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"Marketing ist alles!"#


Von der Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Samstag, 19. Jänner 2008)

von

Marco Lauer


Dietrich Mateschitz
Dietrich Mateschitz, der österreichische Erfolgsmensch
Foto: EPA

Der Salzburger Unternehmer Dietrich Mateschitz hat das geschafft, was sich viele, die eine Idee haben, erträumen: Er hat eine Vorstellung in ein erfolgreiches Verkaufskonzept verwandelt.

In einer Wohnung in der Salzburger Alpenstraße begann 1984 das zweite Leben des Dietrich Mateschitz. Damals fuhr er in seinem Auto, heute fliegt er in einem seiner Flugzeuge. Damals war er Marketingdirektor des Zahnpastaherstellers Blendax, ein gut situierter Mann von 38 Jahren, heute ist er 63 und der reichste Mann in Österreich – drei Milliarden Euro Privatvermögen.

Dietrich Mateschitz hat es geschafft. Seine Idee war: Red Bull . Die zog er durch, eisern, zäh und ausdauernd. Gegen alle Zweifler, die ihm und seinem neuen Unternehmen maximal ein halbes Jahr gaben, bis der Eintrag im Firmenregister wieder gestrichen würde. Es kam anders. Red Bull ist seit zwanzig Jahren Marktführer in Bereich der Energydrinks, eine Weltmarke, die nur noch eine Liga unter Coca-Cola spielt.

"Cigars Lounge" steht an der Tür, die Mateschitzs persönliche Referentin öffnet. Die Tür hat außen keine Klinke, die man drücken kann. Hierher werden alle geführt, die zu ihm wollen: Ideengeber, Geschäftspartner, Bittsteller, Journalisten. Wenn er hier ist, zwei oder drei Tage die Woche, ist seine Zeit dicht verplant, ein Gespräch nach dem anderen, von morgens bis abends. Ähnlich wie Filmstars, nur, dass Mateschitz, wie es heißt, wesentlich aufmerksamer sei als ein Filmstar.

Mateschitz steht am Fenster, fast eins neunzig groß, die Hände in den Taschen seiner Jeans. Zwei ausladende Schritte, eine Hand schnellt vor, greift zu, gusseisern, "Mateschitz, Grüß Gott!" Ein breites Lachen, weiße Blendax-Zähne. "Nehmen Sie Platz, bitte." Mateschitz, braungebrannt, offenes Hemd, schwarzes Lederband um den Hals, legt sein altes Nokiahandy neben die Kaffeetasse auf den Tisch. Er trinkt kein Red Bull während des Gesprächs – Ausnahmen bestätigen die Regel: Mateschitz trinkt normalerweise zehn bis zwölf Dosen jeden Tag. Das Unternehmen verkaufte davon vier Milliarden im letzten Jahr, machte damit 2,5 Milliarden Euro Umsatz. 2010 sollen es doppelt so viele Dosen sein.

Vitamine, Zucker, Koffein und Taurin: eine Substanz, die über das Blut direkt und fast ausschließlich in Muskeln, Herz und Hirn fließt. Diese Mischung, die laut Ernährungswissenschaftern wie ein kleiner Mokka mit viel Zucker wirkt, steckt in jeder der Viertelliter-Dosen mit dem Firmenlogo: zwei gegeneinander prallenden, roten Stieren.

Aber das allein brachte nicht den Erfolg. Red Bull soll immer auch ein Stück Freiheit sein, ein Spritzer Unabhängigkeit, ein Schluck Siegermentalität. Es ist somit neben dem rein funktionalen Getränk auch ein ideelles. Dem Sein wird Schein beigemischt, das nennt man Marketing.

Wenige kennen sich darin so gut aus wie Dietrich Mateschitz, von alten Weggefährten und neuen Freunden "Didi" genannt. Von anderen ehrfürchtiger "DM". Sein Leitspruch: "Marketing ist alles!"

Flugzeuge im Dutzend#

Mateschitz wischt mit der Hand durch die Luft. "Schauen Sie, das hier, wo wir jetzt sitzen. Das ist auch Marketing." Hangar 7 – so heißt das, wo wir jetzt sitzen. Ein gigantisches Bauwerk, das Red Bull vor drei Jahren auf die grüne Wiese gleich neben der Startbahn des Salzburger Flughafens geknallt hat, groß wie ein Fußballfeld, optisch einem Flugzeugflügel nachempfunden. Mittlerweile pilgern jede Woche Tausende hierher und bestaunen die Schätze der Red Bull-Marketingmaschine: Flugzeuge im Dutzend, alle startbereit, ausgemusterte Kampfjets zum Beispiel oder auch Titos alte Regierungsmaschine: ein riesiges, silbern glänzendes Ungetüm aus den fünfziger Jahren. Dazu Hubschrauber, Formel-1-Rennwagen. Sie wirken mit dem Red Bull-Logo darauf ein wenig wie Spielzeuge, aber im Maßstab 1:1.

Vor allem mit den Rennwagen zündete Mateschitz die nächste Stufe der firmeninternen Globalisierung. Vor knapp drei Jahren übernahm er das sieche Jaguar-Team, holte sich mit David Coulthard einen prominenten Fahrer und platzierte fortan das Logo auch in der Welt der Formel 1. Seit heuer ist Mateschitz sogar der Einzige, der jemals in der Geschichte der Rennsportserie zwei Teams besessen hat. All das kostet viel Geld. "Aber Geld ist dazu da, dass man etwas damit macht," sagt Mateschitz, und das nicht erst, seit er Milliardär ist.

Eine Marke aufbauen, das wollte er, der in Wien einst Welthandel studiert hat. ( "Zwei, drei Jahre länger, als ich vielleicht hätte müssen." ) Außer im Sport ist er schon in der Schule nicht durch überragende Noten aufgefallen, seinen Eltern zum Trotz, die beide Lehrer im kleinen steirischen Örtchen St. Marein waren.

In den siebziger Jahren heuert er in der Marketingabteilung bei Jacobs Kaffee an, und erkennt sein wahres Talent: einer Sache Leben einhauchen und um sie herum eine Aura aufbauen. Er wechselt zu Blendax und steigt dort zum Marketingdirektor auf. Aber er ist nicht zufrieden, ihm ist alles zu konventionell: "Ich hab’ mir gesagt: als richtiger Steirer passt du da nicht hinein." Und vielleicht ließ sich um Zahnpasta ja auch keine Aura bilden.

Mateschitz beginnt nach seinem eigenen Weg zu suchen, und findet ihn. Im Auftrag von Blendax flog er Anfang der Achtziger regelmäßig von Deutschland nach Thailand. Es galt, Jetlags zu überstehen. Aber da gab es ja dieses Getränk, das er und seine Kollegen ausgiebig an der Hotelbar konsumierten, um sich schnell zu regenerieren. So wie sich thailändische LKW-Fahrer damit wach hielten. Es hieß "Krating Daeng" (Roter Stier). Und irgendwann hatte Mateschitz die Idee, das könne doch auch etwas für Europa sein. Zum Aufputschen für gestresste Erwachsene und partywütige Jugendliche.

1984 kündigt er bei Blendax, räumt seine Wohnung in Salzburg für das erste Büro, zieht selbst ins Salzburger Hinterland und widmet sich fortan seiner Idee. Die erste Erkenntnis: "Es gibt keinen Markt für Red Bull, aber wir werden ihn machen."

Mateschitz, kein Freund des Zufalls, arbeitet besessen an der Ausarbeitung seiner Strategie. "Red Bull war ja kein Testballon, sondern von der Stunde Null an durchgeplant." Drei Jahre lang zehrt er während der Planung von der halben Million Euro, die er sich aus seinem früheren Job angespart hat. Er nennt "Krating Daeng" um in "Red Bull" – vielleicht schon mit Hintergedanken über Österreich hinaus. Lässt an der Rezeptur tüfteln, um sie bei den strengen Lebensmittelbehörden durchzubekommen.

Außerdem bringt er seinen ehemaligen Studienkollegen Johannes Kastner, Betreiber einer PR-Agentur, fast zum Wahnsinn. Es geht um den Werbespruch, den Mateschitz zu einem Pfeiler künftigen Erfolgs erklärt. Zwei Jahre lang prallen alle Vorschläge an Mateschitz ab. Dann der Anruf, nachts um zwei. Natürlich schläft Mateschitz noch nicht, er braucht nur vier Stunden Schlaf, "weil das nur Zeit kostet, die man bewusst erleben kann." Kastner sagt: "Ich hab's." Mateschitz: "Lass hören." Kastner: "Red Bull verleiht Flügel." Darauf Mateschitz ohne Zögern: "Na siehst du. Danach haben wir doch immer gesucht."

Kurz darauf läuft die Produktion an, Red Bull erreicht Wachstumsraten zwischen 100 und 200 Prozent pro Jahr. Legendär ist Mateschitzs Idee, Fernsehwerbung in Comic-Optik zu schalten.

Erfolgssponsoring#

Mateschitz wirft einen ersten kurzen Blick auf die Uhr und fragt, fast entschuldigend: "Sie wollen no bissl mehr wissen, gell?" Unhöflichkeit ist eine der wenigen Eigenschaften, die man ihm nicht nachsagt. Wohl aber, dass er rastlos sei, wenn es um Red Bull geht und er nicht gerade auf seinem Bauernhof in Zell am See bei seiner Haflingerzucht den Kontrast zum schnellen Leben sucht.

Erfolgsmenschen sind selten lethargisch. In den zwanzig Stunden, die er am Tag arbeitet, hält er es mit Oscar Wilde: "Langeweile ist die einzige Sünde, für die es keine Vergebung gibt." Er versündigt sich nicht und treibt voran. Zwar weiß er, wo er herkommt, das hindert ihn aber nicht daran, seinen und den Standpunkt seiner Firma ständig verändern zu wollen.

Deswegen sponsert Red Bull auch Menschen, die Sieger sind oder – noch wichtiger – Sieger werden wollen. Derzeit stehen rund 600 Sportler bei Red Bull unter Vertrag. "Handverlesen nach Persönlichkeit und Leistungsbereitschaft," sagt Mateschitz. Am Anfang kamen die Geförderten vor allem aus Extrem- oder Randsportarten: Klippenspringer, Fallschirmspringer, BMX-Fahrer. Wie ja auch Red Bull zu Beginn ein Nischenprodukt war, weil Mateschitzs Diktum hieß: "Wir machen nicht das, was alle machen."

Da mittlerweile rund 600 Millionen Menschen in der ganzen Welt die süße Brause trinken, kann von einem Nischenprodukt keine Rede mehr sein. So landete Red Bull wohl zwangsläufig beim Fußball. Kurz nach seinem Engagement in der Formel-1 kaufte Red Bull deshalb den heimischen Fußballklub Austria Salzburg. Damit zog er zum ersten Mal hörbare Kritik auf sich. Erstens greift der Bonus des Underdogs bei einer Firma dieser Größe und mit diesen finanziellen Mitteln nicht mehr und zweitens zeigte sich, dass Mateschitz nicht zimperlich ist, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Er pumpte zwar 30 Millionen Euro in den maroden Club und holte mit Giovanni Trapattoni einen Trainer von Weltruf, um Salzburg mittelfristig in die europäische Spitze zu führen. Doch um die Tradition kümmerte er sich nicht. Mateschitz verhehlt nicht: "Es war eine reine Marketingentscheidung." Und das Erreichen des Europacups wäre eben eine größere Werbeplattform, als nur im nationalen Wettbewerb zu spielen.

Die traditionellen Vereinsfarben Violett-Weiß wurden gegen Rot-Weiß ausgetauscht, vor den Tribünen des neu renovierten Stadions hüpften Studenten in Stierkostümen. Stehplätze gab es keine mehr. Zahlreiche alte Austria-Fans erkannten den neuen Verein nicht wieder und traten aus. Mateschitz sagt dazu, dass es um ein paar Bierdosen werfende Fans nicht schade sei. Nach außen hin kann er hart sein.

Nach innen aber ist er seinem selbst ernannten "Baby" Red Bull ein guter Vater, wie man im Unternehmen erzählt. Roland Concin, langjähriger Produktionschef, sagt, dass es Mateschitz noch immer persönlich zu schaffen mache, irgendjemanden zu entlassen. Dass er jedem nicht nur eine zweite, sondern auch eine dritte Chance gebe. Und dass der Erfolg eines Unternehmens immer von einer Person abhinge, die es schafft, um sich selbst eine Aura aufzubauen. Mateschitz könne das, weil er begeistern könne und zu dem stünde, was er sagt.

Mateschitz bedankt sich herzlich für das Gespräch, springt auf und klatscht in die Hände. Dann lacht er ein breites Lachen und fragt die Assistentin: "Tina, was steht als Nächstes an?"

Wiener Zeitung, Samstag, 19. Jänner 2008