BEFÖRDERUNG VON LEICHEN#
1889: Mit Verordnung des k.k. Handelsministeriums vom 20. April d. J. wurde der die Beförderung von Leichen betreffende § 24 des Betriebsreglements für Eisenbahnen folgendermaßen geändert.
Erstens: Transport einer Leiche muss, wenn er von der Ausgangsstation des Zuges erfolgen soll, wenigstens 6 Stunden, wenn derselbe von einer Zwischenstation ausgehen soll, wenigstens 12 Stunden vorher angemeldet werden.
Zweitens: Die Leiche muss in einem dicht gefugten und verpichten Sarg aus hartem Holz oder in einem hinlänglich widerstandsfähigen Metallsarg luftdicht eingeschlossen, und muss dieser Sarg von einer hölzernen Umhüllung umgeben sein, dass jede Verschiebung des Sarges innerhalb der Umhüllung verhindert wird.
Drittens: Die Leiche muss von einer Person begleitet sein, welche eine Fahrkarte zu lösen und denselben Zug zu benützen hat, in dem die Leiche befördert wird.
Viertens: Bei der Aufgabe muss der vorschriftsmäßige, von der kompetenten politischen Behörde ausgefertigte Leichenpass beigebracht werden, welchen die Eisenbahn übernimmt und bei Ablieferung der Leiche zurückstellt. Der von der zuständigen Behörde ausgefertigte Leichenpass hat für die ganze Länge des darin bezeichneten Transportweges Geltung. Die Tarif mäßigen Transportgebühren müssen bei der Aufgabe entrichtet werden. Bei Leichentransporten, welche aus ausländischen Staaten kommen, in welchen eine Vereinbarung wegen wechselseitiger Anerkennung der Leichenpässe abgeschlossen ist, genügt die Beibringung eines der Vereinbarung entsprechenden Leichenpasses der nach dieser Vereinbarung zuständigen ausländischen Behörde.
Fünftens: Die Beförderung der Leiche hat in einem besonderen, bedeckt gebauten Güterwagen zu erfolgen. Mehrere Leichen, welche gleichzeitig von dem nämlichen Abgangsort nach dem nämlichen Bestimmungsort aufgegeben werden, können in einem und demselben Güterwagen verladen werden. Wird die Leiche in einem rundum geschlossenen Leichenwagen befördert, so darf zum Eisenbahntransporte ein offener Güterwagen benützt werden.
Sechstens: Die Leiche darf auf der Fahrt nicht ohne Not umgeladen werden. Die Beförderung muss möglichst schnell und ununterbrochen bewirkt werden. Lässt sich ein längerer Aufenthalt auf einer Station nicht vermeiden, so ist ein Güterwagen mit der Leiche tunlichst auf ein abseits im Freien gelegenes Geleise zu schieben. Innerhalb sechs Stunden nach Ankunft des Zuges auf der Bestimmungsstation muss die Leiche abgeholt werden, widrigenfalls sie nach Verfügung der Ortsobrigkeit beigesetzt wird. Kommt die Leiche nach 6 Uhr Abends an, so wird die Abholfrist vom nächsten Morgen 6 Uhr ab gerechnet. Bei Überschreitung der Abholfrist ist die Eisenbahn berechtigt, Wagenstandgeld zu erheben.
Siebtens: Wer unter falscher Deklaration Leichen zur Beförderung bringt, hat außer der Nachzahlung der verkürzten Fracht vom Abgangs- bis zum Bestimmungsort das Vierfache dieser Frachtgebühr als Konventionalstrafe zu entrichten.
Achtens: Bei dem Transport von Leichen, welche über besondere Anordnung oder mit Genehmigung des Ministeriums des Innern an öffentliche höhere Lehranstalten übersendet werden, bedarf es einer Begleitung nicht. Die Beförderung kann in einem offenen Güterwagen erfolgen. Es ist zulässig, solche Güter in den Wagen zu verladen, welche von fester Beschaffenheit (Holz. Metall u.dgl.) oder doch von festen Umhüllungen (Kisten, Fässern u.dgl.) dicht umschlossen sind. Bei der Verladung ist mit besonderer Vorsicht zu verfahren, damit jede Beschädigung der Leichenkiste vermieden wird. Von der Zusammenladung sind ausgeschlossen: Nahrungs- und Genussmittel einschließlich der Rohstoffe, aus welchen Nahrungs- und Genussmittel hergestellt werden, sowie die Anlage D zu § 48 des Betriebsreglement I bis III angeführten Gegenstände. Die Art der Einsargung solcher Leichen, sowie die Beurteilung der Frage, ob von der Beibringung eines Leichenpasses abgesehen werden kann, richtet sich nach den vom Ministerium des Innern fallweise dieser halb ergehenden Bestimmungen.
Neuntens: Auf die Regelung der Beförderung von Leichen nach dem Bestattungsplatz des Sterbeortes finden die vorstehenden Bestimmungen nicht Anwendung.
QUELLE: Zeitschrift für Nahrungsmittel-Untersuchung und Hygiene, 1889, Nr.8, Österreichische Nationalbibliothek, ANNO
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