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Kuhn, Richard Johann#


* 3. 12. 1900, Wien

† 31. 7. 1967, Heidelberg


Chemiker
Nobelpreis für Chemie, 1938

Kuhn, Richard Johann
Richard Johann Kuhn. Foto, 1953
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU

Richard Johann Kuhn wurde am 3. Dezember 1900 in Wien geboren, wo er aufwuchs und die Schule besuchte. (Im Döblinger Gymnasium war er 8 Jahre lang Schulkollege des späteren Nobelpreisträgers Wolfgang Pauli.)

Richard Kuhn war vielseitig begabt: er war er ein guter Eiskunstläufer und Tennisspieler und ein talentierter Geiger; seine mathematische Begabung und sein Interesse für Chemie wurde vom Vater - Chef des hydrotechnischen Instituts im k.k. Handelsministerium - nachdrücklich gefördert.

Von 1918 bis 1922 absolvierte er ein Studium der Chemie an den Universitäten Wien und München bei dem berühmten Richard Willstätter (Chemie-Nobelpreisträger von 1915), der seine Begabung sofort erkannte. Richard Kuhn promovierte im Alter von nur 22 Jahren "summa cum laude". Bereits in seiner Doktorarbeit ("Über Spezifität der Enzyme") beschäftigte er sich mit der Rolle der Enzyme im Kohlenhydratstoffwechsel - die Enzymchemie blieb auch der wissenschaftliche Schwerpunkt seiner Arbeit in den folgenden Jahrzehnten.

Richard Kuhn habilitierte sich 1925 als Privatdozent, wurde ein Jahr später an die ETH Zürich berufen, wo er von 1926 bis 1929 eine Professur für allgemeine und analytische Chemie innehatte. Danach wechselte er als Honorarprofessor an die Universität Heidelberg, wo er bald darauf zum Direktor der Abteilung (später des "Instituts") für Chemie des neugegründete Kaiser-Wilhelm-Instituts (heute Max-Planck-Institut) für medizinische Forschung bestellt wurde.

Dieses Institut wurde von Richard Kuhn entscheidend geprägt und zu einer Forschungsstätte von internationalem Ansehen entwickelt, der er fast vier Jahrzehnte lang bis zu seinem Tod angehörte. Richard Kuhn befasste sich vor allem mit Pflanzenpigmenten und Vitaminen: 1936 gelang ihm die erste teilweise Synthese des Vitamins B2 und er klärte er die vollständige Struktur des Vitamins B6 auf, bevor er einige Jahre später dieses Vitamin synthetisierte. Neben den Arbeiten zur Isolierung, Synthese und biologischen Wirkungsweise von Naturstoffen interessierte er sich aber auch für eine Vielzahl von theoretischen Fragestellungen der organischen Chemie.

1937 übernahm er als geschäftsführender Direktor die Gesamtleitung des Instituts. Gleichzeitig nahm er auch eine Professur für Biochemie an der Universität Heidelberg und 1938 eine Gastprofessur für physiologische Chemie an der University of Pennsylvania in Philadelphia an.

1938 wurde ihm für seine bahnbrechenden Forschungen über Vitamine und Carotinoide der Nobelpreis für Chemie zugesprochen, den er aber auf Anordnung des NS-Regimes nicht annehmen durfte. (Die Übergabe des Preises konnte erst 1949 erfolgen.)

Während des Zweiten Weltkrieges war er ab 1940 Fachspartenleiter für organische Chemie innerhalb der Deutschen Forschungsgemeinschaft und stellte seine Forschungen und Arbeit in den Dienst der NS-Kriegswirtschaft, was ihm später den Vorwurf der Komplizenschaft mit dem Regime eintrug. (Durch seine wissenschaftliche Arbeit zu Gift- und Kampfgasforschung stand er indirekt im Zusammenhang mit Menschenversuchen u.a. an KZ-Häftlingen.)

Zu Kriegsende wurde die Forschung an allen Kaiser-Wilhelm-Instituten durch Beschluss der Siegermächte eingestellt; Richard Kuhn ging in die USA, wo er sein Wissen im Bereich der Seuchen- und Krankheitsbekämpfung zur Verfügung stellte. Dadurch – und durch den Nachweis, kein Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Nebenorganisationen gewesen zu sein - wurde er rasch rehabilitiert und konnte bereits kurze Zeit später wieder seine Arbeit in Heidelberg aufnehmen.

1948/1949 wurde die frühere Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft unter dem Namen und der Ehrenpräsidentschaft von Max Planck neu gegründet und Richard Kuhn wurde erneut Direktor am Institut für medizinische Forschung. 1950 wurde er zum ordentlichen Professor der organischen Chemie an der Universität Heidelberg bestellt.


Richard Kuhn war seit 1928 verheiratet und hatte 6 Kinder. Er starb nach langer Krankheit am 31. Juli 1967 in Heidelberg.


Der Wegbereiter der modernen Biochemie und der medizinischen Grundlagenforschung hinterließ ein riesiges wissenschaftliches Werk. Durch seine über 700 Publikationen zu Problemen der Stereochemie und der Enzymforschung, durch seine Arbeiten über die Isolierung zahlreicher Karotinoide gelangte Richard Kuhn weit über seine eigene Fachdisziplin hinaus zu internationalem Ansehen.


Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Adolf-von-Baeyer-Denkmünze des VDCh (Verband Deutscher Chemiker), 1934
  • Nobelpreis für Chemie, 1938 (1948 verliehen)
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1967
  • Wilhelm-Exner-Medaille, 1952
  • Orden Pour le Mérite, 1958
  • Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1961
  • Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, 1964
  • Ehrendoktorate der Universitäten
    • TH München, 1960
    • Wien, 1960
    • Heidelberg
    • Santa Maria Rio Grande do Sul, Brasilien, 1961

(Richard Kuhn war Namensgeber für die 1968 gestiftete Richard-Kuhn-Medaille, die alle zwei Jahre von der Gesellschaft Deutscher Chemiker verliehen wurde. 2005 beschloss der Vorstand der Gesellschaft, diese Medaille nicht mehr zu verleihen, da sein Verhalten in der Giftgasforschung und gegenüber seinen jüdischen Kollegen in der Zeit des Nationalsozialismus Kuhn als Vorbild disqualifiziere.)

Mitgliedschaften#

  • Akademien der Wissenschaften in München, Berlin, Wien, Heidelberg, Neu Delhi, Göttingen und der Leopoldina
  • Präsident der Deutschen Chemiker Gesellschaft, 1938-1945
  • Senator und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, ab 1955
  • Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker, 1964/65

Werke (Auswahl)#

  • Zur Spezifität v. Enzymen im Kohlenhydratstoffwechsel (Dissertation), 1921
  • Chemie und Kinetik, 1925/26
  • Lehrbuch der Enzyme (mit Oppenheimer, Carl), 1927
  • Biochemie (mit Herbert Fischer, Hg.), 1947

Weiterführendes#

Literatur#

  • Staab, A.: Portrait Richard Kuhn. Chemie in unserer Zeit, 1968, Ausgabe 2, Heft 1, S. 26-31
  • Westphal, O.: Richard Kuhn zum Gedächtnis. Angewandte Chemie, 1968, Ausgabe 80, Heft 13 , S. 501-519
  • Jaenike, L: Richard Kuhn. Nachrichten aus der Chemie, 2006, Ausgabe 54, S. 510-515

Quellen#

Redaktion: I. Schinnerl


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