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„Meine Arbeit fliegt im All“ #

Wussten Sie, dass der erste österreichische Satellit im All in den Laboren der TU Graz gebaut wurde? TUGSAT-1 ist seit sechseinhalb Jahren in der Sternbeobachtung im Einsatz – und ist nicht das einzige Objekt mit Grazer Stempel im Weltall. #

OPS-Sat – hier noch mit Otto Koudelka bei letzten Tests im Labor an der TU Graz – wird in wenigen Monaten seine Bahnen rund um unsere Erde ziehen
So klein und schon ein Satellit: OPS-Sat – hier noch mit Otto Koudelka bei letzten Tests im Labor an der TU Graz – wird in wenigen Monaten seine Bahnen rund um unsere Erde ziehen.
Foto: © Lunghammer – TU Graz
Im Gegensatz zu seinem Nano-Vorgänger TUGSAT-1 ist OPS-Sat länglich und kann zwei Flügel aufklappen. Seine Antennen während des Starts ebenfalls eingeklappt und werden erst im All vollständig ausgefahren.
Im Gegensatz zu seinem Nano-Vorgänger TUGSAT-1 ist OPS-Sat länglich und kann zwei Flügel aufklappen. Seine Antennen während des Starts ebenfalls eingeklappt und werden erst im All vollständig ausgefahren.
„In der Nacht nach dem Start bin ich schlaflos im Bett gelegen und habe mir gedacht: Wahnsinn! Da fliegt etwas im All, das ich einmal in den Händen gehabt habe“, erinnert sich Otto Koudelka heute, an seinem gläsernen Besprechungstisch in der Grazer Inffeldgasse sitzend. Bescheiden unscheinbar kreist im Foyer des Instituts der eigene Star: Ein silberner Würfel, mit 20x20x20 Zentimetern „Größe“. „Das ist ein originalgetreues Modell des ersten österreichischen Satelliten – dem Nanosatelliten TUGSAT-1“, erklärt Koudelka. 2013 wurde der Nanosatellit vom indischen Weltraumbahnhof Satish Dhawan Space Centre als Teil der Mission BRITE in den Orbit geschossen und zieht dort seine Runden. Seine ursprüngliche Lebensdauer hat der kleine Satellit bereits um viereinhalb Jahre überschritten und noch immer schickt er zuverlässig Daten an die Bodenstation in Graz. „Erst voriges Jahr ist unserer gemeinsamen Mission eine Sensation gelungen“, erzählt Koudelka. „Als einzige Satellitenmission konnte die BRITE-Satellitenkonstellation eine Nova vollständig aufnehmen.“ Eine Nova ist das Verglühen eines besonders massereichen Sterns und gibt Aufschlüsse über die Entstehung des Weltalls.

Noch diesen Winter soll OPS-Sat starten – ein weiterer Satellit aus den Laboren des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz. Er ähnelt im Aufbau dem würfeligen Cubesat der BRITE-Mission, ist aber länger und hat Flügel, auf denen Solarzellen für genügend Strom sorgen. Und Strom wird das fliegende Softwarelabor brauchen: Der Satellit trägt einen sehr leistungsstarken Prozessor in sich, dazu eine Kamera für die Erdbeobachtung, einen Empfänger für optischen Datenübertragung und einen programmierbaren Funkempfänger. Zahlreiche Software- und Datenübertragungsexperimente (mit Laser und Funk) sollen die Raumfahrt der Zukunft sicherer und effektiver machen. „Zum Beispiel werden wir die Software von OPS-Sat im Flug ändern können“, erklärt Koudelka. „Normalerweise ist das viel zu riskant und man rührt den Code nicht mehr an, sobald der Satellit die Erde verlassen hat.“ Forschungsgruppen aus aller Welt reichten über 100 Experimente bei der ESA ein – 15 bis 20 werden tatsächlich planmäßig im All an OPS-Sat umgesetzt.

Experimente mit OPS-Sat#

Weltraumforschung: Otto Koudelka erklärt OPS-Sat

Wenn OPS-Sat sich bei der ESA in Darmstadt auf seinen Start vorbereitet und letzte Tests durchläuft, wird in Graz bereits an der nächsten Mission gearbeitet: Anfang 2020 nimmt das Team die operativen Arbeiten für PRETTY auf – einem weiteren Cubesat, der präzise Höhenmessungen zum Beispiel von Gletschern und Meereswellen und Untersuchungen der Strahlung im erdnahen Weltraum durchführen soll.

Die Cubesats sind aber nicht der erste Kontakt der TU Graz mit dem Weltall. Schon bei der Mission Austromir, die 1991 mit Franz Viehböck den ersten Österreicher ins All und auf die damalige Raumstation MIR brachte, waren Forschende aus Graz zentral beteiligt. Mit „Weltraumprofessor“ Willibald Riedler hatte ein TU Graz-Forschender gar die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für die Mission. Otto Koudelka zeichnete für die Videoübertragung zwischen Erde und MIR und somit für das Live-Video-Gespräch zwischen Franz Viehböck und dem damaligen Bundespräsidenten verantwortlich. Robert Finsterbusch, ebenfalls Forscher am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation, steuerte darüber hinaus eine weltraumtaugliche Materialanalysestation bei, die noch viele Jahre auf der russischen Raumstation zum Einsatz kam.

Auf geht’s! Fliegen wir zum Jupiter!#

Ähnliche Gedanken wie Otto Koudelka nach dem Start „seines“ Satelliten hat sich wohl auch Roland Lammegger vom Institut für Experimentalphysik gemacht. Er baut in Zusammenarbeit mit dem Institut für Weltraumforschung Messgeräte, deren Daten Rückschlüsse auf flüssiges Wasser auf Planeten und Monden geben können. Und genau das wird eines seiner Geräte ab 2022 in weiter Ferne tun: auf den Eismonden des Jupiters – Europa, Ganymed und Kallisto.

Der Sensor des Magnetometers an der Spitze des zehn Meter langen Armes der Sonde wird in den Laboren der ESA getestet. Das Gerät aus dem Labor der TU Graz ist eine Weltpremiere: Es ist das erste seiner Art auf der Erde - und im Weltall.
Der Sensor des Magnetometers an der Spitze des zehn Meter langen Armes der Sonde wird in den Laboren der ESA getestet. Das Gerät aus dem Labor der TU Graz ist eine Weltpremiere: Es ist das erste seiner Art auf der Erde - und im Weltall.

Auch dieses Objekt scheint unscheinbar: Mit der Größe von nur einem A3-Blatt, aber der beeindruckenden Bezeichnung Quanteninterferenz-Magnetometer nutzt es den sogenannten Quanteninterferenzeffekt aus, um das Magnetfeld eines Himmelskörpers zu vermessen. „Das Atom wird in den Dunkelzustand versetzt – kann also keine Laserstrahlung mehr absorbieren“, erklärt Lammegger. „Das ist ein Resonanzphänomen und an die atomaren Energiezustände gekoppelt. Ein äußeres Energiefeld beeinflusst diese Energiezustände der Atome und das können wir messen.“ Das Magnetometer ist Teil der ESA-Mission JUICE, die eine ganze Reihe unterschiedlicher Messgeräte an Bord einer Ariane-5-Rakete in die Weiten des Weltalls transportieren wird. „Bevor es Richtung Jupiter geht wird die Sonde aber acht Jahre kreuz und quer durch unser Sonnensystem kurven“, schmunzelt Lammegger. „Für die Reise zum Jupiter muss sie Schwung holen und fliegt dazu zuerst zur Sonne, dann zurück zur Erde, zur Venus, wieder zur Erde, zum Mars, noch einmal um die Sonne und dann direkt zum Jupiter.“ Und wenn man schon mal fast alle Bewohner der Sonnensystemischen Nachbarschaft besucht, dann werden bei der Gelegenheit auch gleich wissenschaftliche Daten gesammelt. „Wir werden die Messgeräte auf der langen Reise zuerst einmal testen und dann natürlich auch Daten über Sonne, Venus und Mars sammeln und auswerten.“ Die lange Reise in unterschiedlichen Regionen des Sonnensystems ist für die Forschenden eine Herausforderung. Die Messgeräte müssen auf ihrer Reise sowohl die extreme Hitze nahe der Sonne als auch die extreme Kälte nahe des Jupiters verkraften können. Zudem ist auch die hochenergetische Partikel-Strahlung im Jupiter-System extrem und Fasern aus Glas würden in kürzester Zeit funktionsuntüchtig werden. „Bei unseren Tests wurden sie sehr schnell trüb und konnten nicht mehr arbeiten.“ Aber auch diese Probleme wurden gelöst und das Magnetometer befindet sich in seiner finalen Testphase, wird geschüttelt, gekühlt, bestrahlt und schlussendlich auf sein Transportmedium geschnallt

Zeitgleich arbeitet das Team auch schon am nächsten Magnetometer. Es wird mit der chinesischen Mission CESES II von der Erdumlaufbahn aus nach Hinweisen im Magnetfeld der Erde auf bevorstehende Erdbeben oder Vulkanausbrüche suchen und könnte so die Katastrophen-Vorhersage wesentlich verbessern. Das ist bereits die Nachfolgemission von CESES I, an der ebenfalls ein derartiges Magnetometer aus Graz (als Weltpremiere) beteiligt war.

Die Erde vom Weltraum aus betrachtet#

Torsten Mayer-Gürr vom Institut für Geodäsie der TU Graz und sein Team bauen selbst zwar keine Satelliten oder Messgeräte, sind aber intensiv an der Auswertung der von ihnen gesammelten Daten interessiert. Sie nutzen die Positionsdaten von Satelliten, um die Erdoberfläche exakt zu vermessen und die Verteilung der Masse auf unserem Heimatplaneten zu kartographieren. Mit diesen Auswertungen sagen sie Überschwemmungen voraus oder zeigen, wie sehr sich die Eismassen in den kältesten Regionen der Welt verändern.

Bild '4-Mayer-Gürr'

Zorsten Mayer-Gürr und sein Team vom Institut für Geodäsie der TU Graz.

Wir trainieren für den Mars#

Eine andere Möglichkeit, den Weltraum – diesmal ohne Messgeräte und Satelliten – zu erforschen, ist es, einfach selbst hinzufliegen. Zum Mars zum Beispiel. Derzeit bereiten die weltweiten Raumfahrtorganisationen eine solche Mission zwar vor, bis dieses Vorhaben auch realisiert wird, müssen aber noch einige Fragen beantwortet werden. Mit der Mars-Simulation „AMADEE-18“ trug das Österreichische Weltraum Forum 2018 seinen Teil zu einer möglichen Lösung bei. In der Wüste des Sultanats Oman konnten unter anderem drei Forschungsgruppen der TU Graz ihre Entwicklungen testen und Theorien untersuchen. Ein Team rund um Gerald Steinbauer vom Institut für Softwaretechnologie schickte seinen autonomen Rover „Husky“ in den Oman. Er soll künftigen Astronautinnen und Astronauten ihre Arbeit am roten Planeten einfacher machen und kartographierte die Umgebung des Mars-Simulations-Camps, prüfte die Funkabdeckung und übernahm Transportaufgaben.

Martin Hagmüller und sein Team vom Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation untersuchten indessen, welche Auswirkungen die verzögerte Kommunikation – eine Nachricht braucht rund 20 Minuten, um vom Mars aus die Erde zu erreichen, und nochmal 20 Minuten, um wieder zurückzukommen – in Kombination mit der emotional anspruchsvollen Umgebung auf die verbale und schriftliche Kommunikation der Crew hat.

Physikstudent Michael Müller wiederrum testete, ob mittels 3D-Drucker Ersatzteile direkt vor Ort gedruckt werden könnten.

Ein kleines Stück zum ganz großen Weltraumkuchen#

Ob er selbst einmal wie seine Sonden ins All reisen möchte, verrät Otto Koudelka in seinem Grazer Büro nicht. Vorerst wartet er auf den Start von OPS-Sat und bereitet die Arbeiten an PRETTY vor. „Das ist wirklich eine aufregende Zeit“, schmunzelt er abschließend.

Auf den ersten Blick ist die TU Graz vielleicht nicht die größte Forschungseinrichtung rund um Weltraumfragen. Und dennoch trägt sie mit ihrer vielfältigen wissenschaftlichen Arbeit ein wichtiges Stück dazu bei, unseren Planeten und seine interstellare Nachbarschaft ein bisschen besser zu verstehen.


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