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Unternehmer leben gefährlich – Leitl kann ein Lied davon singen#

Überfall 1979. Der heutige Präsident der WKO wurde überfallen und sollte entführt werden. Täter wollten gegen Kapitalismus protestieren – und wurden geschnappt. Österreichs spektakulärste Fälle von Kidnapping.#


Mit freundlicher Genehmigung aus: Die Presse, Freitag, 16. März 2012

Von

Hans Werner Scheidl


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Christoph Leitl 2006.
Foto: Christian Jansky. Aus: Wikicommons unter CC

Wien. In der Nacht vom 13. auf den 14. September 1979 steigt der 30-jährige Geschäftsführer des Familienbetriebs Bauhütte Leitl-Werke vor seinem Haus am Linzer Pöstlingberg aus dem Auto. Vier maskierte Männer mit Sprengstoffgürteln und vorgehaltener Pistole stürzen sich auf den reichen Erben. Der Unternehmersohn flüchtet, obwohl ihm der Pistolenknauf auf den Kopf donnert. Er lässt sich einen Hang hinunterfallen, bleibt sechs Meter tiefer mit gebrochenem Arm liegen, kann aber um Hilfe schreien. Die Angreifer flüchten in der Dunkelheit.

Erst zwei Jahre später werden die Ganoven durch Zufall festgenommen, darunter ihr exil-chilenischer Anführer. Das Verhör ergibt, dass die Bande an Christoph Leitl ein Exempel gegen die kapitalistische Weltordnung statuieren wollten.

Den Polizeibericht trägt Leitl seitdem immer bei sich. Er erinnert ihn stets daran, dass er zu einem verlassenen Bunker in der Nähe von St. Valentin hätte verschleppt werden sollen. Dort hätte man auch – so dokumentierte es eine gefundene Skizze – seinen Leichnam verscharrt.

Auch die Entführung der Leitl-Kinder war geplant. Ein Komplize bekam aber Angst und verpfiff seine Mittäter. Aus Dankbarkeit besuchte Leitl den Mann mehrmals im Gefängnis und verschaffte ihm später einen Job als Elektriker im Familienbetrieb. Dieses Erlebnis hat Christoph Leitl nicht nur privat, sondern auch in seiner politischen Haltung zutiefst geprägt.

Ohne Zweifel hatten die verhinderten Leitl-Attentäter die Raubmorde der linksterroristischen RAF in der Bundesrepublik Deutschland zum Vorbild. Das demokratische System Westeuropas stand damals vor seiner schwersten Bewährungsprobe. Es hat sie bestanden, wie man heute weiß.

Die Serie gewaltsamer Entführungen in Österreich begann schon am 2. Jänner 1971, allerdings noch ohne ideologisches Unterfutter: Zwei Unterweltler verschleppten den 25-jährigen Hans Bensdorp, Sohn der Wiener Schokoladendynastie. Eine Viertelmillion Schilling (18.168 Euro) Lösegeld forderten sie, die Familie hinterlegte den Betrag am angegebenen Ort. Aber die Gier war zu groß: Die Täter wollten noch mehr Geld. So wurden sie geschnappt: neun bzw. acht Jahre Haft. Am 12. Dezember 1977 wurde die Unternehmersgattin Lieselotte Böhm gekidnappt. Die geforderten 30 Millionen Schilling gab's nicht, dafür jeweils acht Jahre Haft.

Auch die Entführer des Schwagers von Karl Friedrich Flick kamen 1991 nicht weit. Fünf Millionen Euro wurden übergeben, aber die Handschellen klickten bald.

Der spektakulärste Fall von Kidnapping ereignete sich am 9. November 1977 – ebenfalls in Pötzleinsdorf. Der 74-jährige Großindustrielle Walter Michael Palmers wurde vor seinem Haus überwältigt, gefesselt und in eine Wohnung verschleppt, die von den Kriminellen kurz zuvor angemietet worden war. Die Lösegeldforderung lautete auf 50 Millionen Schilling (3,63 Mio. Euro) und: „Keine Polizei!“ Die Familie trieb in aller Eile 31 Millionen (2,25 Mio. Euro) auf. Die Entführer gaben sich zufrieden, Palmers wurde nach hundert Stunden freigelassen.

Aber schon am 23. November wurden die Österreicher Thomas G. und Othmar K. in Chiasso, ihr Komplize Reinhard P. in Wien festgenommen, später verurteilt. Das Geld sollte der deutschen RAF für weitere blutige Terroranschläge dienen. Ein Teil des erbeuteten Lösegeldes tauchte bei der Festnahme der Linksterroristen Gabriele Kröcher-Tiedemann und Christian Möller auf, ein weiterer Betrag im Jahr darauf bei der Verhaftung zweier weiterer Mitglieder der Verbrecherbande in Bulgarien.

Denn die deutschen Gangster hatten Finanzbedarf. Die Terrorwelle rollte, versetzte die Bundesrepublik in Angst und Schrecken, was von linken Sympathisanten – auch in manchen Medien – noch Jahre danach mit „klammheimlicher Freude“ begleitet wurde. Bis heute sind die politisch motivierten Morde an führenden Persönlichkeiten aus Politik, Justiz und Wirtschaft nicht vergessen. 34 Morde gehen (von 1970 bis 1998) auf das Konto der marxistischen Terroristen. 27 von ihnen endeten durch Aktionen der Exekutive, durch Hungertod oder Selbstauslöschung im Gefängnis.


Die Presse, 16.3.2012



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