. Und sie kann mit Sicherheit nicht in nur ein Fach gedrängt werden.
Das Leben des beschriebenen Mannes ist für die übliche, weil so praktische Kategorisierung zu mannigfaltig. Es wird aber – von mir – nicht heroisiert. Das hat der Beschriebene nicht notwendig. Ein Lebenslauf, zumal einer, der sich nicht nur im Privaten abspielt, hat „unter dem Strich“ viele Ereignisse zu verbuchen. In diesem Fall sind viele vollkommen persönlich, andere haben zeitgeschichtlichen Charakter, beispielsweise die ihn prägenden Bestimmungen zur Wahl des Bundespräsidenten. Die Wahl selbst notiert in der Zeitgeschichte, die Kandidatur des Beschriebenen ebenso. Auch die Zugehörigkeit zur ehemaligen Kaiserfamilie ist eine chronikale Tatsache. Alles das dient aber nicht, wie bereits gesagt, der Heroisierung, sondern nur der genauen Aufarbeitung eines Lebens in einem Rahmen, der bereits mit der Geburt vorgegeben war und den der Nachkomme an vielen Stellen mit Ausdauer, Mut und Willen gesprengt hat.
Am Beginn der Aufzeichnung war zu klären, wie die gegenständliche Biografie gebaut werden soll, nach einem System oder der Zeit, also systematisch oder chronologisch. Die Entscheidung fi el auf beides. Im Hinführen auf die eigentliche Biografie des Beschriebenen wurde ein System angelegt, in der Biografie selbst diktiert die Chronologie den Inhalt.
Im chronologischen Inhalt liegt die Gewichtung naturgemäß auf entscheidenden Ereignissen aus dem Leben des Beschriebenen, dem in jedem Lebensabschnitt auch Begebenheiten widerfahren sind, die man kurz und bündig Unbill nennen kann. Sie mündeten aber nicht, wie es allenfalls in anderen Leben geschehen wäre, in Bitterkeit, sondern im Schluss, dass man aus solchen Erfahrungen Lehren für das weitere Leben ziehen sollte, womit schon ausdrücklich gesagt ist, dass es im Buch um eine lebensbejahende Person geht, die gläubig ist, was nicht verschwiegen wird. Im Übrigen hat diese im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich überwiegend Positives erleben dürfen.
Schmerzliche Ungerechtigkeit#
Ulrich Habsburg habe ich vor Jahren kennengelernt. Ich weiß heute weder genau den Tag noch die Gelegenheit. Ich denke aber, dass man sich wegen der öffentlichen Äußerungen und persönlichen Intentionen ohnehin auf Distanz gekannt hat. Schließlich begegnet man sich in Kärnten, genauso wie woanders, sozusagen bei der Verfolgung und Durchsetzung demokratischer Anliegen.
Gesprächsstoff hat es von Anfang an gegeben. Die Habsburgerinnen und Habsburger, Kärnten, Gesetze, die Ulrich Habsburg als gegen seine Familie gerichtet und undemokratisch beurteilt, und vieles andere, das weit über Kärnten und Österreich hinausreicht. Besonders nachdenklich gemacht hat mich als Juristen Ulrich Habsburgs mehrfach ausgesprochenes Verdikt, in Österreich dürfe jeder alles werden, nur er nicht Staatsoberhaupt. Ich weiß, wie sehr ihn diese Tatsache, ja, schmerzt. Ich habe mich aus diesem Grund entschlossen, über ihn zu schreiben, weil ich überzeugt bin, dass auch die vorliegende Biografie letztlich dazu beitragen wird, diese Ungerechtigkeit aus der österreichischen Welt zu schaffen.
Heinz Fischers Weigerung#
Aufschlussreich finde ich den Auslöser seiner Kandidatur: „Es war die Erstkommunion meines Enkels Benedikt im Jahr 2008“, erinnert sich Ulrich Habsburg, „bei der ein Foto meiner vierzehnköpfigen Familie aufgenommen wurde. Bei dessen Betrachtung kam mir die Frage in den Sinn: Was haben die sechs Enkelkinder, meine drei Schwiegertöchter, meine Frau und ich selber verbrochen, dass uns Teile der Menschenrechte vorenthalten werden, der Menschenrechte, die in zivilisierten Staaten für alle Menschen wirksam sind und die nur aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung für den Zeitraum der Strafverbüßung teilweise genommen werden können?“ Die rhetorische Frage mag simplifiziert sein, sie trifft jedoch Habsburgs Altersaufgabe. Schließlich sei das lange Leben kurz skizziert: Ulrich Habsburg- Lothringen entstammt der Toskanischen Linie der Habsburger. Er ist mit Friederike, einer geborenen Klinkowström, verheiratet, deren adelige Vorfahren sich im Wien des 19. Jahrhunderts um die Bildung verdient gemacht haben. Nach der Promotion an der Universität für Bodenkultur in Wien hat Habsburg in der Holz- und Papierindustrie gearbeitet und seinen Forstbetrieb geführt. Seit Jahrzehnten ist er politisch für die „grüne Idee“ aktiv und setzt sich für die Verwirklichung der Menschenrechte ein. Sein bekannter Name hat ihm nicht selten das Leben aus Neid und ohne Grund erschwert. Insgesamt sind Ulrich und Friederike Habsburg aber glückliche und kritische Zeitgenossen.
Zuletzt sei nicht verhehlt, es wäre Ulrich Habsburgs Wunsch gewesen, dass der Bundespräsident der Republik Österreich ein Vorwort zur Biografie geschrieben hätte. Der Präsident hat dies abgelehnt. Was ich für beschämend halte.
Der Autor ist Jurist, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler. Vor Kurzem erschien „Eine forensische Trilogie“ (Edition Atelier, Wien).
Dass der Bundespräsident kein Vorwort geschrieben hat, ist für mich als Historiker durchaus nachvollziehbar. Schließlich haben die Schweizer die Habsburger schon im Spätmittelalter rausgeschmissen und sich dadurch das Feudalrecht mit seiner Sklaverei erspart in die die Österreicher bis 1849 durch die Habsburger und die Kirche hineingezwungen wurden. Einen Habsburger als Bundespräsidenten brauchen wir nicht....; HG
-- Glaubauf Karl, Mittwoch, 6. April 2011, 08:56