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„Relaunch“ der ksoe? #

Die Wogen gehen hoch: Wird die Katholische Sozialakademie „abgeschossen“? Hat sie die Zeichen der Zeit zu links interpretiert und wird dafür abgestraft?#


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (9. Juli 2020)

Ein Gastkommentar von

Rainald Tippow


Als soziale Stimme der katholischen Kirche trägt die Katholische Sozialakademie Österreichs (ksoe) seit mehr als sechs Jahrzehnten christliche Sozialethik als Orientierung, Bildung und Beratung in eine komplexe, sich immer schneller wandelnde Welt. Sie eröffnete mit ihren Angeboten Entwicklungsräume, die schließlich zu rund zwei Dritteln aus außerkirchlichen Quellen finanziert worden waren.

Diese schwierige Teilfremdfinanzierung der im ksoe-Statut geforderten Erforschung und Verbreitung der Katholischen Soziallehre eskalierte mit Ausbruch der Coronakrise. Einnahmen fielen weg. Dass die Bischofskonferenz in ihrer letzten Vollversammlung den Ball aufnahm, war diesem Umstand geschuldet. Die danach kommunizierten Maßnahmen brachten vielerorts ein Überkochen der Reaktionen. Schließlich wurden eine bischöfliche Lenkungsgruppe und ein zweiter Direktor als Sanierungsmanager eingesetzt. Das Kuratorium, das die Diözesen, die Sozialpartner und die Katholische Aktion vertritt, ist nur mehr beratend tätig und kann weder die Arbeitsrichtlinien der ksoe beschließen, noch den Haushaltsplan genehmigen. Die Dienstverhältnisse des Personals sollen sozialverträglich gelöst werden. Zugleich geht es um einen „Relaunch“. Der Name ksoe soll erhalten bleiben, die Akademie selbst inhaltlich und strukturell neu aufgestellt werden.

Inhaltliche und sozialverträgliche Reform #

Die personellen und inhaltlichen Ressourcen der ksoe bilden seit Jahren ein einmaliges Kompetenzzentrum zur positiven Weiterentwicklung der Gesellschaft. Angesichts des Konkurses vieler Gesellschaftstheorien ist die Katholische Soziallehre, aufbauend auf der Würde des Menschen mit ihren Eckpfeilern aus Gemeinwohl, Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Nachhaltigkeit und Option für die Armen, ein kraftvolles Instrument für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Die Soziallehre der Kirche soll unter Zuhilfenahme sämtlicher Beiträge der Wissenschaften und der Philosophie dem Menschen auf dem Weg zu seinem Heil beistehen, wie es Papst Johannes Paul II. in seiner Sozialenzyklika Centesimus annus ausführte. Dem sieht sich die ksoe verpflichtet.

Der nunmehr geforderte ksoe-Relaunch ist eine Operation am offenen Herzen einer über 60-Jährigen. Sie ist vital, aber die Furcht vor den Folgen unbedachter Einschnitte ist österreichweit spürbar. Die Angst des hauptamtlichen Personals ist verständlich und nachvollziehbar. Welche Striche einer Skizze für die Zukunft der ksoe können gezeichnet werden?

Die entsetzlichen und entwürdigenden Arbeitsbedingungen an den globalen Werkbänken, etwa der Bekleidungsindustrie, sind ebenso evident wie die erschütternden Erkenntnisse zu den Wohn- und Arbeitsverhältnissen auf den Feldern Südeuropas und in so manchem Schlachthof weiter im Norden. Der „Globalisierung der Ausschließung und der Gleichgültigkeit“, wie es Papst Franziskus genannt hat, einer Wirtschaft, die tötet, ist entschieden entgegenzutreten. Um einen wertvollen Beitrag gegen die menschengemachten und kapitalismusgetriebenen humanitären Katastrophen zu leisten, braucht es eine intellektuelle Tiefenbohrung, einen gesellschaftlichen Diskurs in ökumenischer und säkularer Breite, auch getragen von den Kirchen. Zu himmelschreienden Nöten darf die Kirche nicht schweigen.

Dennoch bildet die Polarität – da die ausgebeutete Näherin in Bangladesch, dort der kapitalistische Ausbeuter – die gesellschaftsökonomische Situation unseres Landes kaum ab. Neben sozialen Verwerfungen einiger Brennpunkte der Arbeitswelt muss eine ksoe den Aspekt des „redlichen Kaufmanns“, der verantwortungsvoll agierenden Unternehmerin, der immer mehr sich verschränkenden wirtschaftlichen Situation von Kleinunternehmerinnen und Angestellten, prekären und sonstigen Dienstverhältnissen bedenken. Dazu hat die Kirche etwas zu sagen, darüber hat sie nachzudenken. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen die Bischöfe ein Instrument, das ksoe heißt.

Globale Armut und Grundeinkommen #

Gleichzeitig erleben wir ein Aufbrechen der Trennlinie zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Ins Bewusstsein tritt, dass gerade Letztere für gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozialen Frieden unerlässlich ist. Pflegende Angehörige, deren Arbeit kaum anerkannt und schäbig oder gar nicht honoriert wird, befinden sich in ihrer Sorgearbeit in einem Korridor zur Altersarmut, die in aller Regel weiblich ist. Die Digitalisierung scheint wie ein Damoklesschwert über jenen zu hängen, deren Arbeit durch Roboterisierung abgeschafft werden könnte. Viele unbezahlte Tätigkeiten aus Kunst, Kultur und freiwilligem Engagement tragen die Gesellschaft. Seit einem Dritteljahrhundert setzt sich die ksoe mit Fragen rund ums Grundeinkommen auseinander und verfolgt damit einen Ansatz, der möglicherweise nicht der Stein der Weisen ist, aber doch die Diskussion über das gute und gerechte Leben bereichert und voranbringt. Die Entwicklung von Modellen für eine enkeltaugliche Welt und nachhaltigen Ressourceneinsatz verlangt nach Antworten auf die soziale Frage, die laufend neu zu finden sind. Die Katholische Soziallehre gehört im Gleichklang damit ständig weitergedacht, länderspezifisch und global ausbuchstabiert.

„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit?“, fragt Papst Franziskus anlässlich der Verleihung des Karlspreises. Diese und die oben tangierten Fragen mögen Antworten evozieren, die unangenehm sind. Der biblische Auftrag, der aus dem Hören der Schreie der Entrechteten resultiert und die sich daraus ableitende Katholische Soziallehre dürfen nicht – glatt gebürstet – stromlinienförmiger Bequemlichkeit geopfert werden. Eine von ihrem Auftraggeber, nämlich der Bischofskonferenz, angemessen genutzte Katholische Sozialakademie öffnet der Kirche überlebensnotwendige Türen und Fenster in die Welt.

Der Autor ist Vorsitzender des Kuratoriums der ksoe.

Die Furche, 9. Juli 2020