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Die Vielfalt der Eiszeit-Hunde#

Forscher*innen der Universität Wien extrahieren alte DNA aus Hundeohren#

Der Hund 'Gogo' mit Schädel seiner Vorfahren: einem Neolithischem Schädel und einem Schädel aus der Spätzeit aus Israel, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Die Erforschung von DNA prähistorischer Hunde ermöglicht eine Ergänzung des Verständnis der menschlichen Geschichte.
Der Hund "Gogo" mit Schädel seiner Vorfahren: einem Neolithischem Schädel und einem Schädel aus der Spätzeit aus Israel, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Die Erforschung von DNA prähistorischer Hunde ermöglicht eine Ergänzung des Verständnis der menschlichen Geschichte.
Foto: © Guy Bar -Oz/Haifa University

Unmittelbar nach der Eiszeit hat es eine große Vielfalt von Hunden gegeben, die so heute nicht mehr existiert. Die heute noch bestehende Hundevielfalt stammt demnach aus einer Zeit, in der Menschen noch Jäger und Sammler waren. Zu diesen Ergebnissen kommt ein internationales Forschungsteam um Ron Pinhasi von der Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem Francis Crick Institute und der Universität Oxford, das alte DNA von Hunden aus verschiedenen Weltregionen analysiert und verglichen hat. Die Studie erscheint in "Science".

Die Wissenschafter*innen haben alte DNA von 27 Hunden analysiert, die in Europa, dem Nahen Osten und Sibirien gelebt haben – einige von ihnen vor fast 11.000 Jahren. Die Forscher*innen zeigen, dass zu diesem Zeitpunkt – kurz nach der Eiszeit und noch bevor irgendein anderes Tier domestiziert worden war – bereits mindestens fünf verschiedene Hundeformen mit unterschiedlichster genetischer Abstammung existierten. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass die heutige Vielfalt von Hunden bereits aus einer Zeit stammt, in der Menschen noch Jäger und Sammler waren.

"So wie die alte DNA die Erforschung unserer eigenen Vorfahren revolutioniert hat, tut sie dies nun auch für Hunde und andere domestizierte Tiere. Dies ergänzt unser Verständnis der menschlichen Geschichte um eine weitere Ebene", sagt Ron Pinhasi, der die Forschungsgruppe in Wien leitet. "Manche Unterschiede, die man heute bei Hunden sieht, hatten ihren Ursprung in der Eiszeit. Am Ende dieses Zeitabschnitts waren Hunde bereits auf der ganzen Welt verbreitet", ergänzt Pontus Skoglund, Gruppenleiter des Crick's Ancient Genomics Labors.

DNA aus dem Hundeohr extrahiert#

Die Studie im Bereich der prähistorischen Genomforschung umfasst die Extraktion und Analyse von DNA aus Skelettmaterial. Sie bietet Einblicke in die Vergangenheit, die es Forscher*innen ermöglichen, evolutionäre Veränderungen aufzudecken, die vor vielen tausenden Jahren stattfanden. Eine große Herausforderung, die vom Team in Wien bewältigt wurde, ist die erfolgreiche Extraktion alter DNA von prähistorischen Hunden aus dem Nahen Osten – einer Region, in der alte DNA üblicherweise sehr schlecht erhalten ist. Dabei wurden Methoden angewandt, die auf die Innenohrregion im Inneren des Schädels ausgerichtet sind und die das Team vor dieser Studie nur zur Erforschung prähistorischer Menschen angewandt hat.

Prähistorische Diversität ging im Lauf der Zeit verloren#

Die Forscher*innen zeigen, dass die frühen Abstammungslinien der Hunde sich in den vergangenen 10.000 Jahren vermischt und verschoben haben. Schlussendlich sind daraus jene Hunde entstanden, die wir heute kennen. Beispielsweise waren die ersten europäischen Hunde anfangs sehr verschieden und scheinen von zwei äußerst unterschiedlichen Populationen abzustammen – eine verwandt mit Hunden aus dem Nahen Osten, die andere mit Hunden aus Sibirien. Allerdings ging diese Diversität irgendwann verloren, da sie heute bei europäischen Hunden nicht mehr vorhanden ist. "Wenn wir mehr als vier- oder fünftausend Jahre zurückblicken, können wir erkennen, dass Europa im Hinblick auf Hunde eine sehr vielfältige Region war. Obwohl die europäischen Hunde so wie wir sie heute kennen eine so außergewöhnliche Vielfalt an Gestalten und Formen aufweisen, stammen sie genetisch gesehen nur von einer sehr begrenzten Teilmenge der damaligen Vielfalt ab", erklärt Anders Bergström, Erstautor des Crick Institute.

Migrationsbewegungen von Menschen und Hunden vergleichen#

Die Forscher*innen haben die Evolution der Hunde auch mit jener der Menschen, ihrer Lebensstile und Migrationsbewegungen verglichen. In vielen Fällen fanden vergleichbare Veränderungen statt, die wahrscheinlich darauf zurückzuführen sind, dass Menschen ihre Hunde auf ihren Wanderungen um die Welt mitnahmen. Allerdings es gibt auch Fälle, in denen die Geschichte von Mensch und Hund auseinander geht. Zum Beispiel wurde der Verlust der Vielfalt, die im frühen Europa bei Hunden existierte, durch die Ausbreitung einer einzigen Abstammungslinie verursacht, die andere Populationen verdrängte. Dieses dramatische Ereignis findet man in menschlichen Populationen allerdings nicht, und es gilt herauszufinden, wodurch diese Veränderung in der Abstammungsgeschichte der europäischen Hunde verursacht wurde.

"Die Geschichte des Hundes war sehr dynamisch und gekennzeichnet durch Hundepopulationen, die sich im Lauf der menschlichen Geschichte ständig veränderten. Indem wir diese genetischen Ergebnisse mit Erkenntnissen der Archäologie, Geschichte und anderen Disziplinen vernetzen, erhalten wir ein immer detaillierteres Bild unserer komplexen Beziehung zu unserem ältesten Freund", sagt Greger Larson, Gruppenleiter an der Universität Oxford. Obwohl diese Studie wichtige neue Erkenntnisse über die frühe Geschichte von Hundepopulationen und ihre Beziehungen zu Menschen und zueinander liefert, bleiben dennoch viele Fragen offen. Insbesondere versuchen Forscher*innen immer noch herauszufinden, wo und in welchem Kontext menschlicher Kultur Hunde erstmals domestiziert wurden.

Publikation in "Science":#

Quellenangabe: Bergström, A et al. (2020). Origins and Genetic Legacy of Prehistoric Dogs. Science. DOI

Wissenschaftlicher Kontakt#

Ron Pinhasi, PhD
Department für Evolutionäre Anthropologie
Universität Wien
1090 - Wien, Althanstraße 14 (UZA I)
+43-1-4277-547 21
+43-664-60277-547 21
ron.pinhasi@univie.ac.at

Rückfragehinweis#

Pia Gärtner, MA
Pressebüro der Universität Wien
Universität Wien
1010 - Wien, Universitätsring 1
+43-1-4277-17541
pia.gaertner@univie.ac.at


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