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Die Schönheit der Defekte#

Peter Hadley will verstehen, welche Defekte welche Eigenschaften in einem Material hervorrufen – was macht den Rubin rot, wie fließt Elektrizität in Silikon und warum geht ein Kabel kaputt? #

Peter Hadley leitet das Institut für Festkörperphysik und das Field of Expertise Advanced Materials Science an der TU Graz
Peter Hadley leitet das Institut für Festkörperphysik und das Field of Expertise Advanced Materials Science an der TU Graz.
Foto: Lunghammer/TU Graz

News+Stories: Sie arbeiten hauptsächlich mit Defekten. Was ist das und warum sind sie so wichtig?

Peter Hadley: In der Materialwissenschaft sind die Eigenschaften eines Materials von Defekten abhängig.

Nehmen wir zum Beispiel Aluminiumoxid: In seiner reinen Form ist es ein transparentes Mineral mit dem Namen Korund. Korund ist ein Kristall, der aus einem sich wiederholenden Muster aus Aluminium- und Sauerstoffatomen besteht. Es ist ein sehr hartes Material, das oft verwendet wird, um Schleifpapier herzustellen. Wenn Defekte in die periodische Anordnung der Atome eingebaut werden, dann kann das Material vielfältige Farben annehmen. Gibt man eine winzige Menge Chrom dazu, dann färbt sich das Mineral rot und wird anschließend als Rubin bezeichnet. Gibt man Eisen und Titan dazu, dann entsteht eine blaue Färbung und das Mineral wird als Saphir bezeichnet. Abhängig von den bestehenden Defekten kann der Saphir aber auch gelb, purpur, orange oder grün gefärbt sein. Die jeweiligen Defekt ändern also die optischen Eigenschaften von Aluminiumoxid.

Wenn ich mit Studierenden spreche, dann zeigen sie mir oft neue Perspektiven auf oder wissen Dinge, die ich nicht weiß.

Defekte spielen aber auch eine große Rolle bei den mechanischen Eigenschaften eines Materials. Die verschiedenen Arten von Stahl bestehen aus Eisen mit einem kleinen Anteil anderer Atome. Pures Eisen ist verhältnismäßig weich und rostet schnell. Gibt man ein kleines bisschen Carbon oder Chrom dazu, dann wird der Stahl härter und resistenter.

In der Elektronik sind wir stärker an den elektronischen Eigenschaften eines Materials interessiert als an den optischen oder mechanischen. Nahezu perfekte Silikonkristalle sind das am häufigsten verwendete Halbleitermaterial. Pures Silikon ist aber ein sehr schlechter Leiter – Elektrizität kann sehr schwer fließen. Gibt man aber ein klein wenig Dotierstoff-Atome dazu – zum Beispiel Phosphor oder Bor – dann wird Silikon leitfähiger. Bei gezielter Zugabe von Dotierstoffen können leitende Bahnen in einer nichtleitenden Matrix gebaut werden.

Sie bauen also absichtlich Defekte in das Material ein. Versuchen Sie auch, Defekte zu verhindern?

Peter Hadley: Ja, wir bauen absichtlich Defekte ein, um bestimmte Materialeigenschaften zu erzeugen. Aber es gibt auch viele kleine Defekte, die ursprünglich nicht vorgesehen waren und das Material beeinflussen. Vakanzen sind ein sehr häufiger Defekt. Es sind Stellen, an denen ein Atom fehlt. Diese Vakanzen können sich mit der Zeit lösen und durch den Kristall wandern. Wenn sich zwei Vakanzen treffen, dann formen sie eine Divakanz – eine Stelle, an der zwei Atome fehlen. Andere Vakanzen stoßen mit ihnen zusammen und mit der Zeit entsteht eine große Lücke in einem Kabel oder Gerät. Die Spannung, die durch fließt, muss einen Umweg um die Lücke herum nehmen und kann einen Teil des Gerätes so weit aufheizen, bis es irgendwann kaputt geht. Wir versuchen Strategien zu finden, die diese Fehler verhindern.

Im Grunde versuchen wir aber eher, die Defekte zu verstehen, als sie zu verhindern. Aber wir arbeiten oft mit Firmen zusammen, die verstehen wollen, wie Defekte ihre Geräte oder Sensoren beeinflussen.

Wir bauen absichtlich Defekte ein, um bestimmte Materialeigenschaften zu erzeugen.

Arbeiten Sie mit großen Unternehmen?

Peter Hadley: Ich betreue viele Studierende, die mit Firmen oder externen Forschungsunternehmen gemeinsam forschen. Sie arbeiten mit ams, Infineon, Joanneum Research und dem Fraunhofer Institut in Freiburg an Solarzellen, Transistoren, Gassensoren, Quantencomputern, Röntgendetektoren, Laserdioden und mikroelektronischen Gehäusen.

Ist Ihnen die Arbeit mit Studierenden wichtig?

Peter Hadley: Ja, sehr. Ich lerne sehr viel von ihnen. Das Wissen einer jeden oder eines jeden ist immer unvollständig und jede oder jeder versteht die Dinge etwas anders. Wenn ich mit Studierenden spreche, dann zeigen sie mir oft neue Perspektiven auf oder wissen Dinge, die ich nicht weiß. Normalerweise merken wir in Diskussionen, dass keiner von uns eine Sachlage wirklich versteht, und wir überlegen uns Strategien, mit denen wir weiterforschen können. Und dann kommen die Studierenden wieder zu mir zurück und erklären mir, was sie getan haben. In der Wissenschaft ist es sehr wichtig, dass man vermitteln kann, was man macht.

Ich veranstalte auch viele mündliche Prüfungen. Wenn ich eine Frage stelle, dann fragen die Studierenden manchmal etwas zurück und dann muss ich die Dinge erklären. Das ist gar nicht einmal so einfach (lacht).

Ich hatte immer das Gefühl, dass die Physik für mich interessant sein könnte.

Überraschen Sie Studierende auch manchmal?

Peter Hadley: Sie machen sehr oft Vorschläge oder haben Einblicke, über die ich noch nie nachgedacht habe. Sogar Studierende in den Einführungsveranstaltungen haben oft sehr gute Wortmeldungen. Wenn Sie an Ihre Studienzeit zurückdenken: Sie hätten sich jedes Forschungsfeld aussuchen können – warum genau dieses?

Peter Hadley: Ich glaube, dass jeder Studierende diese Frage gestellt bekommt (lacht). Ich glaube aber auch, dass nur sehr wenige Menschen zu 100 Prozent sicher sind. In meinem Fall hatte ich immer das Gefühl, dass die Physik für mich interessant sein könnte. Und als ich damit angefangen habe, hat sich dieses Gefühl schnell bestätigt.

Ich habe an der Cornell in New York und später in Stanford in Kalifornien studiert. Die ersten Jahre sind ziemlich abstrakt – es geht viel um Mathematik und man arbeitet zu einem großen Teil mit Gleichungen. Das hat mich sehr angesprochen. Vor allem, wenn man etwas Kompliziertes sehr kompakt erklären konnte. Während meines Studiums haben mich die exotischeren Zustände von Festkörpern sehr interessiert – wie die Supraleiter. Silikon machte auf mich den Eindruck, als wäre schon alles erforscht. Zuerst habe ich mit supraleitenden Materialien und Einzelelektronenbauteilen gearbeitet. An der TU Graz haben sich meine Interessen wieder hin zu gängigen Kristall-Materialien gedreht. Jetzt, wo ich Festkörperphysik lehre, kann ich sie auch besser schätzen als während meines Studiums (lacht).

Peter Hadley ist Leiter des Field of Expertise Advanced Materials Sciences, einem von fünf Stärkefeldern der TU Graz.

Information#

Peter Hadley wurde in Boston geboren und studierte an der Cornell University/New York und der Stanford University/Kalifornien. Er arbeitete 16 Jahre lang an der Technischen Universität Delft in den Niederlanden und kam 2006 nach Graz. Er ist Leiter des Instituts für Festkörperphysik und des Field of Expertise Advanced Materials Science an der TU Graz.

Kontakt#

Peter HADLEY
Univ.-Prof. Ph.D.
Institut für Festkörperphysik
Petersgasse 16/II
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 8967
p.hadley@tugraz.at


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