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Adolf Schärf (1890-1965)#

Der Anschluss ist tot ...#

Adolf Schärf, der nach 1945 zuerst Vizekanzler und dann Bundespräsident wurde, war einer der Männer, die an das Wiedererstehen Österreichs glaubten. 1943 erhielt er den Besuch eines Parteifreundes aus dem „Altreich". Wilhelm Leuschner, ehemals sozialdemokratischer Innenminister von Hessen und einer der Verschwörer vom 20. Juli 1944, erschien bei Schärf, sprach über das Ende des Hitlerregimes und meinte, dass man für einen Friedensvertrag eintreten werde, der den Anschluss Österreichs an Deutschland beibehalte. Schärf dazu in seinen Memoiren:

"Dieses Gespräch fand im Frühsommer des Jahres 1943 statt; bis dahin haben die deutschsprachigen Radiosendungen der alliierten Mächte noch nichts von der Wiederherstellung eines freien Österreichs gesagt. Die bekannte Moskauer Erklärung über Österreich wurde erst am 1. November 1943 veröffentlicht. Der Gedanke, daß der Anschluß, der von den meisten europäischen Staaten de facto - von mehreren auch de jure - anerkannt worden war, rückgängig gemacht werden könnte, war damals also etwas Neues und Ungewöhnliches. Im Gegenteil, es schien, als ob die Großmächte nicht sonderlich daran dächten, den früheren staatlichen Zustand Österreichs wiederherzustellen. Leuschner entwickelte nun im einzelnen seine Ideen.

Unsere Unterhaltung dauerte etwa drei Stunden. Ich fühlte mich aus der Gegenwart in die Zukunft versetzt, so sehr packte mich seine Darstellung, der ich stumm und aufmerksam lauschte. Plötzlich unterbrach ich ihn. Ich verhehle es auch heute nicht: Seitdem ich die Geistesschätze des deutschen Volkes kennen- und liebengelernt habe, habe ich immer geträumt, meine geistige Heimat wäre nicht Österreich, sondern Weimar. Aber während des Gespräches kam es mir wie eine Erleuchtung. Gerade die Darstellung der Lage durch Leuschner ließ mich plötzlich erkennen, was sich geändert hatte.

Ich unterbrach meinen Besucher unvermittelt und sagte: „Der Anschluß ist tot. Die Liebe zum Deutschen Reich ist den Österreichern ausgetrieben worden".

--> Vgl. Gottfried Heindl, Die Republik auf Widerruf, Wien, 1988, S. 175