Quartier für Könige und Kommunisten: Der Königspalast in Kambodschas Hauptstadt Pnom Penh#
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Die Bilder wurden vom Verfasser in den Jahren 2002 und 2003 aufgenommen und sind Teil des Archives „Bilderflut Jontes“.
Kambodscha Kambodscha ist wohl eines der am meisten gequälten Länder Asiens. Preah Réachéanachuk Kampuchea fußt historisch gesehen auf einem der glanzvollsten Reiche Südostasiens, dem der Khmer, dessen unvergängliche architektonischen Überreste in den Riesenkomplexen Angkors gipfeln. Im späteren französischen Kolonialreich verankert, wurde es 1953 in die Unabhängigkeit entlassen.
Im Zweiten Indochinakrieg hat es der Vietcong angegriffen, was wiederum 1969-1972 schwere Bombardements durch die US-Luftwaffe zur Folge hatte.
Die wohl entsetzlichste Epoche seiner Geschichte erlebte Kambodscha unter der kommunistischen Terrorherrschaft der Roten Khmer des Blutsäufers Pol Pot, der einen autarken Bauernstaat nach dem Muster Mao Zedongs schaffen wollte, die Städte auflösen ließ und ihre Bevölkerung nach Ausrottung der geistigen Eliten und der Buddhisten auf das Land deportierte. Dieses „Experiment“ kostete etwa 3 Milionen Menschen das Leben, die bei Schwerstarbeit starben, in Gefängnissen zu Tode gequält oder auf den Killing Fields erschlagen und erschossen wurden. Diese Schreckensherrschaft dauerte von 1975 bis 1979 als dann vietnamesische Truppen dem Spuk ein Ende bereiteten und eine ihnen genehme Regierung einsetzten.
Die Hauptstadt Pnom Penh Kambodscha, Pnom Penh („Hügel Penh“) zählt heute wieder etwa 1,5 Millionen Einwohner. Nach der Befreiung kehrten die vertriebenen Städter wieder in die Stadt zurück, die zuvor nur noch von der kommunistischen Elite bewohnt worden war. Auch unter französische Herrschaft war Kambodscha ein Königreich geblieben, das 1941 bis 1955 und 1993 bis 2004 von einer der schillerndsten Herrschergestalten Asiens, dem König Norodom Sihanouk (1922-2012) regiert worden war.
1975 rief Pol Pot den Staat „Demokratisches Kampuchea“ aus und setzte eigenartiger Weise Sihanouk als Staatsoberhaupt ein. Wegen Kritik am kommunistischen Regime wurde er aber abgesetzt uns stand im Königspalast in Pnom Penh längere Zeit unter Hausarrest. Dann gelang es ihm, im China Maos Asyl zu bekommen. Unter der Vietnam genehmen Regierung nach der Vertreibung der Roten Khmer wurde er 1993 wieder König, trat dann aber 2004 zu Gunsten seines Sohnes ab.
Das königliche Wappen ist in vielerlei Gestalt auf den Gebäuden des Königspalastes in Pnom Penh zu finden.
Kambodschas Hauptstadt liegt am Tonle Sap („Großer See“), einem Fluss, der sich wie ein See gebährdet. Im Jahr ändert er mehrmals je nach Regenmenge seine Fließrichtung bevor er in den Mekong mündet. Als See ist er der größte Südostasiens.
Der Königspalast in Pnom Penh wurde im 19. Jahrhundert als weiträumige Anlage funktionsbestimmter Gebäude, Gärten und Parks angelegt. Der typisch kambodschanische Buddhismus hat diese Architektur mitgeformt. An und für sich hängt Volk und Könighaus dem Theravada-Buddhismus an, der sich an die Wortüberlieferung der Belehrungen des historischen Buddhas Shakyamuni hält. Da dieser als Reformer aus dem Hinduismus aufgestiegen war, hatte er die indischen Götter nicht in Frage gestellt, sie aber als nahezu wirkungslos auf den Heilsweg des Menschen angesehen. Deshalb gibt es hier im Königspalast auch Hindustätten und Hofbrahmanen, welche den Kult Shivas und Ramas pflegen. Besonders auf Tanz- und Bildende Kunst hat der Hinduismus großem Einfluss genommen.
Von einer reichgestalteten Mauer umgeben bildet die Palastanlage eine Stadt für sich. Gebäude für Wohnzwecke wechseln mit solchen religiöser Kulte. Ein eigener Bau für die Königliche Bibliothek wie die Tanzhalle dienen Bildung und Erbauung. Pagoden akzentuieren mit ihren spitz zulaufenden stufenförmigen Helmen das Gelände nach oben. Es nimmt nicht Wunder, dass die Spitzen der Roten Khmer hier das üblich luxuriöse Leben kommunistischer Führungsschichten genossen, während das Volk darbte oder hingemordet wurde.
Die sich sanft auflösenden Umrisse der Gebäude enthalten eine Menge mit feinsinniger Steinmetzkunst geschaffene Details, die entweder in Stuck oder in Stein gebildet sind.
Obwohl sich das Kambodscha der Khmer bereits im Mittelalter dem Buddhismus zugewandt hatte, spielte in der hohen Kunst das hinduistische Epos des Ramayana eine besondere Rolle, die im Tanztheater seine Höhepunkte erreichte. Eine ähnliche Entwicklung findet man in der Rezeption des dort Ramakien genannten Epos in Thailand. Im Palastbereich ist deshalb eines der prominentesten Bauwerke die von Säulen getragene offene Tanzhalle, wo der Hof den kunstvollen musikalisch begleitenden Aufführungen des Ramayana folgte. König Norodom Sihanouk war selbst ein begeisterter Förderer dieser Kunstform. Ihm ist es auch zu verdanken, dass nach den kulturellen Verwüstungen des Landes durch den Mordkommunismus Pol Pots das Tanztheater sich wieder zu alter Größe erheben konnte. Der König entwarf sogar selber Choreographien dafür.
Die Handlung dieses altindischen und neben dem Mahabharata bedeutendsten Epos wird im Palastbereich auch in Wandmalereien erzählt. Besonders die Darstellungen der unzähligen Schlachten und Zweikämpfe lassen das betrachtende Auge kaum ruhen.
Worum geht es nun bei der Handlung dieser Dichtung, die im 2. Jahrhundert n. Chr. ihre letzte Fassung durch den Dichter Valmiki erhielt? Rama ist ein Prinz aus königlichem Geblüt. Er hat zwei Brüder Lakshmana und Shatrugana, die ihm zur Seite stehen. Am Hofe des Königs von Videha freit Rama um dessen Tochter Sita, muss aber im Wettkampf mit weiteren Bewerbern einen mächtigen Bogen spannen. Dies gelingt ihm als einzigem und er gewinnt damit Sita zur Frau. Rama soll am Hofe seines Vaters Dasharatha Thronerbe werden. Durch Intrigen wird dies aber verhindert und er wird mit Sita und Lakshmana in die Urwälder verbannt, wo sie dann gemeinsam zahlreiche Abenteuer mit Untieren und Dämonen bestehen. Einer von diesen, Ravana, entführt durch eine List Sita nach der Insel Lanka. Rama gelingt es aber mit Hilfe des Affengottes Hanuman, der ihn und seine Mitstreiter durch die Luft nach Lanka bringt, Ravana zum Kampf zu stellen und ihn zu besiegen. So wird Sita befreit. Rama zweifelt aber, ob die Frau ihm auch treu geblieben sei. Sita ist wegen dieser Zumutung derart enttäuscht, dass sie sich selbst verbrennt. Aber die Götter greifen ein und so schließt dieses gewaltige Abenteuer mit einem glücklichen Ende.
Als Tanzdrama in genau festgelegten choreographischen Ausdrucksformen gehört das Ramayana in Südostasien zum unvergänglichen kulturellen Erbe und vermag durch die feierliche und dramatische Inszenierung, durch die dymanisch begleitende Musik und die prächtigen Kostüme und Requisiten auch sich dieser Kultur öffnende Menschen aus dem Westen zu begeistern.
Zwischen die Bauten heimischer Tradition in eigenartiger Weise hineingepresst, steht ein Pavillon, der sich nicht so recht in den gewachsenen Komplex der königlichen Bauten einfügen will. Es ist dies ein Ingenieursbau aus dem Jahre 1869. Am 12. November dieses Jahres fand die Eröffnung des Suezkanals statt. Der Seeweg nach Asien hatte sich durch diese technische Meisterleistung derart verkürzt, dass die ganze Weltwirtschaft einen gewaltigen Sprung nach vorne tun konnte. Und die ganze Welt feierte mit, Herrscher und Potentaten trafen sich zur Eröffnung. Selbst Kaiser Franz Josef war dabei und hatte diese Reise auch mit einem Besuch des Heiligen Landes verbunden. Kaiser Napoleon III. von Frankreich, das ja gewaltige koloniale Positionen in Südostasien einnahm, hatte sich für diesen Zweck einen Pavillon bauen lassen, um ihm in der Wüstenlandschaft des Sinai ein standesgemäßes und komfortables Leben zu ermöglichen. Nach dem Ende der dreitägigen Feierlichkeiten wurde der Bau aber nicht nach Frankreich zurückbefördert, sondern zerlegt nach Pnom Penh gebracht und dort in den Königspalast eingefügt.