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Buddhas Weg nach Österreich #

30 Jahre Buddhismus als staatlich anerkannte Religion fußen auf Entwicklungen, die zurück ins 19. Jahrhundert reichen.#


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIE FURCHE, Donnerstag, 23. Mai 2013

Von

Ursula Baatz


Buddhastatue im ÖBR-Zenrum
Buddhastatue im ÖBR-Zenrum in Wien I.
Foto: © Katrin Bruder

Das älteste buddhistische Denkmal in Österreich steht in Klosterneuburg bei Wien am Oberen Stadtfriedhof. Es ist der Grabstein des Ungarn Jenő Lénard, gestorben 1924, geschmückt mit einem Buddha- Kopf. Lénard war ein österreichisch-ungarischer Pionier des Buddhismus. Sein Versuch, um 1910 die Übersetzung einer buddhistischen Lehr-Rede in einer serbischen Zeitung zu lancieren, scheiterte an der Zensur. Für den Buddhismus interessierte sich damals nur eine sehr kleine Avantgarde von Künstlern, Intellektuellen und Menschen, die nach einem ganz anderen Leben suchten – wie ein Grazer namens Arthur Fritz, der nach Sri Lanka – damals Ceylon und unter englischer Kolonialherrschaft – reiste und dort 1913 als Mönch ordiniert wurde. Hier gab es seit 1906 eine Gemeinschaft westlicher buddhistischer Mönche, unter der Führung des bedeutenden Mönchs Nyanatiloka. Der stammte aus dem Rheinland, hieß mit bürgerlichem Namen Anton Gueth und hatte 1904 die Mönchsgelübde abgelegt.

Friedenspagode am rechten Donauufer
Buddhisten in Wien. Seit 1983 ist die Friedenspagode, ein 26 Meter hoher Stupa, ein Landmark am rechten Donauufer.
Foto: Katrin Bruder

Schopenhauers pessimistischer Einfluss #

Die meisten Europäer entdeckten den Buddhismus durch die Schriften des Philosophen und Bestseller-Autors Schopenhauers (1788–1860), der meinte, im Buddhismus – er sagte „Buddhaismus“ – eine Bestätigung seines eigenen philosophischen Pessimismus zu finden. Daher klebt am Buddhismus bis heute das Vorurteil, pessimistisch zu sein. Unter dem Einfluss Schopenhauers plante Richard Wagner die Buddha- Oper „Der Sieger“, und auch Friedrich Nietzsche wurde von Schopenhauers Buddhismus- Interesse beeindruckt. Karl Eugen Neumann, Österreicher und erster Übersetzer des Pali-Kanons, der ältesten buddhistischen Texte, ins Deutsche, gehörte diesem Künstler- und Intellektuellen-Milieu an. Neumanns Übersetzung wurde nach seinem frühen Tod in Armut 1915 zum Bestseller und beeindruckte Künstler wie Hugo von Hofmannsthal, Hermann Hesse oder Thomas Mann. Neumanns Grab am Wiener Zentralfriedhof wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt, und ist nun als Ehrengrab eine Art buddhistische Pilgerstätte.

Tibetische Mönche
Tibetische Mönche bei der Einweihung des Buddhistischen Friedhofs 2003.
© APA/Pfarrhofer

Der „Buddhismus“ ist freilich ein Ergebnis des europäischen Kolonialismus. Der Begriff selbst taucht erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in der Encyclopaedia Britannica auf. Bis dahin hatten die europäischen Kolonialherren die regional sehr verschiedenen Formen der Buddha-Lehre für unterschiedliche Religionen gehalten. Viele der bis heute wirksamen Missverständnisse des Buddhismus gehen auf diese Zeit des Kolonialismus zurück. Die europäischen Gelehrten lasen buddhistische Schriften wie Textzeugen einer ausgestorbenen Kultur und ignorierten die asiatischen Buddhismus- Gelehrten. Das führte zu Missverständnissen bei Schlüsselbegriffen wie Nirvana, das als „Nichts“ fehlinterpretiert wurde – statt als das „Erlöschen von Gier, Hass und (egozentrischer) Verblendung“. „Westler“ suchten im Buddhismus auch eine Alternative zum christlichen Staatskirchentum. Sie sahen im Buddhismus eine aufgeklärte, atheistische Weltanschauung oder eine Religion ohne Erlöser. Diese westliche Sicht übernahmen später asiatische Buddhisten in ihrem Kampf gegen den westlichen Kolonialismus als Selbstdarstellung des Buddhismus.

Buddha Darstellung
Buddha-Darstellung im dem Tibetischen Buddhismus zugehörigen Karma Kangyü Sangha in Wien.
Foto: © Wikimedia

Buddhisten vor und nach der NS-Zeit #

Wer nach einer „Ethik ohne Gott“ oder einer „wissenschaftlichen Religion“ suchte, konnte sich in Deutschland u.a. an den 1903 gegründeten „Buddhistischen Missionsverein“ wenden. Ab 1924 eröffnete der Arzt und Übersetzer Paul Dahlke in Berlin-Frohnau ein bis heute bestehendes „Buddhistisches Haus“. In Österreich gab es zwar immer wieder Bemühungen, eine „Buddhistische Gesellschaft“ zu gründen, doch real existierende österreichische Buddhisten gab es nur sehr wenige, und von denen mussten viele während der NS-Zeit emigrieren. Um den Wiener Arzt Anton Kropatsch, ein Schüler Paul Dahlkes, sammelte sich in Wien von 1935 bis 1945 ein kleiner buddhistischen Freundeskreis, in dem man Pali-Texte las und sich überlegte, wie die ins Alltagsleben umzusetzen wären. Kropatsch war Mitglied der NSDAP und wurde nach 1945 seiner leitenden Funktion im Wilhelminen-Spital enthoben. 1947 gründete der aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrte Arzt Helmut Klar, ebenfalls ein Schüler Dahlkes, mit Freunden die „Buddhistische Gesellschaft Wien“, und 1949 stieß die Gruppe um Kropatsch dazu. Aus dieser „Keimzelle“ entstand dann langsam die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begannen sich transkontinentale Beziehungen zu intensivieren und zu beschleunigen – und eines der Kennzeichen der Globalisierung war die verstärkte Wanderung des Buddhismus in den Westen. Der Zen-Philosoph Daisetz Teitaro Suzuki faszinierte Anfang der 1950er Jahre eine ganze Generation junger Amerikaner mit seinen Vorträgen. Jack Kerouac, die Dichter-Ikone der Beatnik- Generation und der Avantgarde-Komponist John Cage ließen sich von der Zen-Ästhetik beeinflussen. Nach der Annexion Tibets durch die Volksrepublik China flüchteten viele Tibeter, darunter der Dalai Lama und andere hohe Würdenträger nach Indien. Viele ließen sich in den USA oder Europa nieder, gründeten Zentren und Klöster, die Westler anzogen, oder begannen an Universitäten Sanskrit, Tibetisch und Buddhismus zu unterrichten. Der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh wurde durch den Vietnam- Krieg und sein humanitäres Engagement ins Exil gezwungen und errichtete in Südfrankreich ein Meditationszentrum. Er und der Dalai Lama gelten heute als international einflussreiche spirituelle Lehrer.

Buddhistische Religionsgemeinschaft in der Wiener Innenstadt
Fleischmarkt 16. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) residiert in einem Altbau in der Wiener Innenstadt.
Foto: © Katrin Bruder

Der Weg zu staatlicher Anerkennung #

In Wien übernahm 1955 Fritz Hungerleider die Leitung der Buddhistischen Gesellschaft Wien. Vor der NS-Herrschaft flüchtete er ins Exil nach Schanghai, lernte dort den Buddhismus kennen und begann ab 1961 u.a. im Zisterzienserstift Zwettl Zen-Kurse zu geben. Seine Kurse markierten eine Wende: hatte man in Europa bis dahin den „Lese- Buddhismus“ gepflegt, gewann nun der „Meditations- Buddhismus“ an Interesse. Auch kamen, bedingt durch die neuen globalen Verhältnisse, immer mehr prominente buddhistische Meditationslehrer nach Europa und auch nach Österreich. Das Meditationsinteresse fasste auch in den Kirchen Fuß: im Herbst 1968 fand in der Benediktinerabtei Niederaltaich der erste Zen-Kurs des Jesuiten und Zen-Lehrers Hugo Enomiya-Lassalle statt. In den 1970er Jahren hielt er auch in Wien eine ganze Reihe Zen-Kurse für interessierte Christen. Daraus entstand das „Zendo Wien Fünf“, das der katholische Priester und Zen-Meister Karl Obermayer leitet. Die Buddhistische Gemeinde, immer noch ein kleines Grüppchen, traf sich nun im gewerkschaftseigenen Porr-Haus. Als 1973 der Dalai Lama auf Einladung von Kardinal König erstmals nach Wien kam, fanden dort die Seminare mit ihm im kleinen Kreis statt. Um diese Zeit gründete Erich Skrleta am Dannebergplatz in Wien eine buddhistische Buchhandlung mit angeschlossenem Meditationsraum im Keller, und in Scheibbs (NÖ) wurde ein alter Bauernhof in ein buddhistisches Zentrum umgewandelt. In diesen Jahren des beginnenden Religionswandels in Europa galt alles, was unbekannt war, schnell als Sekte. Deswegen betrieb der Arzt Walter Karwath als Präsident der Österreichischen Buddhistischen Union ab 1976 die Anerkennung des Buddhismus als Religion – ein Projekt, das zunächst am Amtsweg zu scheitern drohte und das dann der Dichter und Anwalt Albert Drach erfolgreich fortsetzte. 1983 wurde der Buddhismus als Religion gleichberechtigt mit den großen christlichen Konfessionen, dem Judentum und dem Islam anerkannt – als erstem Land in Europa. Anfang der 1980er Jahren übersiedelte die ÖBR in ein altes Haus am Fleisch - markt 16. Hier befinden sich nun buddhistische Richtungen unter einem Dach, die in Asien als unvereinbar gelten würden – doch die Situation in Europa führt zu neuen Konstellationen. Die Spannung zwischen asiatischen Traditionen mit patriarchalen und feudalen Strukturen und dem kritischen Selbstverständnis einer demokratischen Gesellschaft werden nur selten thematisiert. Doch ist dies das Ferment eines möglichen europäischen Buddhismus.

DIE FURCHE, Donnerstag, 23. Mai 2013