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Auf Augenhöhe angekommen#

Das rabbinische Dokument "Zwischen Jerusalem und Rom" hebt den Dialog zwischen IKG Wien und katholischer Kirche auf eine neue Ebene.#


Von der Wiener Zeitung (Mittwoch, 27. Oktober 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexia Weiss


Wiener Oberrabbiner Arie Folger und Kardinal Christoph Schönborn
Freudvolle Zusammenarbeit: Wiener Oberrabbiner Arie Folger und Kardinal Christoph Schönborn.
Foto: © Luiza Puiu

Wien. 1965 veröffentlichte die katholische Kirche "Nostra aetate" eine Erklärung über das Verhältnis zu nicht-christlichen Religionen. Herzstück ist die Auseinandersetzung mit dem Judentum, in dem antijüdischer Theologie und Dogmen eine klare Absage erteilt wird. Eine Kommission von Rabbinern der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), des Rabbinical Council of America (RCA) und des Oberrabbinats Israel unter Vorsitz des Wiener Oberrabbiners Arie Folger arbeiteten jüngst eine rabbinische Antwort auf "Nostra aetate" aus, die nun zu einer Leitlinie der christlich-jüdischen Zusammenarbeit werden soll.

Ende August erfolgte die offizielle Übergabe an den Papst - diesen Donnerstag übergab die Führung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien eine Kopie des Dokuments mit dem Titel "Zwischen Jerusalem und Rom" an Kardinal Christoph Schönborn.

IKG-Präsident Oskar Deutsch meinte in seiner Einleitung scherzhaft, es sei nun an den Rabbinern zu erklären, warum sie über 50 Jahre gebraucht hätten, "Nostra aetate" zu beantworten. Replik von Kardinal Schönborn: "Sie finden, 52 Jahre ist eine lange Zeit? Ich finde 1965 Jahre eine lange Zeit, bis ‚Nostra aetate‘ geschrieben wurde. Da brauchen Sie wirklich kein schlechtes Gewissen zu haben."

Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister betonte, heute wisse man im Rückblick, dass die katholische Kirche mit "Nostra aetate" den Grundstein zu einem neuen Umgang mit dem Judentum gelegt habe. Damals sei eine Erklärung vorgelegt worden. In den Jahrzehnten bisher sei diese aber auch mit Leben erfüllt worden. "Es wurde ein neuer Anfang geschaffen - wie bedeutend dieser Anfang war, kann man aber erst retrospektiv erkennen." Gemeinsamer Anknüpfungspunkt sei damals die Person Jesus gewesen - heute wisse man, dass sich mit Jesus auch der größte Unterschied zeige. "Erst jetzt, über 50 Jahre später, sind wir tatsächlich auf einer Augenhöhe angekommen." Und auch erst mit "Nostra aetate" habe sich eine Kultur des interreligiösen Dialogs in Österreich entwickeln können.

In dem nun vorliegenden rabbinischen Dokument heißt es dazu: "Aufgrund der langen Geschichte des christlichen Antijudaismus bezweifelten anfangs viele hochrangige Vertreter des Judentums die Ernsthaftigkeit der Annäherung der Kirche an die jüdische Gemeinschaft. Mit der Zeit zeigte sich, dass die Veränderungen in der Haltung und der Lehre der Kirche nicht nur ernsthaft, sondern auch immer tiefgreifender werden, und dass wir in eine Phase der wachsenden Toleranz, des gegenseitigen Respekts und der Solidarität zwischen den Mitgliedern unserer beiden Glaubensgemeinschaften eintreten."

Hier hakte auch Folger ein: Nach langer Zeit der Judenmission durch die katholische Kirche sei "Nostra aetate" im Rückblick "eine echte Wende". Religiös motivierter Antisemitismus habe in der katholischen Kirche heute keinen Platz mehr - nun gehe es aber darum, noch mehr zu erreichen. Eine wirkliche Zusammenarbeit. Das Wichtigste dabei: "Die Anerkennung der Andersheit", so Schönborn. Damit unterstreicht er - wie auch das Dokument "Zwischen Jerusalem und Rom" - die theologischen Unterschiede zwischen Judentum und Christentum. Diese Unterschiede sollten aber "unserer friedlichen Zusammenarbeit zum Wohl unserer gemeinsamen Welt und der Kinder des Noach nicht im Weg stehen", so die Rabbiner in ihrer Erklärung. "Deshalb ist es erforderlich, dass unsere Glaubensgemeinschaften sich weiterhin begegnen, miteinander vertraut werden und das Vertrauen des jeweils anderen gewinnen."

Das Dokument sei daher auch "ein Arbeitsauftrag", so Schönborn - "und ein Zündholz". Ein solches brenne aber nicht sehr lange. Man müsse damit daher rasch Kerzen anzünden. "Es geht nicht um die Worte, es geht um die Taten." Er freue sich aber, dass die erste Kerze bereits entzündet worden sei: das von der Kultusgemeinde und der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems gemeinsam getragene Rabbiner David Feuchtwang D-A-CH Kompetenzzentrum für jüdische Religions-, Hebräisch/Iwrit- und Jüdische Studienpädagogik für den deutschsprachigen Raum. Die nach einem früheren Wiener Oberrabbiner benannte Einrichtung wurde am Donnerstag mit demselben Festakt eröffnet, in dessen Rahmen auch die Übergabe der rabbinischen Antwort auf "Nostra aetate" an Schönborn stattfand. Auf der Plattform der KPH Wien/Krems wird künftig im Verbund mit der Kirchlichen Hochschule, aber dennoch unabhängig und der jüdischen Tradition verhaftet die Ausbildung jüdischer Religionslehrer und -lehrerinnen erfolgen, erklärte der Gründungsdirektor des Zentrums, Awi Blumenfeld.

Er stellte in seiner Antrittsvorlesung zur Institutseröffnung die Bildung in den Mittelpunkt. Religion sei ein wesentlicher Faktor im edukativen Prozess von Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen. Erziehung wiederum sei eine Brücke der Verbesserung der Welt. Vor noch 50 Jahren wäre eine gemeinsame Basis der religionspädagogischen Ausbildung nicht möglich gewesen. Mit dem neuen Zentrum werde nun "Tacheles" gesprochen und gezeigt, "dass Juden und Christen Gesagtes nicht nur postulieren, sondern gemäß dem Diktum der Mishna - sprich wenig und tue umso mehr - auch umsetzen".

Wiener Zeitung, Mittwoch, 27. Oktober 2017