Gesetzwerdungsprozess der im Text geänderten Bundeshymne#
Beschluss des Nationalrats vom 7.12.2011 (vom Bundesrat nicht beeinsprucht am 15.12.2011)#
Wien (PK) - Auf Antrag von ÖVP, SPÖ und Grünen beschloss der Nationalrat heute ein Bundesgesetz zur geschlechtergerechten Änderung der Österreichischen Bundeshymne. In der namentlichen Abstimmung erhielt das Gesetz 112 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen. In der Bundeshymne werden künftig nicht nur die "großen Söhne", sondern auch die "großen Töchter" Österreichs besungen. Der Ausdruck "Brüderchöre" wird durch das geschlechtsneutrale Wort "Jubelchöre" ersetzt. Die Antragstellerinnen errangen in einer sehr emotionalen Debatte die Mehrheit von SPÖ, ÖVP und Grünen gegen den Widerstand von Abgeordneten der FPÖ und des BZÖ, die es in ihren Wortmeldungen ablehnten, in den Text der Bundeshymne einzugreifen.
Für Abgeordnete Heidemarie UNTERREINER (F) ist die Bundeshymne ein Staatssymbol. Die gegenwärtige Hymne wurde zu einer Zeit gedichtet, in der sich Österreich von einer schwerer Zeit zu erholen begann und in der ein Stück Identität konstituiert werden sollte. Ein Umdichten einer solchen Hymne sei zutiefst kulturlos und daher abzulehnen. Die Hymne sei für ihre Fraktion ein Symbol, es sei würdelos, dieses Symbol allfälligem Zeitgeist anpassen zu wollen.
Abgeordnete Gisela WURM (S) sprach von einem historischen Moment, da eine Hymne in einem eigenen Bundesgesetz verankert werde. Und dass dabei die großen Töchter miterwähnt würden, sei würdig und recht, denn Österreich sei eben ein Land großer Künstler und Künstlerinnen, Komponisten und Komponistinnen und dergleichen mehr. Man wolle also die Gunst der Stunde nutzen, um auch der großen Töchter zu gedenken.
Abgeordneter Stefan PETZNER (B) erinnerte daran, dass diese Änderung der Bundeshymne für 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine Nebensache sei. Angesichts der Euro- und Finanzkrise hätten die Menschen andere Sorgen als eine Änderung der Hymne. Dies umso mehr, als damit keiner einzigen Frau konkret geholfen sei, die von Lohnfragen bis hin zur Kinderbetreuung ganz andere Probleme habe. Zudem könne man Geschichte nicht einfach umschreiben. Er sei im Übrigen überzeugt davon, dass das Gros der Bevölkerung getreu dem Motto "Wir singen, was wir wollen" auch weiterhin die alte Hymne singen werde. Und wenn man schon eine Änderung erwirken wolle, dann wäre es sinnvoller gewesen, gleich eine komplett neue Hymne zu machen, als in einen bestehenden Text auf eine Weise hineinzupfuschen, die weder textlich noch melodisch passe.
Abgeordneter Dorothea SCHITTENHELM (V) sagte, eine Hymne sei ein Lob- und Preisgesang, und der müsse für beide Geschlechter gelten, denn Österreich habe nicht nur große Söhne, sondern eben auch große Töchter. Im Übrigen habe man schon anno 1946 den Originaltext abgeändert, sodass man dies wohl auch jetzt tun könne.
Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) ortete gleichfalls massiven Unmut in der Bevölkerung gegen diese Änderung und brachte einen Entschließungsantrag ein, wonach der in Rede stehende Vorschlag einer Volksabstimmung unterzogen werden sollte, da die Bevölkerung das Recht haben sollte, über ihre Hymne selbst zu entscheiden.
Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G) unterstützte hingegen die Initiative der Bundesregierung, denn Männer und Frauen seien gleich viel wert, und das solle auch in der Hymne zum Ausdruck kommen.
Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) zeigte nicht grundsätzlich gegen eine Änderung der Bundeshymne eingestellt. Es gehe hier aber nur um ein Symbol und einen Nebenschauplatz. Wollte man wirklich eine moderne Hymne, hätte man einen Ideenwettbewerb durchführen sollen. Viel dringlicher seien die Schuldenprobleme und der Reformstau, um diese sollte man sich kümmern. Gerade Frauen seien von Problemen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Beruf und Familie und Einkommensverlusten durch steigende Gebühren und Preise betroffen. Es sei notwendig, dass dort die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt werden, schloss Haubner.
Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) meinte, viele große Frauen Österreichs hätten sich bisher nicht am Text der Hymne gestoßen, wie sich auch niemand daran stoße, dass der Text zur Melodie eines Bundeslieds der Freimaurer gesungen werde. Frauen brauchten nicht eine geänderte Hymne, sondern tatsächliche Frauenpolitik, die auch von Freiheitlichen Politikerinnen gemacht werde, und die FPÖ sei stolz auf sie. Die Änderung von Überschriften und Worten sei nur Placebo-Politik, meinte er. Hier würden Scheingefechte aufgeführt.
Abgeordneter Gerald GROSZ (B) sagte anschließend an die Ausführungen von Abgeordneter Haubner, man müsse sich fragen, ob die Volksvertretung nicht mehr die tatsächlichen Sorgen der Menschen in diesem Land erkennen könne. Es sei angesichts der vielen tatsächlichen Probleme nur "schändlich", für bloße Symbole dreißig Minuten an Diskussion im Nationalratsplenum aufzuwenden.
Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) stellte fest, es handle sich um keine Ruhmesstunde des Parlaments, wenn eine kleine symbolische Änderung Debatten auslöse, wie sie in den letzten Tagen stattgefunden hätten und man sogar eine Volksabstimmung darüber verlange. Die Forderung nach einer Volksabstimmung über das Wort "Töchter" in der Bundeshymne mache sowohl Volksabstimmung als auch Anliegen lächerlich, meinte er.
Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) warf seinem Vorredner vor, "abgehoben von der Welt" zu agieren. Die Realität draußen sehe anders aus. Zehntausende Menschen in diesem Land hätten ihre Empörung über die Verhunzung des Textes der Bundeshymne geäußert. Es sei angesichts dessen, dass viele Frauen noch immer für gleiche Leistung nicht gleichen Lohn erhalten, dass Mütter keine Kinderbetreuungszeiten angerechnet erhielten und dass Pensionistinnen von minimalen Pensionen leben müssten, nur zynisch. Die österreichischen Frauen fragten sich, ob es in unserem Land keine anderen Probleme gebe. Es gebe viele konkrete Probleme von Frauen anzupacken, etwa Zwangsverheiratungen und Kopftuchzwang. Angesichts der gegenwärtigen Bundesregierung wäre ohnehin der "Liebe Augustin" mit "alles ist hin" die passende Hymne, meinte er.
Abgeordneter Josef CAP (S) meinte, die Art der Debatte, die von FPÖ und BZÖ geführt werde, sei "unwürdig". Es gehe natürlich um ein Symbol, er wisse auch, dass es viele andere Probleme gebe. Aber die Heimat bestehe eben aus Männern und Frauen. Die Bundeshymne hat eine starke Ausdruckskraft und ist Teil der österreichischen Identität und der Leistungen, die von Männern und Frauen geschaffen wurden, das sollten auch FPÖ und BZÖ, die sich stets als "Heimatparteien" bezeichneten, zur Kenntnis nehmen.
Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) erwiderte Abgeordnetem Cap, es handle sich nicht nur eine Verhunzung des Textes der Bundeshymne, es sei auch absurd, zu behaupten, dass sich im bisherigen Text nicht das gesamte Staatsvolk widergefunden hätte.
In der namentlichen Abstimmung erhielt die Regierungsvorlage die Mehrheit von 112 Ja-Stimmen gegen 39 Nein-Stimmen bei 151 abgegebenen Stimmen. Das Gesetz erhielt auch in Dritter Lesung die erforderliche Mehrheit.
Der Antrag der FPÖ auf Abhaltung einer Volksabstimmung nach Beendung des Gesetzverfahrens und vor Beurkundung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten wurde mehrheitlich abgelehnt.
Quelle: Parlamentskorrespondenz Nr. 1207 vom 07.12.2011
Bericht des Verfassungsausschusses#
über den Antrag 1758/A der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm, Mag. Gisela Wurm,
Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die
Bundeshymne der Republik Österreich
Die Abgeordneten Dorothea Schittenhelm, Mag. Gisela Wurm, Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen
und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 18. November 2011 im Nationalrat
eingebracht und wie folgt begründet:
„Die österreichische Bundeshymne ist nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern wurde durch zwei
Ministerratsbeschlüsse vom 22.10.1946 bzw. vom 25.2.1947 festgelegt. Den Beschlüssen war ein
Auswahlverfahren vorangegangen, in dem die Entscheidung letztlich zugunsten eines Textes von Paula
Preradovic zur vorgegebenen Melodie getroffen wurde.
In den mehr als sechzig Jahren seit dieser Entscheidung hat sich der allgemeine Sprachgebrauch
verändert. In der Überzeugung, dass Sprache wie kein anderes Medium Bewusstsein prägt, ersuchen die
unterzeichneten Abgeordneten den Nationalrat daher darum, nunmehr eine geschlechtergerechte
Änderung des Textes der Österreichischen Bundeshymne zu beschließen, indem die beiden Wörter „bist
du“ in der ersten Strophe durch die Wörter „großer Töchter und“ sowie das Wort „Bruderchören“ in der
dritten Strophe durch das Wort „Jubelchören“ ausgetauscht werden. Diese Änderungen führen zu einer
geschlechtergerechten Formulierung der Bundeshymne.
Aus Anlass dieser Umformulierungen sollen Text und Melodie der Bundeshymne darüber hinaus auch
erstmals durch Bundesgesetz festgelegt werden.
Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung dieser Materie ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 1
B-VG („Bundesverfassung …“).
Finanzielle Auswirkungen dieser Regelung gibt es keine, da die geänderte Bundeshymne, insbesondere in
Schulbüchern, erst mit einer Neuauflage übernommen werden soll.“
Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 22. November
2011 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin
Abgeordnete Mag. Gisela Wurm die Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dorothea Schittenhelm,
Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Walter Rosenkranz, Herbert Scheibner, Dr. Josef Cap, Mag. Judith
Schwentner und Mag. Daniela Musiol.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dorothea Schittenhelm, Mag. Gisela Wurm und Mag.
Daniela Musiol einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Mit diesem Abänderungsantrag soll ein konkretes Datum für das Inkrafttreten eingefügt werden, um
dieses nicht von der zufälligen Kundmachung abhängig machen zu lassen.“
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten
Abänderungsantrages der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm, Mag. Gisela Wurm und Mag. Daniela
Musiol mit Stimmenmehrheit --- dafür: S, V, G, dagegen: F, B --- beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2011 11 22
Mag. Gisela Wurm, Berichterstatterin Dr. Peter Wittmann Obmann
Quelle: 1543 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP
Nationalrat: Debatte über Töchter-Hymne um 2:36 Uhr (Erste Lesung)#
20.10.2011Die "großen Töchter" haben es im zweiten Anlauf geschafft: In der Nacht auf Donnerstag wurde im Parlament erstmals über die Hymne diskutiert.
Im zweiten Anlauf haben es Österreichs "große Töchter" nun doch geschafft, im Nationalrat besprochen zu werden. Hatte es vor der Sommerpause der ÖVP-Klub mit männlichen Dauerreden noch verhindert, dass ein Antrag von roten, grünen und schwarzen Frauen, den Text der Bundeshymne zu ergänzen, debattiert werden konnte, klappte es diesen Donnerstag ab 2 Uhr 36 früh.
In "Erster Lesung" wurde der Vorschlag, statt "Heimat bist du großer Söhne" künftig "Heimat großer Töchter, Söhne" zu singen, einer ersten Bewertung unterzogen. VP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm, die ohne Wissen des eigenen Klubs den Antrag mit der mittlerweile aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat initiiert hatte, warb für eine sachliche Diskussion im Ausschuss und hoffte auf Zustimmung zu diesem symbolischen Akt.
Der "Töchter"-Antrag bildete den Abschluss einer Sitzung, die 70 Tagesordnungspunkte und eine "Dringliche Anfrage" stark war, sich über knapp 18 Stunden zog. Die Hymnen-Initiative wird nun im zuständigen Verfassungsausschuss behandelt und könnte - die Zustimmung der ÖVP vorausgesetzt - noch im heurigen Jahr im Plenum beschlossen werden.
Applaus auch von Kopf
Etwa die Hälfte des VP-Klubs beklatschte den Vortrag der Frauenvorsitzenden, auch Fraktionschef Karlheinz Kopf - vor dem Sommer als Verhinderer der Hymnen-Debatte gescholten - schenkte ihr kurzen Beifall. Klare Zustimmung zum Antrag signalisierten in der Debatte SPÖ und Grüne. Die Freiheitlichen wollen hingegen von solch einer "Kulturlosigkeit", "Symbolromantik" und "Verfälschung eines historischen Dokuments" nichts wissen. BZÖ-Mandatar Stefan Petzner gefiel die Textänderung ebenfalls nicht, befürchtet er doch, dass nun auch das "Land der Dome" zum "Land der Dominas" verwandelt werden könnte.
Quelle: DiePresse.com vom 20.10.2011