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Lustwandeln wie zu Kaisers Zeiten#

Keine andere Grünfläche Wiens lockt so viele Touristen und Einheimische an wie der Park von Schönbrunn. Was aber macht Österreichs größte öffentliche Schönheit so anziehend?#


Die folgenden Essays stammen mit freundlicher Genehmigung aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 27. Oktober 2011).

Von

Sabine Wodni


Blumenparterre
Highlight. Das große Blumenparterre liegt direkt hinter Schloss Schönbrunn und bietet einen Ausblick auf die 1778 fertiggestellte Gloriette. In den weitläufigen Alleen ist noch wesentlich mehr Sehenswertes versteckt.
Foto: © Fürnkranz

Am liebsten läuft Alexander Pacha in den frühen Abendstunden durch den Park. Die Touristenströme sind dann abgefl aut, kurz vor der Schließung gehören 158 Hektar nur Spaziergängern und Joggern. „Die Luft ist hier ganz anders“, meint der 23-jährige Student, „obwohl man mitten in der Stadt ist.“ Einen erhöhten Lärmpegel ist er von der Stadt gewöhnt. Beim Laufen schätzt Pacha Ruhe und „im Gegensatz zum Rest der Stadt ist das hier ein schöner Fleck Grün.“

Er ist einer von Hunderten Joggern, die im einst kaiserlichen Garten Zuflucht vor Lärm, Staub und Verkehr suchen. Ihr Weg wird von 4681 Alleebäumen gesäumt, die sich wie Zinnsoldaten kerzengerade aneinanderreihen. In der Finsteren Allee bilden die Bäume eine Tunnelform, die Lichte Allee hat ihren Namen von zwölf Meter hohen, gerade geschnittenen Bäumen, die eine Sonnendurchflutung des Weges zulassen.

Irrgarten
Vielfalt. Der Schönbrunner Schlosspark beherbergt unterschiedlichste Attraktionen. Beliebt ist der Irrgarten...
Foto: © Wodni

Maximal zehn Gärtner schneiden zweimal jährlich 50 Kilometer Hecke, um den Besuchern den Eindruck zu vermitteln, sie lustwandeln durch dieselbe Umgebung, wie sie vor über 200 Jahren Maria Theresia vertraut war. Sie machte den Park bereits 1779 für die Öffentlichkeit frei zugänglich.

Ungestört im Tourismusmagnet Nummer 1#

Es ist nicht zwangsläufig notwendig, bis zum Abend zu warten, um den Touristenmassen zu entkommen. Abseits des berühmten Blumenparterres, auf dem von früh bis spät posiert, fotografiert und trotz Verbotsschildern im Gras Platz genommen wird, bieten sich Besuchern weit weniger berühmte, dafür umso beschaulichere Anblicke. Touristen betreten solche Teile des Gartens zumeist gar nicht. Auf einer Parkbank im Schatten, irgendwo zwischen Schloss und Tiergarten, lesen Einheimische oft Bücher, völlig ungestört im Tourismusmagnet Nummer 1. Vor ihnen laufen unzählige Eichhörnchen hin und her, manche sind zahm, fressen aus der Hand.

Palmenhaus
... das Palmenhaus ist das größte Glashaus seiner Art in Europa.
Foto: © APA

Günter Wimmer schätzt die jährlichen Besucherzahlen auf zehn Millionen, wobei Einheimische mehr als die Hälfte davon ausmachen. Wimmer kennt den Schlosspark in- und auswendig. Vor 34 Jahren, in seinem 15. Lebensjahr, begann er dort eine Lehre als Gärtner. Seit 16 Jahren gräbt Wimmer nicht mehr um, sondern ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesgärten zuständig, die neben Schönbrunn auch noch den Augarten, Burggarten, Belvederegarten und Volksgarten in Wien, sowie Hofgarten und Schlosspark Ambras in Innsbruck verwalten. Wimmer weiß, was den Schönbrunner Garten von den anderen abhebt: „Hier gibt es Kunstwerke, die 300 Jahre und älter sind.“ Diese „Kunstwerke“ sind für Wimmer zum Beispiel der älteste Ginkobaum Österreichs, direkt gegenüber der Direktion der Bundesgärten, oder die Alleen. 1996 wurde Schönbrunn Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Seit Anfang der 1990er erfolgt die Revitalisierung des Schlossparks. Die Bundesgärten wollen den Park optisch zu dem Zeitpunkt zurückführen, als Maria Theresia geherrscht hat. Sie und ihr Ururenkel, Kaiser Franz Joseph, hatten einen besonderen Bezug zu Schönbrunn. Maria Theresia ließ durch Nicolaus Pacassi das Schloss ausbauen und brachte einige ihrer 16 Kinder dort zur Welt. Franz Joseph zog den Sommersitz der Hofburg als Hauptresidenz im hohen Alter vor. Seine letzten drei Lebensjahre verbrachte Franz Joseph ausschließlich in Schönbrunn, bis er am 21. November 1916 in seinem Schlafzimmer im Westfl ügel des Schlosses verstarb. Sein Geburtszimmer befi ndet sich im Osttrakt.

Es fehlt an Nachwuchs#

Palmenhaus
Foto: © k. K.

Der Schönbrunner Schlosspark sieht heute großteils so aus wie zur Zeit Maria Theresias. An der Arbeitsweise hat sich einiges geändert: „Statt 1000 Gärtnern sind es heute nur noch etwa 120“, so Wimmer. Die Bundesgärten haben aufgrund von Sparmaßnahmen mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Kein Posten, der durch Pensionierung frei wird, werde derzeit nachbesetzt.

Zu den beliebtesten Attraktionen neben Schloss und Tiergarten, der 1754 von Maria Theresias Mann, Franz Stephan von Lothringen, angelegt wurde und damit der älteste Zoo der Welt ist, zählt der Irrgarten, der vor zwölf Jahren wiedereröffnet wurde und während der Saison (1. April bis 2. November) zugänglich ist. Unter Maria Theresia wurde der Irrgarten eingebaut und sukzessive erweitert, ehe Franz Joseph ihn entfernen ließ. „Er schrieb, dass hier Dinge geschehen, die nicht geschehen dürfen“, schmunzelt Wimmer. Mittlerweile sind zusätzlich zum Irrgarten noch zwei Labyrinthe geschaffen worden. 300.000 Besucher betreten den Irrgarten jährlich mit dem Ziel, zur Aussichtsplattform in der Mitte zu gelangen.

Was Schönbrunn auszeichnet, ist laut Wimmer der Erholungswert. Im Gegensatz zu vielen anderen Plätzen in Wien handle es sich hier um keinen Durchzugspark. So vereint der Ort Menschenmassen und Ruhe – Letzteres allerdings nur für den, der sich von der offensichtlichen Schönheit weg, hin zu abgelegeneren Orten

Abseits der Millionen verweilen #

Wer keine Lust hat, sich mit Touristen am Neptunbrunnen oder im Gras vor der Gloriette um einen Platz zu rangeln, findet beim Schlendern durch die schattigen Alleen besinnliche und ruhige Orte. Der „Schöne Brunnen“ (Bild rechts), der einer Legende nach Namensgeber für Schloss und Areal ist, wird kaum gefunden und ist doch ein beeindruckendes Kunstwerk aus der Zeit Maria Theresias. Ebenfalls im 18. Jahrhundert wurden der Obeliskbrunnen, die Römische. Ruine und die Kleine Gloriette errichtet – Plätze, an denen kaum mit Gesellschaft zu rechnen ist. Das 183 Hektar große Gelände, von denen 158 Hektar offen begehbar sind, verfügt auch über ein Schwimmbad, in dem schon Franz Joseph gern verweilte. Auch das Wüstenhaus und Palmenhaus sind vergleichsweise oft leer. 362.000 Quadratmeter Kieswege bieten Platz für ausgiebige Spaziergänge. Werden die Beine müde, stehen zirka 700 Parkbänke zur Rast bereit. (sabwo)

DIE FURCHE, 27. Oktober 2011


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