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Solidarität beim Nehmen oder Geben?#

Den Trittbrettfahrern des EU-Wohlstands erteilt sogar Uganda Nachhilfe in Asylpolitik.#


Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 6. Juli 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Clemens M. Mutter


Vor kurzem erinnerte die zehnte „Friedliche Alpenüberquerung" an eine beispielhafte Fluchthilfe. Im Sommer 1947 schmuggelten ortskundige Salzburger gut 5000 Holocaust-Überlebende aus dem 1945 befreiten Österreich über den Krimmler Tauern (2634 Meter) nach Italien als Zwischenstation auf der Flucht nach Palästina. Nur dieses hochalpine Schlupfloch stand offen, weil die französischen und britischen Besatzer in Tirol und Kärnten die Staatsgrenze dicht gemacht hatten. Den jüdischen Exodus nach Palästina hatten sie bereits 1939 unterbunden, um keine Revolte der Araber zu provozieren.

Nach den Substandards heutiger Flüchtlingspolitik waren diese Juden nicht politisch Verfolgte, sondern Wirtschaftsflüchtlinge. Sie erhofften in Palästina einen eigenen Staat und ein besseres Leben, weshalb Salzburg sie nach heutigen Kriterien hätte zurücknehmen müssen. Die einheimischen Fluchthelfer machten damals keine Geschäfte mit ihnen, sondern schmuggelten sie gratis und verpflegten sie zudem noch.

Geschichte lässt sich weder wiederholen noch korrigieren. Aber dieser Fall qualifiziert Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen als Trittbrettfahrer des Wohlstands in der EU. Sie weigern sich, von Griechenland und Italien die 2015 vereinbarten Quoten von 160.000 Flüchtlingen zu übernehmen. Die Slowakei nahm nur 8 von vereinbarten 802 Flüchtlingen auf, bekommt aber netto aus dem EU-Budget 3 Milliarden Euro - das sind 4 Prozent des BIP.

Tschechien lukriert aus der EU-Kasse netto 5,7 Milliarden Euro (3,7 Prozent des BIP), nahm aber nur 12 von 2976 Flüchtlingen auf. Die Regierung warnt vor „Trojanischen Pferden" (Dschihadisten) unter Verweis auf islamistischen Terror in Deutschland und Frankreich. Ungarn erhält netto 4,4 Milliarden Euro (4,3 Prozent des BIP), ließ aber von 2976 Flüchtlingen keinen ins Land. Premier Viktor Orban veranstaltete im Vorjahr ein (wegen nur 40 Prozent Beteiligung ungültiges) Referendum zur Frage, ob man „Horden von Invasoren" aufnehmen solle, die Europas Völker ihres „christlichen und nationalen Charakters berauben" möchten.

Polen - mit knapp 10 Milliarden Euro der bestdotierte EU-Nettoempfänger - nahm ebenfalls keinen einzigen Flüchtling auf. Ministerpräsidentin Beata Szydlo will sich „am Wahnsinn der Brüsseler Eliten nicht beteiligen", und Jaroslaw Kaczynski, der mächtige Strippenzieher im Hintergrund, spitzt den Nationalismus auf die Behauptung zu, Polen müsse „unsere Frauen schützen". Die Nettozahler der EU wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande subventionieren aus Solidarität diese vier Staaten. Nun aber erwägt die EU, die Subventionen gemäß der Hilfeleistung für Flüchtlinge zu dosieren. Hängt also Solidarität davon ab, ob man etwas bekommt oder leisten muss?

Die Sorge der wortgewaltigen Verteidiger des Christentums und der Ehre ihrer Frauen am Ostrand der EU ist an Uganda zu bemessen. Das zentralafrikanische Land mit 40 Millionen Einwohnern und der dreifachen Größe Österreichs hat 1,2 Millionen vor dem Bürgerkrieg im benachbarten Südsudan Geflüchtete aufgenommen.

Selten genug, aber eindrucksvoll: Europa könnte von Afrika lerne

Clemens M. Hutter war Auslandsressortchef bei den "Salzburger Nachrichten".

Wiener Zeitung, Donnerstag, 6. Juli 2017