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Auf der Spur der Rauchzeichen #

Gesundheit statt Genuss: Der aktuelle Wandel in der Einstellung zum Rauchen wirft Licht auf die kulturellen und politischen Dimensionen des Tabakgebrauchs. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIE FURCHE (Donnerstag, 31. Oktober 2013)

Von

Martin Tauss


„Zigaretten können durch ihre Symbolik, ihren Geruch und Gebrauch
versteckt politische Inhalte vermitteln, ja sogar
politische Botschaften beglaubigen.“

Zigarette
Foto: © Shutterstock

Nekrotische Raucherbeine oder teergeschwärzte Raucherlungen, versehen mit den bereits bekannten Warnungen, dass das „Rauchen tötet“: Solche großflächigen Schockbilder sollen künftig in der gesamten EU auf Zigarettenpackungen zu finden sein. So sieht es die verschärfte Tabakrichtlinie vor, auf die sich das EU-Parlament im Oktober geeinigt hat, um einen noch größeren Abschreckungseffekt zu erzielen. Es ist die gleiche visuelle Botschaft, die schon 1658 auf einem Werk über „Die trockene Trunkenheit“ des Tabaks zu sehen ist: Dort war ein rauchender Knochenmann Sinnbild für den fatalen Tabakgenuss. Aber zurück zur Gegenwart, die sich wohl am besten über die Wechselfälle der Vergangenheit beleuchten lässt.

Raucher
© K.K.

Auch wenn der Widerstand der Tabakindustrie hartnäckig ist und Österreich weiterhin als eines der letzten Raucherparadiese gilt, so zeigen die Zeichen der Zeit doch in eine Richtung, in der für das einst so selbstverständliche Laster des Rauchens immer weniger Verständnis herrscht. Werden die Raucher gar aus dem Kollektiv ausgeschlossen und zu Sündenböcken erklärt?

„Sauferei des Nebels“ #

Der Wandel, der in den letzten Jahren stattgefunden hat, ist aus historischer Sicht rasant: „Es ist wieder spannend geworden, in der zivilisierten Welt zu rauchen“, konstatiert der Historiker Martin Haidinger. „Das buchstäbliche Rüchlein des Risikos umweht erneut das ‚Tabaktrinken‘, wie das Rauchen vor fünfhundert Jahren noch genannt wurde.“

Damals, nach der Entdeckung Amerikas, dauerte es nicht lange, bis die Blätter der Tabak-Pflanze ihren Weg über den Ozean fanden. In Amerika war Tabak in den indianischen Kulturen im vorwiegend rituellen Kontext als Heil-, Rauschund Genussmittel verwendet worden. Für die spanischen Chronisten, die zum ersten Mal Indianer beim Rauchen beobachteten, war dies noch eine völlig unerklärliche Verhaltensweise: Auf „Schornsteinmenschen“ seien sie getroffen, liest man in ihren Berichten. Als sich das Rauchen in Europa zu verbreiten begann, wurde es zunächst ebenso mit Befremden, Angst und Ablehnung kommentiert. Denn unter den Genussmitteln, die in der frühen Neuzeit Eingang in die europäische Kultur fanden, war der Tabak zweifellos das bizarrste, wie der Historiker Wolfgang Schivelbusch bemerkt. Als „Sauferei des Nebels“ wurde die neue Konsumform despektierlich bezeichnet; der Begriff des Rauchens setzte sich erst im 17. Jahrhundert durch.

Seinen alsbald einsetzenden Siegeszug verdankte der Tabak den ihm zugeschriebenen Wirkungen, die prächtig mit dem Aufstieg des Bürgertums und dem Primat der geistigen Arbeit zusammenpassten: Als beruhigendes und konzentrationsförderndes Mittel vermochte der Tabak auf ideale Weise den stimulierenden Effekt des Kaffees zu ergänzen, der ebenfalls „chemisch vollendete, was geistig, kulturell und politisch schon vorher angelegt war“, wie Schivelbusch betont. Auch die vielen Kriege der europäischen Geschichte, stets ein Umschlagplatz für diverse Rausch-, Arznei- und Genussmittel, trugen maßgeblich zur Verbreitung des Rauchens bei.

Symbolkraft des Rauchens #

Im Zuge seiner Erfolgsgeschichte hat sich der Tabakkonsum mit vielschichtigen Bedeutungen aufgeladen, in denen die politischen und kulturellen Tiefenstrukturen der Zeit sichtbar werden. Auch Status, Lebensstil, künstlerischer oder erotischer Habitus spiegeln sich als kulturelle Zeichen in der Geschichte der Rauchwaren. Vor 1848 etwa spielte das öffentliche Rauchen eine wichtige Rolle im Katalog der politischen Forderungen; die spätere Aufhebung der Rauchverbote wurde als bürgerliche Errungenschaft gefeiert. In der Emanzipationsbewegung der Frauen erhielt das Rauchen einen ähnlichen Symbolcharakter.

Raucher
© K.K.

„Zigaretten können durch ihre Symbolik, ihren Geruch und Gebrauch versteckt politische Inhalte vermitteln, ja sogar politische Botschaften beglaubigen“, sagt Rainer Gries von der Universität Jena. Der Historiker und Kommunikationswissenschafter leitet den Forschungsverbund „PolitCIGs“, der kürzlich seine Arbeit aufgenommen hat. Wissenschafter aus Jena, Hamburg und Wien fragen danach, ob und wie politische Kulturen gestützt werden, wenn soziale Gruppen, Milieus oder ganze Gesellschaften über Zigaretten kommunizieren –, und erarbeiten damit eine neue Kulturgeschichte der Zigarette. In einer ersten Phase sollen die beiden Weltkriege aus Sicht der Tabak-Geschichte dokumentiert werden; danach steht das Rauchen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Fokus.

Mit dem Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland war auch eine Zäsur der Rauchgewohnheiten zu beobachten. Die stärkeren Orient- Tabake wurden von leichteren American-Blend-Tabaken abgelöst: „Johnny“, „Camel“ oder „Lucky Strike“ statt „Baffra“, „Stambul“ und „Nil“.

Geschmack von Freiheit und Tod #

Der Wechsel der Tabaksorten nach 1945 sei exemplarisch für eine subtile politische Botschaft, denn mit dem neuen Tabak wandelten sich laut Gries auch die Symbolwelten des Rauchens: Die Zigarette wurde nicht mehr mit der Exotik des Orients assoziiert, sondern mit den politischen und kulturellen Maßstäben der USA. Im Bild des Marlboro-Cowboys wurde die Zigarettenmarke gemeinsam mit dem Geschmack von Freiheit und Demokratie beworben. Über das Rauchen entstand somit eine transatlantische Brücke, so die These der Wissenschafter.

Sollte sich dies bekräftigen lassen, würde sich weiters die Frage nach jenen Motiven eröffnen, die zum bislang letzten Kapitel in der Tabak-Geschichte führen: Ist die aktuelle Stigmatisierung des Rauchens Ausdruck kollektiver Vorsorge oder eine überzogene Gesundheitsidee, die zum Machtinstrument geworden ist? Die Ikonographie des Rauchens führt heute jedenfalls vom coolen Marlboro-Macho zurück zum verblichenen Knochenmann.

DIE FURCHE, Donnerstag, 31. Oktober 2013


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