Der unbekannte Demel #
Der einstige k. u. k. Hofzuckerbäcker war ein früher Hobbyfotograf.#
Von der Wiener Zeitung (9. Mai 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Paul Vécsei
Karl (Carl) Demel jr. (1869 bis 1917) leitetet von 1911 bis zu seinem Tod die gleichnamige Konditorei. Sein Vater hatte sie 1867 gemeinsam mit Bruder Joseph übernommen. 1874 erhielt der feine Laden mit internationalem Renommee am Kohlmarkt den Hoflieferantentitel.
Von Karl jr. ist wenig bekannt. Aber er war einer der ersten Hobbyfotografen in der Stadt. Der Alltag in Wien hatte es ihm als Motiv angetan. Er lichtete mit Begeisterung den Fortschritt der Zeit ab, den Stadtbahnbau, die Überbauung des Wienflusses und die Beschleunigung des Verkehrs.
Zahlreiche Fotoplatten aus der Zeit um 1900 landeten irgendwo in Hinterzimmern und Lagern der Hofkonditorei am Kohlmarkt. Als 1965 nach dem Tod Klára Demels ihr Witwer, der Künstler und Schüler der Wiener Werkstätte, Baron Federico von Berzeviczy-Pallavicini, den Laden übernimmt, tauchen die Fotos wieder auf. Die beiden hatten eine Scheinehe geführt und Berzevicky war 1938 nach New York emigriert. Davor prägte er mit seinen faszinierenden Auslagengestaltungen und verspielten Designs das Erscheinungsbild des Demel. Nach der Übernahme durch den Witwer 1965 fand einer der bedeutendsten Fotografen der Wiener Szene, Franz Hubmann (1914 bis 2007), Karl Demels altes Fotomaterial am Dachboden, bewahrte es vor der Vernichtung und übernahm alles in seine Sammlung. 1967 publizierte er einen Teil im Standardwerk "Die gute alte Zeit". Das Vorwort dafür verfasste Helmut Qualtinger (1928-1986).
1972 geht Berzeviczky wieder nach New York zurück. Der Demel landet im Besitz von Udo Proksch. Die Sammlung Hubmann wird heute von Imagno, dem Bildarchiv des Verlegers Christian Brandstätter betreut. Dort kümmert sich Gerald Piffl um Erforschung, Erschließung und Vermarktung des wertvollen, alten Fotomaterials.