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Womit Sie niemals gerechnet haben#

Von Armstrong bis Zeisel: Es gibt eine Vielzahl an Namen für Zahlen, die unterschiedlichste Eigenschaften haben. Ein Überblick.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 28. Oktober 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Michael Engel


Zahlen
Zahlen
Foto: pixabay.com, unter PD

Tom Hanks begegnet im Film "Der Da Vinci Code" den sogenannten Fibonacci-Zahlen und macht sie damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Im Jahre 1202 beschrieb nämlich der in Pisa geborene Mathematiker Fibonacci das Wachstum einer Kaninchenpopulation etwa derart: Man beginnt mit einem Kaninchenpaar. Jedes Paar bekommt nach exakt zwei Monaten zwei Kinder, und zwar bekommen sie ab diesem Zeitpunkt jeden Monat zwei Kinder. Wie viele Paare hat man jeden darauffolgenden Monat insgesamt (wobei idealerweise angenommen wird, dass Inzucht erlaubt ist und die Kaninchen unsterblich sind - ja ja, so sind die Mathematiker)?

Also, im ersten Monat existiert ein Pärchen und im zweiten auch nur das eine. Dann kommen zwei Kinder und es leben schon zwei Pärchen, im nächsten Monat bekommt das erste Pärchen wieder zwei Kinder, somit sind es drei Pärchen, im nächsten bekommt das erste Pärchen und jetzt auch schon das zweite Pärchen jeweils zwei Kinder, somit sind es fünf Pärchen usw.

Die Folge beginnt also so: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89 . . . Man sieht, dass jedes Element gleich der Summe der beiden vorherigen Elemente ist. Diese Zahlen kommen in der Natur vor - und da sie mit dem "Goldenen Schnitt" zusammenhängen, werden sie auch in der Kunst verwendet. Tipp: Falls Sie vorhaben, Kaninchen zu züchten, sorgen Sie von vornherein für viel Platz!

Doch sind dies bei weitem nicht die einzigen ganzen Zahlen, die Namen erhalten haben.

Primzahlen#

Am bekanntesten sind wohl die Primzahlen, also jene Zahlen, die genau zwei Teiler besitzen, nämlich 1 und sich selbst. Daher ist die Zahl 1, die ja nur einen Teiler besitzt, keine Primzahl. Dies wurde so definiert, damit die Primzahlzerlegung jeder Zahl eindeutig ist. Die Folge der Primzahlen beginnt also mit 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, . . Beispiel: Die Primzahlzerlegung von 126 lautet. 2 x 3 x 3 x 7 = 126. Wäre der Einser auch noch erlaubt, könnte man schreiben 1 x 2 x 3 x 3 x 7 oder eben auch 1 x 1 x 2 x 3 x 3 x 7 mit einer beliebigen Anzahl von Einsern, womit die Eindeutigkeit nicht mehr gegeben wäre. Die Primzahlen spielen u.a. in der Verschlüsselung von Botschaften, etwa im Geheimdienst, eine wichtige Rolle.

Was fällt Ihnen auf, wenn ein verliebter Mann zu seiner Partnerin sagt: "Nur Du Gudrun!" oder ein Zirkusdirektor erzählt: "Erika feuert nur untreue Fakire"? Es sind sogenannte Palindrome, also Sätze (oder Wörter wie etwa "Reittier"), die von beiden Seiten genauso zu lesen sind. Daher gibt es auch Palindrome Zahlen, z.B. 727 (übrigens eine Palindrome Zahl und gleichzeitig eine Primzahl). Wenn Sie also die Autonummer 727 sehen, machen Sie den Besitzer auf die Besonderheit dieser Zahl aufmerksam, Sie werden sehen, er wird sich freuen. Man kann ja immer wieder beobachten, dass viele Menschen aus ihrer Schulzeit zwar noch eine gewisse Aversion gegen Mathematik haben, aber für Zahlenspielereien sehr zugänglich sind.

Volksschülern schon kann man die sogenannten Oblong-Zahlen erklären: Diese werden auch Pronic-Zahlen genannt. Dies sind Zahlen, die das Produkt zweier unmittelbar aufeinanderfolgender natürlicher Zahlen sind.

Beispiel: 30 = 5 x (5 + 1) = 5 x 6 oder 42 = 6 x 7

Die Folge beginnt so: 0, 2, 6, 12, 20, 30, 42, 56, 72, 90, 110, 132, 156, 182 . . .

Das können Sie schon einem Sechsjährigen an seinem Geburtstag erklären. Am nächsten Tag freut er sich dann schon auf seinen 12. Geburtstag. Und wenn Sie gesund leben, erleben Sie vielleicht die 11. Oblong-Zahl, nämlich 110. Ein neuer Rekord wäre 132 - dieses Alter erreichte bisher - zumindest bekanntermaßen - kein Mensch.

Multipliziert man nicht nur zwei benachbarte Zahlen, sondern alle Zahlen von 1 weg bis zu einer gewählten Zahl, also z.B. 1 x 2 x 3 x 4 x 5 = 120, so spricht man von Fakultäten. Man kennzeichnet dies durch ein Rufzeichen. So ist 4! = 24, weil 1 x 2 x 3 x 4 = 24 gilt. Das Ergebnis gibt an, wie viele Möglichkeiten es gibt, diese Anzahl von Gegenständen nebeneinander anzuordnen. Also für drei Sachen gibt es 1 x 2 x 3 = 6 Möglichkeiten der Reihung. Diese sind: ABC, ACB, BAC, BCA, CAB, CBA. Bei vier Gegenständen sind es daher schon 24, und bei 10 Stück unglaubliche 3628800.

Mein Lieblingsbeispiel hierzu: Wie viele mögliche Sitzordnungen gibt es in einer Schulklasse mit nur 20 Schülern?

20! = 1 x 2 x 3 x . . . x 20 = 2432902008176640000, also über zwei Trillionen. Aber Vorsicht, Lehrer: Schulklassen wollen das dann immer gerne ausprobieren. Doch selbst wenn man jede Sekunde (!) eine andere Sitzordnung hätte, würde das über 70 Milliarden Jahre dauern - also mehr als fünfmal so lange wie das Universum existiert! Man kann das immerhin noch rechnen, in seiner Vorstellung aber jedenfalls nicht mehr nachvollziehen . . .

Bernoulli-Zahlen#

Natürlich werden Zahlen meistens nach ihrem Entdecker oder besser gesagt, nach dem Entdecker ihrer speziellen Eigenschaften benannt. Nicht so die Carol-Zahlen, die der Wissenschafter Cletus Emanuel nach einem Freund mit Namen Carol G. Kirnol getauft hat. Wenn sich herumspricht, dass Mathematiker in ihrer Selbstlosigkeit neue Zahlen nach ihren Freunden benennen, könnte das ungeahnte Auswirkungen auf ihr Privatleben haben. . .

Die Namen reichen von Armstrong-Zahlen (weder Neil, noch Louis und schon gar nicht Lance, sondern Michael!), Bernoulli-Zahlen, Betti-Zahlen bis Wolstenholme-Zahlen, Woodall-Zahlen und die nach dem österreichischen Mathematiker Helmut Zeisel benannten Zeisel-Zahlen.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Smarandache-Wellin-Zahlen. Dies sind Zahlen, die durch Verkettung, Aneinanderreihung der ersten n Primzahlen in ihrer natürlichen Reihenfolge entstehen. Die Folge der Primzahlen startet (siehe oben) so: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19. . .

Die Folge der Smarandache-Wellin-Zahlen beginnt daher so: 2, 23, 235, 2357, 235711 . . .

Ob dies für den Rest der Menschheit oder zumindest für die Welt der Mathematiker sinnvoll oder brauchbar ist, ist sehr fraglich, aber die beiden Namensgeber haben es geschafft, in den Annalen der Mathematik verewigt zu sein.

Wie sympathisch klingen doch Fröhliche Zahlen, Glückliche Zahlen, Beharrliche Zahlen oder die Kardinalzahlen, die die Anzahl der Elemente in einer Menge, also wieviel "Sachen" zwischen den Mengenklammern stehen, angeben.

Bereits in der Volksschule lernt man die Römischen Zahlen kennen, die hier natürlich auch nicht fehlen dürfen. Es sind - wie wir wissen (sollten) - Buchstaben: I steht für 1 und wenn Sie mit Ihrer Hand fünf zeigen, wobei die Finger geschlossen sind und der Daumen etwas absteht, erkennt man das V. Ein V nach oben, eines nach unten ergibt insgesamt ein X, welches bekanntlich für 10 steht. C wie Centum bedeutet 100, die untere Hälfte eines eckigen C ist das L, daher 50. M wie Milia steht für 1000 und wenn man dieses geschwungen schreibt, ist die rechte Hälfte einem D sehr ähnlich, also D = 500.

Vollkommene Zahlen#

Zu meinen persönlichen Lieblingen gehören die Vollkommenen Zahlen. Diese Zahlen sind exakt die Summe ihrer Teiler (ohne die Zahl selbst).

Beispiele: Durch welche Zahlen kann man 6 teilen, also wenn man sechs Zuckerln besitzt, auf wie viele Kinder kann man diese aufteilen, dass jeder mehr als eines erhält, ohne dass es zu Streitereien kommt? Nur auf ein Kind, zwei Kinder oder drei.

Also sind die Teiler von 6 die Zahlen 1, 2 und 3. Und 1 + 2 + 3 = 6 (wie man sieht, wird hier die Zahl selbst nicht mitgezählt).

Oder: 28 hat die Teiler 1, 2, 4, 7, 14 - und somit: 1 + 2 + 4 + 7 +14 = 28. Die Folge beginnt daher so: 6, 28, 496, 8128, . . .

Es ist nicht bekannt, ob es unendlich viele vollkommene Zahlen gibt, und ebenfalls nicht, ob auch ungerade vollkommene Zahlen existieren. Also noch viel zu erforschen für junge Mathematiker!

Abschließend möchte ich noch die Quasivollkommenen Zahlen vorstellen. Dies sind jene, deren Faktoren (die Zahl selbst wieder ausgeschlossen) zusammengezählt eine Summe ergeben, die um 1 größer ist als die Zahl. Also sehr ähnlich den vollkommenen Zahlen. Es ist bis jetzt keine quasi vollkommene Zahl bekannt. Man weiß aber bereits, falls eine quasivollkommene Zahl existiert, dass sie mindestens 36 Stellen und mindestens 7 Primfaktoren besitzen muss.

Manchmal geben Kinder ihren Fantasie-Freunden reale Namen. Erwachsene Menschen, in diesem Fall Mathematiker, agieren ähnlich, indem sie Dingen, die vielleicht gar nicht existieren, Namen geben. Keine Frage, wer hier verrückter ist …

Michael Engel, geboren 1961, Studium der Technischen Mathematik an der TU Wien, der Psychologie an der Uni Wien, unterrichtet seit 1989 Mathematik, wohnhaft in Amstetten, Autor diverser Sachbücher, vor allem zu den Themen Denksport, Spiele, Mathematik, Zauberkunst.

Wiener Zeitung, Samstag, 28. Oktober 2017


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