Fest entschlossen, tief berührt - Hermann Maier#
Emotionaler Abschied einer Ikone - Überraschend, aber nicht unerwartet#
Von der Zeitschrift Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (14. Oktober 2009)
von
Patrick Untersteggaber und Tamara Slavik
Die Nachricht war noch gar keine Nachricht, als sie am Dienstagvormittag in die Mail-Accounts der Redaktionsräume flatterte. Hermann Maier und Raiffeisen laden zu einer Pressekonferenz, das tun Sportler manchmal, Sponsoren gerne. Dass sie ausgerechnet um 14 Uhr am selben Tag anberaumt wurde, musste aber etwas heißen, also wurden eilig Kugelschreiber niedergelegt, Taxis bestellt und Theorien über den Rücktritt des Skistars gesponnen.
Sie sollten sich bewahrheiten. Der Salzburger, über dessen Pläne seit Wochen, ja Monaten gerätselt wordenwar, beendet seine Karriere als aktiver Skifahrer. "Mit dem heutigen Tag", wie Maier später in der Hofburg sagen sollte.
Es dauerte ein wenig, bis er jenen Satz, mit dem eine der bedeutsamsten österreichischen Sportkarrieren offiziell zu Ende ging, herausbrachte. Denn plötzlich, nachdem zunächst Raiffeisen-Marketingchef Leodegar Pruschak einleitende Worte über die "erfolgreichste Werbepartnerschaft" verloren und Skiverbands-Präsident Peter Schröcksnadel über letzte Gespräche mit seinem Schützling berichtet hatte, verschlug es dem sonst gar nicht auf den Mund gefallenen Maier die Sprache. Nach einem kurzen Schulterklopfen und ermutigenden Worten Schröcksnadel ging’s dann wieder, "es ist komisch, ein bisserl emotional", sollte der 36-Jährige später sagen.
Körperlich in Topform#
Die Entscheidung zum Rücktritt sei nach "reiflicher Überlegung, aber letztlich doch spontan gefallen", erklärte er und gab als Grund an, dass er sich nach seiner Arthroskopie im Frühjahr gut erholt habe und körperlich wieder topfit genug für Rennen fühle.
Was paradox klingt, ist für Maier nur logisch: "Mein Ziel war es, körperlich wieder gut in Schuss zu sein. Das habe ich erreicht. In Hinblick auf mein künftiges Leben ist es mir wichtig, gesund zu sein und Skifahren zu können, wann ich will", sagte er und verwies darauf, dass wohl nicht jeder Sportler das Glück habe, sich nach der Karriere noch schmerzfrei körperlich betätigen zu können. Dass er dies zahlreichen Rückschlägen zum Trotz geschafft habe, sei sein wohl größter Erfolg, meinte er, und plötzlich schienen Wehmut und letzte Zweifel verflogen.
Als er vom Podium heruntertrat, wirkte Maier gefasst und entschlossen wie einst in den Starthäusern. "Für mich", sagte er noch, "war es der richtige Zeitpunkt."
Der amerikanische Traum aus Flachau#
Vom Maurer zum polarisierenden Ski-Weltstar#
(sla/pau)
Es war Jänner 1997, die Stammtische von Kitzbühel bis Neusiedl kannten nur ein Gesprächsthema: Ein „richtiger Bursch“ sei der, der da soeben sein erstes Weltcup-Rennen gewonnen hat. Der, dessen Name so leicht zu merken ist, Hermann Maier, einer der sich nicht hat unterkriegen lassen, als er als schmächtiger Bub verspottet worden ist, der gelernt hat anzupacken und dabei immer sein Ziel, ein erfolgreicher Skifahrer zu werden, mit der richtigen Mischung aus eiserner Disziplin und Lebenslust verfolgt hat.
Es war vor allem die Geschichte vom Maurer zum Sportstar, die die Menschen fasziniert und den Fans eine Projektionsfläche eigener Sehnsüchte geboten hat. Doch es dauerte nicht lange, da mehrten sich nicht nur die Erfolge des Ausnahmesportlers, der in seiner Karriere dreimal Weltmeister, zweimal Olympiasieger und viermal Gesamtweltcupsieger wurde, sondern auch die Kritiker und Neider. Während sein Können und der Biss, den er vor allem in seinen Sturm-und-Drang-Jahren bei jedem Rennen zeigte, unumstritten waren, polarisierte er vor allem durch sein Auftreten. Die einen empfanden das bisschen Spitzbübigkeit und Goschertheit als sympathisch, die anderen sahen die Grenze zur Präpotenz bald überschritten. Seine Rivalität zum besonneneren Stephan Eberharter und Aussagen wie "Ich dachte: wenn ich jetzt Gold hole, bin ich unsterblich", die er nach seinem schweren Sturz in Nagano und den darauffolgenden Siegen in Super G und Riesentorlauf tätigte, ließen ihn auf der Popularitätsskala an den Stammtischen hinunterrasseln. In den USA war er freilich durch den Sturz gefeierter Popstar, er wurde in Talkshows eingeladen, bekanntester Skifahrer und zum "Herminator".
Unfall als Zäsur#
Über Unsterblichkeit denkt Maier heute anders, der Motorrad-Unfall im August 2001 war da eine schmerzhafte Zäsur. Gerade noch in der Form seines Lebens, musste der Salzburger plötzlich um dieses kämpfen. Eine Amputation des rechten Beins stand im Raum, eine Fortsetzung der Karriere zunächst gar nicht zur Diskussion. Maier schaffte es trotzdem, trainierte sich sein Kampfgewicht wieder an und kehrte in der Saison 2002/03 in den Skizirkus zurück. Als er den Super G in Kitzbühel gewann, flossen Tränen, erstmals zeigte sich der "Herminator" auch der Öffentlichkeit von seiner sensiblen Seite. Dass er die Saison 2003/04 trotz der ständigen Schmerzen ("Ich tue mir heute noch schwer, auf dem rechten Bein zu stehen") dank seiner Beharrlichkeit als Gesamtweltcupsieger abschloss, sieht er heute noch als größten Erfolg. "Es ist wichtig, dass man einen Traum hat und es einem nicht zu leicht gemacht wird", sagt er, "nur dann kann man etwas erreichen." Er selbst dient als bestes Beispiel.