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Produktionsmanagement in einer vernetzten Zukunft#

Chancen, Risiken und Handlungsbedarf#

Univ.-Prof. DI Dr. Siegfried Vössner, 2016

Einleitung#

Während sich die technischen Möglichkeiten von Produktionssystemen, quasi die „Hardware“, in den vielen Jahrzehnten weitgehend kontinuierlich weiterentwickelt haben, entwickeln sich die dazugehörigen Betriebs- und Managementkonzepte, die „Software“, diskret, schubweise und selten gekoppelt zur Hardware. Das gilt ganz besonders für das zukunftsweisende Computer Integrated Manufacturing (CIM) Konzept der späten 1970er Jahre, welches die bisher stärkste Kopplung der beiden Bereiche darstellt. Leider war die dem Konzept zugrundeliegende Hardware – besonders die informatische noch nicht entwickelt bzw. ausgereift. Die sich in Konsequenz damals einstellenden Misserfolge, führten zu einem fast 50 jährigen Dornröschenschlaf der IT-basierenden Konzepte. Stattdessen etablierten sich einfache, informationsarme Steuerungskonzepte, die aber dafür mit größter ideologischer Überzeugung adoptiert wurden – „Lean“ oder „Kanban“ sind gute Beispiele hierfür.

Industrie 4.0 #

Mit der „Industrie 4.0“ Initiative wurde ein neuer Anlauf genommen, die anerkanntermaßen großen Potenziale des CIM, welche mittlerweile einen hohen technischen Reifegrad erreicht haben, in Verbindung mit vernetzten Produktionssystemen und neuen digitalen Herstellungsverfahren zu heben. Dabei wird gegenwärtig das Hauptaugenmerk auf die „Hardware“ und „das was ist möglich“ gelegt. Dies ist ausreichend, um bei Technologielieferanten und Kunden einen Hype zu entfachen, für einen erfolgreichen und lohnenden Einsatz ist dies jedoch (viel) zu wenig. Der Erfolg von „Industrie 4.0“ hängt hauptsächlich von intelligenten, wirtschaftlich sinnvollen Betriebs- und Managementkonzepten ab.

Managementkonzepte im Lichte leistungsfähiger Produktionsmaschinen #

3D Printer
The BigRep One.2- 1m3-- a modern large 3D printer. Photo: Gui le chat 2015, in Wikicommons, unter CC BY-SA 4.0
Heute stehen uns auf „Hardware“-Seite leistungsfähige Produktionsmaschinen zur Verfügung, die gestützt auf digitale Produktmodelle geographisch unabhängig produzieren können.

Die sie verbindenden Datennetzwerke gehen über Unternehmensgrenzen hinaus und erlauben dynamisch konfigurierte Supply Chains (mit wechselnden Partnern und Rollen) sowie beispielsweise auch den Austausch von Produktions- und Produktdaten.

Die Virtualisierung von Rechenleistung und Speicherplatz in sogenannten „Cloud“ Lösungen trägt nochmals zur Flexibilisierung dieser Netzwerke bei. An zugehörigen digitalen Fertigungsverfahren etablieren sich neben den bekannten subtraktiven Verfahren (wie z.B. CNC-Fräsen) auch zunehmend additive Verfahren (z.B. der 3D-Druck) zur Einsatzreife.

Während es in diesen Themen an vielen Stellen interessante Innovationen gibt, fehlt die Integration in ein großes Ganzes. Dies stellt auch unserer Meinung nach die größte Herausforderung bzw. „die Nagelprobe“ für „Industrie 4.0“ dar.

Perspektive / Vision#

Wie eingangs erwähnt, sind intelligente, wirtschaftlich sinnvolle Betriebs- und Managementkonzepte für die einzelnen Industrie 4.0 Konzeptbausteine kritisch und unabdingbar für den Erfolg der Initiative. Solche Konzepte müssen jedenfalls folgende Aspekte berücksichtigen bzw. beinhalten:

  • Modellbasierter Entwurf, Verifikation, Optimierung und Umsetzungsplanung
  • Neue Modellierungstechniken, die in der Lage sind komplexe Industrie 4.0 Netzwerke formal abzubilden sowie
  • Leistungsfähige numerische Verfahren, die eine numerische Simulation des Gesamtsystems erlauben
  • Globale Optimierungsverfahren (inkl. Approximationsalgorithmen und Heuristiken)
  • Integrierte, Supply Chain- und Produktionssystem-übergreifende Produktionsplanungs- und Steuerungsansätze (PPS)
  • Integrierte Produkt- und Produktionsplanungsansätze und Produktionsstrategien zur Synchronisation von Technologie- und Produktlebenszyklen
  • Dynamisch konfigurierbare Dienstleistungen (Services) und Produktionskonzepte integriert im Produkt (Product Service Systems)

Chancen und Risiken#

Durch die wirtschaftliche Erschließung der Potenziale der einzelnen Industrie 4.0 Konzeptbausteine in einem einheitlichen und durchgängigen Konzept, lassen sich Potenziale erwarten, die um ein Vielfaches größer sind als die „Best-Practice“ Beispiele der Konzept-Bausteine für sich (z.B. 3D-Drucken). Außerdem ist zu erwarten, dass ohne einheitlichen Ansatz die Einzelpotenziale einander entgegenwirken bzw. negative Auswirkungen haben. Als Beispiel für solche Risiken sei die Datenflut genannt, die digital vernetzte Systeme als „Big Data“ anhäufen und die ohne maß- und sinnvolle Analyseverfahren Anwendern nur Kosten verursachen. Generell besteht die größte Gefahr bei der Einführung bzw. der Umsetzung des Industrie 4.0 Konzeptes in einer technologischen Überinvestition, die zudem aufgrund der bei IKT Komponenten üblichen kurzen Technologiezyklen nach wenigen Jahren, lange vor dem Break Even obsolet geworden sind.

Handlungsbedarf#

Begleitend zu den in den anderen Arbeitskreisen dieses Positionspapiers* beschriebenen Handlungspunkten, ist es dringend notwendig ein, auf die österreichische Infrastruktur bzw. die Bedürfnisse der Industrieunternehmen zugeschnittenes, informations- und materialflussoptimiertes Produktionsmanagementkonzept zu entwickeln.
  • Wirtschaftliche PPS Verfahren für KMUs, welche eines geringen Vor-Ort Investments bedürfen und die erforderliche hohe Rechen- und Speicherleistung beispielsweise durch Cloud-Technologien zur Verfügung stellen.
  • Entwicklung von rekonfigurierbaren Arbeits-/Produktionssystemen für die Kombination von menschlicher Arbeit und automatisierter Produktion, die sich dynamisch an die physikalischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten der ArbeitnehmerInnen anpassen bzw. anpassen lassen.
  • Kooperationsprojekte zur Gestaltung und Einführung von Energiemanagementsystemen für und bei KMUs.
  • Modellierung der Wirkungszusammenhänge zwischen Prozesszuständen und Produktqualität.

Weitere Gedanken finden Sie im Positionspapier „Österreichs Zukunft als Produktionsstandort“, der Österreichischen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (ÖWGP, November 2015), aus welchem diese Zeilen stammen.

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