Der wahre Kara Ben Nemsi#
Das unglaubliche Leben des österreichischen Abenteurers Max Reisch#
Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 29. Jänner 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Werner Grotte
Hätte Karl May Max Reisch gekannt, er hätte seinen Helden Kara Ben Nemsi nicht zu erfinden brauchen. Das Original schillert eher noch bunter und zählt neben Heinrich Harrer, Herbert Tichy, Hans Hass oder Thor Heyderdahl zu den ganz großen Abenteurern und Entdeckern des 20. Jahrhunderts. Als erster Mensch fuhr er 1933 mit einem Motorrad von Wien nach Indien; wenig später mit einem Kleinwagen gar um die Welt. Im Krieg querte er auf einem Fischerboot das Mittelmeer, später konstruierte er das erste Wohnmobil und gilt als Pionier der Gruppen-Fernreisen.
Schon Vater Reisch bereist 1905 mit einer "Puch Typ B" Italien und berichtet darüber in Fachzeitschriften. Sohn Max, 1912 im Tiroler Kufstein geboren, interessiert sich von Kind auf für Skifahren, Motorräder, Reisen und Geographie; Letzteres studiert er später auch. Nach einer "Probetour" durch Afrika will der 21-jährige Student 1933 von Wien nach Indien reisen - allerdings nicht wie sein Vorbild, der schwedische Forscher Sven Hedin, auf dem Rücken von Tragetieren, sondern erstmals auf einem Kraftfahrzeug; nämlich mit einer Puch 250, die damals ganze sechs PS leistete.
Nach gründlicher Adaptierung der Maschine startet er im Juli tatsächlich Richtung Asien - mit dem ebenfalls blutjungen Herbert Tichy als Beifahrer, eingepfercht zwischen einem immens vergrößerten Tank und rundherum zugebauten Packtaschen.
Wie erwartet, gibt es eine ganze Reihe bürokratischer, gesundheitlicher oder mechanischer Probleme. Zeitweise versinkt die Puch in Sümpfen, kurz vor dem Ziel reißen so viele Speichen an den gemarterten Felgen, dass das Unternehmen zu scheitern droht. Der arme Tichy muss - wie schon zuvor streckenweise - über viele Kilometer laufen oder gar schieben. Doch die beiden schaffen es letztlich und kehren nach sagenhaften 13.000 Kilometern durch Dschungel, Wüsten und Hochgebirge wohlbehalten nach Wien zurück. Eine noch gewagtere Ochsentour absolviert Reisch nur zwei Jahre später, indem er mit einem umgebauten Kleinwagen der Marke "Steyr 100" in 19 Monaten die Welt umrundet.
Flucht im Fischerboot über das Mittelmeer#
Dann kommt der Krieg, und Afrika-Kenner Reisch ist als Kfz-Verwalter in Erwin Rommels Afrika Korps eingesetzt. Ganz Freigeist, will er im Mai 1943, als sich die Niederlage in Tunis abzeichnet, um keinen Preis in alliierte Gefangenschaft. Gemeinsam mit einer Handvoll Kameraden flüchtet er in einem offenen Fischerboot quer durch die englische Belagerungsflotte über das Mittelmeer nach Sizilien.
Es wäre nicht Reisch, hätte er nicht selbst dabei einen "Abenteuerfaktor" eingebaut und vor der Flucht seine gesamte Habe in einer "Schatzkiste" in einem Wadi vergraben. 1955 kehrt er mit seiner Frau in einem selbstkonstruierten Wohnmobil-Vorläufer zurück und findet anhand primitiver Handskizzen tatsächlich seinen Schatz wieder. Alle Beute- und Erinnerungsstücke sind noch da, nur das Geld ist inzwischen nichts mehr wert.
Reisch, der beim Aufbau organisierter Gruppen-Fernreisen in den 1960er Jahren eine Pionier-Rolle spielt und sogar "fahrende Hotels" einsetzt ("Rotel Tours"), ist auch als Buchautor äußerst erfolgreich. Seine diversen Fahrzeuge, die er mit Leidenschaft sammelt oder zurückkauft, sind heute im Reisch-Museum in der Südtiroler Stadt Bozen zu sehen. Er selbst stirbt 1985 friedlich in seiner Heimat.
Sachbuch#
Max Reisch - über alle Straßen hinaus. Horst Christoph. Tyrolia Verlag, 216 Seiten, 120 Fotos, 24,95 Euro.