EINE KURZE BAUGESCHICHTE#
VOM BIEDERMEIERHAUS ZUM ATELIER
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Bereits um 1860 befindet sich an der Stelle der Villa ein ebenerdiges Gebäude mit nach Norden gerichtetem Mittelrisalit (Vorbau). Es liegt in einem weitläufigen, teilweise verwilderten Garten. An der Südwestseite des Gebäudes steht ein Glashaus, das 1896 zu einer Küche und einem Dienstbotenzimmer um- und ausgebaut wird.
Das Anwesen mit dem Haus gehört ab 1902 dem Möbelfabrikanten Josef Herrmann und dessen Frau Helene. Die Tochter Elisabeth ist mit dem Maler Felix Albrecht Harta befreundet (Heirat 1914). Über Vermittlung Felix Hartas vermieten die Herrmanns das Haus an Gustav Klimt.
1912 adaptiert es Gustav Klimt zu einem Atelierhaus, indem er im Mittelrisalit ein breites, nach Norden gerichtetes Atelierfenster einbauen lässt. Die Fassaden sind weiß gekalkt, Fenster und Türen schwarz gefärbt.
DER UMBAU ZUR VILLA
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Nach Klimts Tod 1918 beginnt Helene Herrmann nach Plänen des Stadtbaumeisters Rudolf Hauk mit der Erweiterung und Aufstockung des Gebäudes. Im Sommer 1998 wiederaufgefundene Baupläne aus dem Jahr 1922 zeigen das ursprüngliche Atelierhaus zu Zeiten Klimts (in Grau) und den damals geplanten Umbau (Rot: Neu; Gelb: Abbruch).
Helene Herrmann verkauft den Rohbau an Ernestine Werner, geb. Kreihsler, später verehelichte Klein, die 1923 nach Planänderungen die Adaptierungsarbeiten abschließt. Dadurch kommt es an der Nordseite zum Anbau einer zweiflügeligen, neobarocken Freitreppe. Der Treppenvorbau führt zu einer Vergrößerung des ehemaligen Atelierraumes gegen Norden um ca. 170 cm.
1937 wird ein zweiter Stiegenaufgang in das Obergeschoss nach Plänen von Stefan Végh eingebaut (östlich neben Klimts „Empfangszimmer“; in den Plänen als „Flur“ bezeichnet).
1939 wird die Liegenschaft zwangsweise verkauft (arisiert). Nach Rückstellung im Jahr 1948 erwirbt die Republik Österreich 1954 die Liegenschaft und adaptiert 1957 das als abbruchreif bezeichnete Gebäude für Schulzwecke (damals wohl Wanddurchbruch zwischen Empfangszimmer und Atelierraum). 1958 wird das undichte Flachdach durch ein Walmdach ersetzt.
DIE DOPPELNATUR DES GEBÄUDES
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Es ist nicht verwunderlich, dass ein Neffe Klimts, der als Jugendlicher seinen Onkel oftmals in der Feldmühlgasse besucht hat, später sagt: "lch finde keine Anhaltspunkte mehr. Das Haus, so wie es war, ist verschwunden.”
So sehr das Äußere verändert wurde, so sehr ist die originale Raumstruktur im Inneren des Erdgeschosses erhalten geblieben. Aus den Umbauplänen von 1922/23 ist die Grundsubstanz des Ateliers von Gustav Klimt mit Ausnahme geringer Abänderungen (vor allem von Tür- und Fensteröffnungen) im gegenwärtigen Villenbau eindeutig erhalten. Somit besteht an der Authentizität des Ortes dieses kulturgeschichtlichen Denkmals kein Zweifel.
DAS PENDANT ZUM ATELIERHAUS
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Im ehemaligen „Klimt-Garten“ stand südwestlich des Ateliers bis vor wenigen Jahren das Biedermeierhaus Feldmühlgasse 9. Das eingeschoßige Haus, erbaut um 1860, hat ebenso wie das Klimt Atelier ursprünglich zu einem weitläufigen Anwesen einer Villa an der Hietzinger Hauptstraße 88 gehört. Dieses schlichte Gebäude war insofern von großer Bedeutung für das Klimt-Ensemble, als es fast so ausgesehen hat wie Klimts Atelier vor dem Umbau zur Villa 1923. So wie die „Klimt-Villa“ stand auch das Nachbarhaus in einer historischen Schutzzone, sodass der Abbruch im Frühsommer 2002 illegal erfolgt ist.
Quellennachweis:
- Zeitschrift „Steine Sprechen“ Nr. 112 (1999) bzw. Neuauflage Nr. 118a (2000) sowie Nr. 124/125 (2002) der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege
- Gerhard Weissenbacher, In Hietzing gebaut, Bd. II, Wien 1998, S. 126-129