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House of Strauss#

1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 76


House of Strauss
Museumsshop
House of Strauss

Ein Jahrzehnt haben die Vorarbeiten zum "House of Strauss" im Casino Zögernitz in Wien-Döbling in Anspruch genommen. Die Ausstellungsräumlichkeiten wurden unter anderem vom renommierten Atelier Brückner gestaltet, das weltweit zahlreiche Museen plante, darunter das BMW Museum in München, das Museum Of The Future in Dubai oder das Grand Egyptian Museum in Gizeh. Seit 2023 ist das faszinierende Strauss-Museum nun geöffnet. Es informiert wissenschaftlich fundiert, ist innovativ gestaltet und spielt technisch "alle Stückerln". Nichts fehlt, nichts ist zu viel – ein zeitgemäßes Museum, wie es nicht besser sein könnte.

Nicht Kitsch und Geniekult bestimmen die Ausstellung, das Phänomen der "Sträusse" erschließt sich aus dem historischen Kontext. Auf 2.000 m² bietet die Präsentation eine Zeitreise durch das 19. Jahrhundert. Dieses war eines der prägendsten für Wien: Bevölkerungswachstum, gesellschaftliche Umbrüche, industrielle Revolution, Fall der Basteien und Bau der Ringstraße bestimmten die alte Zeit (die für viele keine gute war). Und doch war Wien damals die Welthauptstadt der Musik. Dafür bürgte die Strauss-Dynastie. Johann I. (1804-1849), Johann II. (1825-1899), Josef (1827-1870) und Eduard I. (1835-1916) gaben den Ton an. Sie konzertieren, wie auch Joseph Lanner und Carl Michael Ziehrer, im Festsaal des Casino Zögernitz. Nach dessen umfangreicher Revitalisierung ist der historische Ballsaal ein Highlight des Museums. 15-minütige Multimedia-Shows in deutscher und englischer Sprache finden hier ebenso statt, wie Konzerte und Events.

Die farblich gegliederten Ausstellungsräume behandeln die Themenkreise: Leben in Wien im 19. Jahrhundert - Die vier Genies, ihr Leben und ihre Werke - Die Größen ihrer Zeit über Strauss-Musik - Johann Strauss Sohn erobert die Theater- Das Vermächtnis einer Ära - Die Frauen der Strauss-Dynastie - Casino Zögernitz - Die Geschichte des „Donauwalzers“, erzählt von Eduard Strauss, Ururenkel von Johann Strauss I. und Obmann des Wiener Instituts für Strauss-Forschung (WISF), dem Trägerverein für Forschungsprojekte rund um die Musikerfamilie und ihre Zeitgenossen.

Ausstellungsraum Wien im 19. Jahrhundert
Ausstellungsraum Wien im 19. Jahrhundert
Ausstellungsraum Wien im 19. Jahrhundert

Johann Strauss I. wurde am 14. März 1804 als drittes Kind des Wirtsehepaars Franz (1764-1816) und Barbara Strauss (1770-1811) in Wien-Leopoldstadt geboren. In den ersten Lebensjahren von Johann Strauss I. erschütterten die Napoleonischen Kriege, Inflation, Seuchen und Naturkatastophen die Stadt. Viele Menschen lebten in Armut. Der Wiener Kongress ordnete Europa neu. Die Politik ließen den Diplomaten Zeit für Vergnügungen. "Der Kongress tanzt" hieß es. Wien entwickelte sich zur Musikhauptstadt der Welt. Es entstanden noble Ball-Lokalitäten (wie das Casino Zögernitz). Bürgerliche Familien pflegten die Hausmusik. Volkssänger und Musikanten produzierten sich in Vorstadt-Wirtshäusern wie jenem von Franz Strauss. Sein Kind Johann spielte ihre Melodien auf der Geige nach.

Ausstellungsraum Die vier Genies
Ausstellungsraum Wien im 19. Jahrhundert
Ausstellungsraum Wien im 19. Jahrhundert
Ausstellungsraum Die vier Genies

Nach dem Tod der Eltern wuchsen die beiden überlebenden Kinder Ernestine und Johann I. bei ihrer Stiefmutter auf. Sie und der Vormund förderten die musikalische Begabung Johanns, der den Beruf des Buchbinders erlernte. Daneben spielt er Geige in Quartetten, wahrscheinlich ab 1823 in der Kapelle des gleichaltrigen Joseph Lanner (1801-1843). Einige Jahre später hatte er sein eigenes Orchester. Johann Strauss II., "Walzerkönig" wie sein Vater und Mitbegründer der Wiener Operette, forcierte nach Lanners Tod seine Karriere als Berufsmusiker und beantragte 1844 beim Magistrat die Zulassung als Musikdirektor.

Treibende Kraft der "Firma Strauss", die auch die Söhne Josef und Eduard umfasste, war ihre Mutter Anna, geb. Streim. Sie förderte zunächst ihren Ältesten, Johann. Sobald klar war, dass er Berufsmusiker werden würde , ließ sie sich vom untreuen Vater scheiden. Johann Strauss II. hatte davor ein Studium am k. k. Polytechnischen Institut (Technische Universität) begonnen. Auch seine Brüder hatten zunächst andere Zukunftspläne als die Musik. Josef wollte Bauingenieur werden. Eduard strebte den diplomatischen Dienst an. Josef übernahm erstmals 1853 vertretungsweise die Leitung der Kapelle. Eduard dirigierte seit dem Fasching 1861. Er begründete die Sonntag-Nachmittags-Konzerte im Musikverein. Schließlich oblag ihm drei Jahrzehnte hindurch die alleinige Leitung des Orchesters, das unter seiner straffen Organisation international zu einem der hervorragendsten Klangkörper avancierte.

Die Karrieren von Johann Strauss Vater und seiner Söhne umfassten nahezu ein Jahrhundert. Wie der Vater pflegten auch die Söhne den Starkult. Johann Strauss I. war der erste, der die Titelseite eines Notendrucks mit seinem Portrait zierte. Großveranstaltungen trugen zum "Aufbau der Genies" bei. Sie reagierten mit ihren Kompositionen auf aktuelle Ereignisse, erlebten einen einmaligen Aufstieg auf dem Sektor der U-Musik und erwarben auf Konzertreisen internationalen Ruhm. Diese führten sie durch Europa und Amerika. Schon Johann Strauss I. unternahm mit seinem Orchester Tourneen, die ihn nach Deutschland, Belgien, Frankreich und Großbritannien führten. Johann II. absolvierte elf mal mehrmonatige Gastspiele in Pawlowsk bei St. Petersburg (Russland). Einen Höhepunkt bildeten seine spektakulären Monsterkonzerte beim Weltfriedensfest 1872 in Boston (USA). Auch Eduard gastierte in den Vereinigten Staaten, 1901 erlitt er bei einem Eisenbahnunfall in Pittsburgh (USA) Verletzungen. Er löste sein Orchester auf und zog sich ins Privatleben zurück.

Ausstellungsraum Zeitgenossen
Ausstellungsraum Zeitgenossen

Oberhalb des Oktogons und mit Durchblick auf dieses befindet sich der Raum "Die Großen ihrer Zeit über Strauss-Musik". Zu den prominenten Zeitgenossen zählten Ludwig van Beethoven, Niccolo Paganini, Franz Liszt, Franz Schubert, Frederic Chopin, Johannes Brahms, Richard Wagner und Hector Berlioz. Blickpunkte dieses Saals sind ein Bösendorfer-Flügel (auf dem Besucher spielen dürfen) und die wandfüllende Projektion einer Kreidelithographie. Sie zeigt das "Große Fest", das Johann Strauss I. 1834 im Wiener Augarten auf eigenes Risiko inszenierte. Tausende Besucher kamen zu diesem Konzert, das wegen des großen Erfolges wiederholt wurde.

Ausstellungsraum Theater
Ausstellungsraum Theater

War damals die Beleuchtung mit Gaslampen sensationell, so sind es heute die audiovisuellen, interaktiven Stationen im Museum. Hier kann man individuell in die Lebenswelt vor 200 Jahren eintauchen und im Raum "Puls" seinen persönlichen Walzer wählen. Im Operetten-Saal ist es sogar möglich, das eigene Porträt in Szenen aus dem "Zigeunerbaron" und der "Fledermaus" einzubauen.

Ausstellungsraum Frauen der Strauss-Dynastie
Anna Strauss, geb. Streim, Managerin der Firma Strauss

Frauen spielten im Leben der "Sträusse" stets eine große Rolle. Die Söhne verdankten ihren Aufstieg ihrer Mutter Anna, geb. Streim, der Tochter eines Bierwirts in der Vorstadt Lichtental (Wien 9). Bei ihrer Hochzeit mit Johann Strauss I. erwartete sie ihren ersten gemeinsamen Sohn, Johann II. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, von denen (außer Ferdinand) alle ein höheres Alter erreichten. Allerdings schweigt die Chronik über die beiden Töchter Anna und Therese. Außerdem unterhielt der erste Walzerkönig eine Affaire mit der Modistin Emilie Trampusch. Sie gebar ihm zwischen 1835 und 1846 acht Kinder. 1844 reichte Anna Strauss die Scheidungsklage ein.

Johann II. war dreimal verheiratet. Mit der Sängerin Henriette ("Jetty") Chalupetzky (1818-1878) verlebte er bis zu ihrem Tod 16 glückliche Jahre. Sie fungierte zudem als seine Managerin. Auch Angelika ("Lili") Dittrich (1850-1919) war Sängerin. Sie kümmerte sich in den vier Ehejahren jedoch mehr um ihre eigene Karriere. Deshalb begann sie mit dem Direktor des Theaters an der Wien ein Verhältnis. Nach seinem Bankrott verließ sie ihn. Adele Strauß-Deutsch (1856-1930) wurde als 26-jährige Witwe Strauss' Lebensgefährtin. Da dessen Wiederverheiratung nach der Scheidung von Lili nicht erlaubt war, konvertierten er und Adele zum Protestantismus und wurden Bürger von Sachsen-Coburg und Gotha. 1887 heirateten sie standesamtlich und kirchlich in Coburg. Nun wurde Adele Strauss zur "Supermanagerin" und strengen Nachlassverwalterin.

Josef Strauss heiratete Carolina Pruckmayer, Eduard Strauss I. ehelichte Maria Klenkhart.

Blickpunkt in diesem Ausstellungsraum, in dem auch Meisterkurse stattfinden, ist der Original-Flügel der Familie Eduard Strauss.

Casino Zögernitz, Aquarell um 1880
House of Strauss, 2025

1837 eröffnete der Wiener Bürger Ferdinand Zögernitz im damaligen Vorort Döbling sein Casino mit einem „reich dekorierten Saal" Bei der Eröffnung des Saales, der als akustisch herausragend gilt, dirigierte Johann Strauss Vater. Dank der Veranstaltungen seiner Dynastie, von Joseph Lanner und Carl Michael Ziehrer avancierte das Casino Zögernitz rasch zum Treffpunkt der gehobenen Gesellschaft. 1850 veranstaltete Johann Strauss II. hier das Fest "Prunkszene aus der Residenz" mit einem großen Ball, imposanter Illumination und Feuerwerk.

1913 übernahm das Gastronomen-Ehepaar Alfred und Maria Stegbauer das Casino. Nach Beschädigungen im Ersten Weltkrieg bauten sie dieses wieder auf und richteten im Garten ein Freiluftkino ein. In der Besatzungszeit feierten sowjetische, ebenso wie amerikanische Soldaten im Zögernitz. 1950 wurde es als Hotel ausgebaut. Im Saal fanden seit 1967 Aufnahmen der Teldec Schallplatten GmbH, einem der größten und traditionsreichsten Schallplattenhersteller, statt. Nikolaus Harnoncourt wirkte hier mit seinem „Concentus Musicus“ ebenso wie die Wiener Sängerknaben und bekannte OpernsängerInnen. Die letzten Erben vermachten ihren Besitz der Erzdiözese Wien.

2008 stellte das Bundesdenkmalamt das inzwischen ruinöse Gebäude unter Schutz. Im selben Jahr erwarb der Immobilienentwickler Hermann Rauter die Liegenschaft. Er ließ 2017 bis 2020 auf dem Grundstück 48 Eigentumswohnungen zwischen 50 und 270 m² errichten. So konnte seine Residenz Zögernitz Immobilien GmbH, Wien 1, die Revitalisierung des Casinos - (8 Mio €) - finanzieren. 2021 nahm das Restaurant den Betrieb auf. Das Interior Design entwarf der Star-Architekt Denis Kosutic. Im 500 m2 großen Gastgarten blieben der Baumbestand und ein historischer Brunnen erhalten.

2023 eröffnete das "House of Strauss". Sein Herzstück bildet der 350 m2 große historische Ballsaal. Er wurde mit 400 historischen Thonetsesseln eingerichtet und die Wanddekorationen denkmalgerecht rekonstruiert. Um hier weiterhin erstklassige Aufnahmen zu ermöglichen, integrierte man ein Tonstudio mit Sichtkontakt zum Saal. Hinter den Wänden verbergen sich modernste Klimatisierung und Lüftungstechnik. Wärme und Kälte kommen aus der benachbarten Energiezentrale. Die Webseite des Museums verspricht nicht zu viel, wenn es heißt: "Die audio-visuelle Inszenierung bietet ein Gesamterlebnis in einer historisch außergewöhnlichen Kulisse. Durch die Kombination aus interaktiven Elementen und einem klaren Bildungsauftrag wird das Erlebnis nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich und inspirierend gestaltet." Das "Erlebnis für alle Sinne" umfasst neben dem Museum auch Konzerte und das Kulinarium (Restaurant). Angesichts der zahlreichen Stadtbildverluste ist das "House of Strauss" ein hervorragendes Beispiel, wie man mit Engagement (und den entsprechenden Mitteln) Kulturgut erhalten kann.

hmw

Alle Fotos (c) Doris Wolf, 2025

Quelle: Homepage