Diese besondere Frau #
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE (Donnerstag, 19. Jänner 2012)
Von
Heide Pils
Ein wenig war mir Barbara Coudenhove-Kalergi abhanden gekommen, seit sie den ORF in Richtung Pension verlassen hatte und man nicht mehr in der Genuss ihrer TV-Beiträge, Moderationen und Kommentare kommen konnte; seit außerdem unsere gemeinsame Tätigkeit für die Bürgerinitiative „Land der Menschen“ vor mehr als zehn Jahren zu Ende gegangen war; und vor allem auch, seit sie nach dem Tod ihres Mannes Franz Marek ihre große – nun zu große – Mietwohnung in einem Gründerzeithaus in der Wiener Innenstadt, in dem wir beide Nachbarinnen gewesen waren, aufgegeben hatte … Immerhin las man noch ihre Beiträge und Kolumnen in Printmedien, und konnte ihr fast jedes Mal uneingeschränkt zustimmen. Von Zeit zu Zeit schrieb sie über österreichische Caritas-Projekte in den ärmsten Winkeln Europas und der Welt, und ich bewunderte ihre journalistische Meisterschaft, mit der sie persönliche Betroffenheit ebenso wie sachliche Analyse gleichzeitig vermitteln konnte.
Irgendwann lese ich eine große Geschichte von Barbara Coudenhove in der Samstagbeilage der Presse. Sie erzählt darin, dass sie türkischen/muslimischen Frauen Deutschunterricht gibt, in einer Wiener Volkshochschule im Rahmen der Aktion „Mama lernt Deutsch“. Berührend ihre Erfahrungen mit der Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit, Lernwilligkeit und Toleranz der Frauen. Ich bin begeistert und beeindruckt von dieser Form persönlichen Engagements. Und muss bald darauf – fassungslos – die vielen hasserfüllten, von Vorurteilen strotzenden Reaktionen in Leserbriefen oder Internet-Blogs lesen. In der feinen Presse!!
„Natürlich hat mich das getroffen“, sagt Barbara C. , „Ressentiments gibt es offenbar nicht nur in den sogenannten bildungsfernen Schichten, sondern auch unter Intellektuellen. Den Österreichern ist noch immer nicht ausreichend bewusst, dass sie selber ja auch multinationale und multikulturelle Geschöpfe sind, als Nachkommen jener Menschen, die vor Generationen hier eingewandert sind und unser Land künstlerisch, musikalisch, literarisch, intellektuell, wirtschaftlich und geistig so unglaublich bereichert haben.“ Barbara C. ist in ihrer Bio- grafie durchaus ein Beispiel für dieses Österreichertum. Geboren in Prag, mit Vorfahren aus Brabant, Kreta, Polen, Frankreich, Ungarn, Japan, aufgewachsen als Kind einer deutschsprachigen Familie in einem tschechischen Umfeld, wird sie 1945 aus Prag vertrieben und kommt mit ihrer Familie nach Österreich, als heimwehkrankes einsames Flüchtlingskind. Trost und Rettung für die kleine Heimatlose kommt auf wundersame Weise – so erzählt mir Barbara in einem Gespräch vor einigen Monaten – durch eine Zeile aus einem Psalmentext: „Deine Altäre sind meine Heimat.“ Soll heißen: Religion bietet Zugehörigkeit und Geborgenheit, derer man sich immer und überall gewiss sein kann. Diese Gewissheit wird sie ein Leben lang begleiten und die unzerstörbare Basis ihrer Religiosität bleiben. Ohne Zweifel ist diese Erfahrung von Geborgenheit gemeint, wenn Barbara von sich selbstironisch sagt: „Ich bin ein Kerzlweiberl, eine richtig fromme Frau.“ Das hindert sie aber nicht daran, Dogmen und amtskirchliche Versteinerungen mit intellektueller Schärfe zu kritisieren.
Im Lebensdesign dieser besonderen Frau hat vieles Platz: herausragende Journalistin, kritische Christin, linke Aristokratin, Deutschlehrerin für Kopftuchfrauen … das alles ist Barbara Coudenhove-Kalergi. Ihr runder Geburtstag ist ein Anlass, sich dessen dankbar bewusst zu sein.