Richard Johann Kuhn (1900 – 1967)#
Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: "Österreichs Nobelpreisträger", F. G. Smekal (Hg.), Wilhelm Frick Verlag, 1961
Richard Kuhn#
Leben und Arbeit
Der zweite Weltkrieg war bereits ausgebrochen, als das Nobelkomitee am 9. November 1939 beschloss, den Chemiepreis des Jahres 1938 dem gebürtigen Österreicher Richard Kuhn, Leiter des Kaiser Wilhelm-Institutes für medizinische Forschung in Heidelberg, Direktor der chemischen Abteilung derselben und Honorarprofessor für organische Chemie und Biochemie an der Universität Heidelberg, zu verleihen.
Politische Zwangslagen für Wissenschaftler
Diese Ehrung durch das höchste internationale wissenschaftliche Forum als Anerkennung „für seine Forschungen über die Vitamine und Carotinoide“ erfolgte mitten in bewegter Zeit, deren massive Störungsfronten auch vor der Sphäre der Forscher und Gelehrten nicht Halt machte. Diese selbst, die doch als erste dazu berufen sind, auf weltweiter internationaler Basis zu arbeiten, gerieten in Gefahr, zwischen den Mühlsteinen von Politik und Ideologie zerrieben zu werden. Denn nach Hitlers Willen sollten auch der Wissenschaft Weg und Lehre vorgeschrieben werden. Schon 1937 war für Deutsche – Österreich als Staat gab es seit 1939 nicht mehr - die Annahme des Nobelpreises verboten worden, als der erbittertste Gegner des Regimes, Carl von Ossietzky, – bereits in ein Konzentrationslager verschleppt – mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
Die Verleihungen des Jahres 1939 brachten daher drei Forscher in eine schwierige Lage. Außer Kuhn hatten nämlich noch Gerhard Domagk den Preis für Medizin des Jahres 1939 und Adolf Butenandt den Chemiepreis für dieses Jahr erhalten. Unabhängig voneinander schrieben nun Kuhn und Butenandt an den Stockholmer Professor von Euler, den beide kannten, damit dieser ihren Dank für die Verleihung weiterleite. Domagk richtete seinen Brief gar an das Nobelkomitee selbst.
Alle drei Briefe wurden von der Gestapo abgefangen, Domagk verhaftet, Kuhn und Butenandt ins Reichskultusministerium nach Berlin zitiert. Dort legte man ihnen bereits vorbereitete Briefe zur Unterschrift vor, in denen ihre Ablehnung des Nobelpreises ausgedrückt war. Welche Folgen eine Verweigerung der Unterschrift nach sich ziehen würde, ließ man den Gelehrten gegenüber durchblicken. Im Hinblick auf ihr Lebenswerk, auf die Fortsetzung ihrer wissenschaftlichen Arbeit, an der sie mit allen Fasern ihres Wesens hingen, sowie das Bei- spiel Domagk vor Augen, entschlossen sich beide, dem Rat guter Freunde zu folgen und zu unterschreiben. Das Nobelkomitee, dem drei Jahre nach Kriegsende die besonderen Umstände der erpressten Ablehnung mitgeteilt worden waren, anerkannte nach Kenntnisnahme des Sachverhaltes die Zwangslage. So gelangte Kuhn 1948 doch noch zu seinem verdienten Preis.
Werdegang
Der Weg Richard Kuhns zu Amt und Würden in der wissenschaftlichen Welt war ebenso kurz wie geradlinig. Am 3. Dezember des Jahres 1900 in Wien geboren, besuchte er dort das Gymnasium. Sein Vater, Chef des Hydrotechnischen Büros im k. k. Handelsministerium und späterer Hofrat, war durch seine Hafenbauten in Triest und verschiedenen dalmatinischen Städten, aber auch durch das Projekt des Donau-Oder-Kanals bekannt geworden. Der junge Richard wurde sofort nach der Matura zum Militärdienst eingezogen und erlebte so das Kriegsende als Soldat.
Bald danach inskribierte er an der Wiener Universität und studierte zwei Semester Chemie. München jedoch, wo einst der große Liebig gelehrt, wo der Altmeister der neueren Chemie, Adolf von Baeyer, gewirkt hatte und erst 1917 gestorben war, galt immer noch als eine Art „Mekka“ der Chemie. Durch das Wirken Richard Willstätters, Chemiepreisträgers von 1915, der einst Schüler und nun Nachfolger Baeyers war, hatte die Stadt einen ganz vorzüglichen Ruf als Ausbildungsstätte für junge Chemiker. So wurde auch Richard Kuhn durch das Ansehen, das Willstätters Institut weithin genoss, dorthin gezogen. Der fleißige und äußerst begabte Student promovierte im November 1922 noch vor Vollendung seines zweiundzwanzigsten Lebensjahrs mit der Dissertation „Über die Spezifität der Enzyme“ zum Doktor der Philosophie.
Weitere drei Jahre verbrachte er dann am Institut als Privatassistent von Willstätter, der für den jungen Mann, dessen überdurchschnittliche Begabung er mit sicherem Blick erkannt hatte, auch rein menschlich Sympathien hegte. Nobelpreisträger und künftiger Nobelpreisträger arbeiteten zusammen. 1939 hatte man Willstätter, den gefeierten Gelehrten und hoch angesehenen Forscher, persönlichen Freund von Sauerbruch, aus „rassischen“ Gründen aus Deutschland vertrieben. In der Schweiz bei Locarno fand er ein Refugium. Seine Lebenserinnerungen widmete er seinen „treuen Schülern“, die zu echten Forschern und Lehrern heranzubilden er in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg als seine Pflicht angesehen hatte. Es war damals „wichtiger, Dozenten hervorzubringen, als Forschung zu treiben und Abhandlungen zu schreiben“, vermerkte er über diese Zeit.
Wenn einer dieser Schüler die Forschung im Geiste Willstätters weiterbetrieb, war dies in erster Linie Richard Kuhn. Bereits im März 1925, mit vierundzwanzig Jahren, konnte sich Kuhn in München durch seine Arbeit „Über den Wirkungsmechanismus der Analysen“ als Privatdozent habilitieren. „In wenigen Jahren“, so Willstätter, „erfolgten damals über zehn Habilitationen von Chemikern … Einige, an die ich mich mit freudigem Stolz erinnere, waren die schönsten Ereignisse meiner akademischen Laufbahn. Dazu gehörte die Habilitationsakte meines hervorragenden Assistenten Richard Kuhn, dessen Eintritt in eine verheißungsvolle Dozentenlaufbahn ein glänzendes akademisches Ereignis war.“
Das letzte Forschungsgebiet, welches Willstätter mit besonderer Vorliebe bearbeitete, waren die Enzyme. Kuhns Dissertation hatte sich mit demselben Thema befasst. Und als Kuhn nun, 1926 als Professor für allgemeine und analytische Chemie an die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich berufen, dort seine Forschungen aufnahm, war der Einfluss von Willstätters Schule unverkennbar. Kuhns Lehrstuhl hatte zwanzig Jahre zuvor sein Lehrer Willstätter innegehabt.
Die Polyene im Mittelpunkt
Sofort nach Übernahme des chemischen Instituts leitete Kuhn eine umfassende Untersuchungsreihe über die Polyene ein – Naturfarbstoffe, farbige Kohlenwasserstoffe, deren wesentliche Atomanordnung durch die so genannte konjugierte Doppelbindung bestimmt wird. Willstätter hatte bereits selbst an der Erforschung solcher Naturfarbstoffe entscheidenden Anteil genommen. Nun waren diese Polyene erneut in den Blickpunkt des besonderen Interesses gerückt, weil das Vorhandensein einer Polyenenkette im Crocetin einem Stoff aus der Reihe der Carotinoide nachgewiesen wurde. Das Carotin selbst, der Farbstoff der Karotte, war seinerzeit in seiner elementaren Zusammensetzung von Willstätter als „C40-H56“ ermittelt worden.
Kuhns Untersuchungen über konjugierte Doppelbindungen führten sehr rasch zu Konstitutionsbestimmungen von Polyenfarbstoffen aus pflanzlichem Material. Es gelangen ihm Synthesen von über 300 neuen Stoffen aus der Reihe der Polyene. Damit konnte er die allgemeinen Beziehungen zwischen dem chemischen Bau dieser Stoffe und ihren optischen, dielektrischen und magnetischen Eigenschaften in ihren Gesetzmäßigkeiten weitgehend klarstellen.
Seine Beschäftigung mit den Polyenen führte ihn direkt zur Chemie der Carotinoide. Die grundlegenden Arbeiten auf diesem Gebiet wurden aber bereits in Heidelberg durchgeführt, wohin er Ende 1929 als Honorarprofessor und Vorstand des chemischen Instituts am Kaiser Wilhelm Institut für medizinische Forschung berufen worden war. Im Jahr 1937, nach dem Tode des Chefs des Gesamtinstituts, welches später „Max Planck Institut für medizinische Forschung“ hieß, wurde Kuhn zum Direktor berufen. 1950 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor.
Bahnbrecher der Biochemie
In diesen ersten zwanzig Jahren seiner Tätigkeit in Heidelberg, wo Kuhn eine hervorragende Wirkungsstätte zur Verfügung stand, erreichte die Zahl seiner wissenschaftlichen Arbeiten bereits 400. Kuhns Forschungen konzentrieren sich auf zwei Hauptgebiete: die Carotinoide und – eng damit zusammenhängend – die Vitamine. Kuhn ist so der dritte der großen, aus Österreich stammenden Chemiker, die durch ihre Forschertätigkeit wesentliche Grundlagen der modernen Chemie geschaffen haben. Pregl ist als Schöpfer der Mikrochemie, Zsigmondy als Meister der Kolloidchemie und Kuhn als Bahnbrecher der Biochemie zu bezeichnen.
Für alle drei ist charakteristisch, daß sie keine überspitzten Spezialisten sind, die ihre Interessen und ihre Tätigkeit auf ein eng begrenztes Forschungsgebiet beschränken. Alle drei erwiesen sich nicht nur als Meister in allen Zweigen ihrer eigenen Wissenschaft, sie bewährten sich auch auf Grenzgebieten von Chemie, Physiologie und Physik. Sie arbeiteten das Verbindende der verwandten Wissenszweige heraus. Vor allem dafür gebührte ihnen nicht zuletzt der Nobelpreis. Dies wurde auch in einem Festartikel zu Kuhns fünfzigstem Geburtstag zum Ausdruck gebracht, in dem es unter anderem heißt, dass „Kuhn es wie kaum ein anderer zuwege gebracht hat, bisher getrennte Forschungsgebiete der Chemie miteinander zu verknüpfen“.
Forschung an Carotinoiden
Das Jahr 1931 brachte einen weiteren großen Erfolg in der Aufklärung des Wesens der in der Natur so eminent wichtigen Substanzen der Klasse der Carotinoide. Man versteht darunter eine Gruppe vieler im Pflanzen- und Tierreich vorkommender natürlicher Farbstoffe. Ganz unabhängig voneinander entdeckten nun in diesem Jahr Kuhn in Heidelberg, Karrer in Zürich und Rosenheim in London die Tatsache, dass das Carotin der Karotte – von der auch der Name für diese Stoffklasse genommen wurde – aus zwei Komponenten besteht: Die eine, das so genannte Alpha-Carotin, dreht die Ebene polarisierten Lichts nach rechts, während die zweite Komponente, das Beta-Carotin, sich optisch völlig inaktiv verhält. Im Jahr 1933 gelang Kuhn dann noch eine neue Entdeckung, nämlich die eines dritten Carotin-Isomeres, des so genannten Gamma-Carotins.
Zur Darstellung von Carotin bediente sich der Forscher der „Invertseifenmethode“, wodurch es ihm gelang, so genannte Chromoproteide (naturfarbstoffhältige Proteine) von Schalentieren in Protein und den jeweiligen Farbstoff zu spalten. Die Vervollkommnung der Methoden zur Isolierung und Reindarstellung verschiedener Vertreter der Carotinoidgruppe ist ebenfalls Kuhn zu verdanken.
Die ganz große physiologisch-biologische Bedeutung des Carotins liegt aber darin, dass es im Tierkörper, und zwar in der Leber, hydrolysiert wird. Dadurch entstehen aus einem Molekül Beta-Carotin (oder aus zwei Molekülen Alpha-Carotin) zwei Moleküle eines Stoffes namens Axerophthol, der als Vitamin A bekannt wurde. Wir wissen, dass die Vitamine zur Erhaltung der Lebensfunktionen höherer Tiere und des Menschen unerlässlich sind. Carotin als Vorstufe des Vitamins A stellt daher eine auch für die Ernährung ganz besonders wichtige Komponente dar.
Die Zusammenhänge klargelegt zu haben, ist nicht zuletzt das Verdienst Richard Kuhns, der durch eigene Untersuchungen und Untersuchungen seiner Mitarbeiter weiterhin den Carotinoiden im Pflanzen- und Tierreich nachspürte. Dabei gelang die Entdeckung und chemische Konstitutionsbestimmung einer ganzen Reihe bisher unbekannter Carotinoide. Damit wurde wieder die künstliche Synthese weiterer solcher Stoffe möglich, was der modernen Chemie die Herstellung so und so vieler Präparate gestattet, die in Pharmazie und Medizin Anwendung finden.
Weitere Entdeckungen zur Biochemie
Im Verlauf der oben genannten Untersuchungen war Kuhn auf ein Polyenderivat aus dem Krokus gestoßen, dem er den Namen Crocin gab. Dieses Glukosid erwies sich als außerordentlich interessant, weil es sich nämlich als Sexualstoff entpuppte. Die damit verbundenen Arbeiten führten Kuhn immer weiter in das Gebiet der Physiologie hinein. Das Crocin zeigte sich als „Beweglichkeitsstoff“, der in den Geißelbewegungen der Samenzellen unter Lichtausschluss wirksam ist.
Bei der Kopulation gewisser Algen zum Zwecke der Vermehrung wurde das Crocin als funktionsnotwendig nachgewiesen. Hier stieß Kuhn auf dasselbe Gebiet wie Butenandt und vor allem auch wie Leopold Ruzicka, ein Gelehrter aus dem Raume der alten österreichisch-ungarischen Monarchie. Dieser erhielt, als Schweizer in Zürich wirkend, im Jahr 1939 zusammen mit Butenandt den Chemie-Preis für ähnliche Untersuchungen auf dem Gebiete der biochemischen Genetik.
Die Arbeiten Kuhns erstreckten sich dabei später immer weiter auf das Gebiet der Gamonen und Termonen. Darunter versteht man Stoffe, die bei der Befruchtung und Geschlechtsbestimmung wirksam sind. Es wurden nicht nur einzellige Grünalgen und Blütenpflanzen, sondern auch die Eier und Spermatozoen von Seeigeln und Regenbogenforellen untersucht. Kuhn gelangte so in neuester Zeit zu aufschlussreichen Einblicken in die chemischen Mechanismen, die bei Befruchtungs- und Vererbungsvorgängen eine Rolle spielen.
Forschung an Vitaminen
Das andere wichtige Forschungsgebiet Kuhns waren die Arbeiten zur Aufklärung der Vitamin-B-Gruppe. In Zusammenarbeit mit dem Ungarn Szent-György und Theodor Wagner-Jauregg, dem Sohn des berühmten Nervenarztes und Nobelpreisträgers, gelang es 1933, aus 5300 Litern Magermilch etwa ein Gramm eines rein gelben Stoffes zu isolieren. Diese biochemisch außerordentlich bedeutsame Substanz, wegen Herkunft und Farbe von den Forschern als Lactoflavin bezeichnet, konnte als Vitamin B2 deklariert werden.
Kuhns weitere Untersuchungen hatten an der chemischen Klarstellung dieses Stoffes entscheidenden Anteil. Für ein Spaltprodukt des Lactoflavins, welches Kuhn als Lumiflavin bezeichnete, stellte er mit großer Intuition eine später auf experimentellen Wegen bestätigte Konstitutionsformel auf. Dadurch war der Schlüssel zur Aufklärung des Lactoflavins gefunden, dessen Zusammensetzung mit „Cl7-H20-O6-N4“ definiert wurde. Die großartige geistige Leistung Kuhns und sein hohes Können zeigten sich besonders in der Tatsache, daß er die analytisch gefundene Formel für das Lumiflavin durch eine künstliche Synthese dieses Stoffes experimentell bestätigte.
Das Lumiflavin erwies sich aber noch in anderer Hinsicht als unerhört interessant und für die Erkenntnisse der Biochemie von grundlegender Bedeutung. Von seinen Arbeiten unter Willstätter her war Kuhn im Umgang mit Enzymen und Fermenten wohl bewandert. So konnte er das Lumiflavin als einen Stoff identifizieren, der von anderen Chemikern schon früher aus dem in Hefe vorkommenden, so genannten gelben Atmungsferment dargestellt worden war.
Damit war ihm der Nachweis gelungen, daß das Vitamin B2 im Tierkörper als Baustein für dieses gelbe Atmungsferment diene. Diese bahnbrechende Entdeckung schuf erstmals eine Verbindung zwischen Vitaminen und Fermenten und wirkte förmlich umwälzend auf dieses Gebiet der Biochemie. Kuhn gelang es nicht nur, das Lactoflavin und das zugehörige Ko-Ferment synthetisch herzustellen, er erzeugte auch das gelbe Atmungsferment selbst sowie andere Fermente in der Retorte. Dies war bisher überhaupt noch niemals gelungen. Die daraus gewonnene Erkenntnis besagte zudem nicht mehr oder nicht weniger, als dass Vitamine auch die Baustoffe der Fermente darstellen.
Im Jahr 1939 gelang Kuhn noch eine zweite bedeutende Entdeckung auf dem Gebiet der Vitamin B-Gruppe: Zusammen mit drei Kollegen konnte er eine weitere Komponente des Vitamin B isolieren. Sie ist als Vitamin B6 – auch anti-dermatitisches Vitamin genannt – bekannt. Innerhalb außerordentlich kurzer Zeit wurde die Zusammensetzung und die chemische Konstitution dieses von Kuhn Adermin genannten Vitamins festgestellt.
Dabei gelang ihm auch die Darstellung und Aufklärung der als Paraaminobenzoesäure identifizierten und als Vitamin H bezeichneten Substanz. Das ausreichende Vorhandensein dieser bei- den Vitamine – B6 und H – im Körper ist vor allem für die Jung- und Gesunderhaltung der Haut als Voraussetzung erkannt worden.
Das Vitamin H stellte auch die Querverbindung zu den Sulfonamiden her. Diesem Forschungsgebiet widmete sich Gerhard Domagk, dem seine Untersuchun- gen über die Sulfonamide und die Entwicklung des Prontosils den Nobelpreis für Medizin eingetragen hatten. Seine Arbeiten erwiesen die Sulfonamide als Anti-Vitamine, wodurch ihre bakterientötende Wirkung erklärt wurde.
Preise und Ehrungen
Es verwundert nicht, dass bei den großen Erfolgen Kuhns die Anerkennungen und Auszeichnungen nicht ausblieben. So wurde er bereits 1931 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 1934 erhielt er die Baeyer-Münze des Vereines Deutscher Chemiker, 1935 die Pasteur-Medaille der Pariser Chemisch-Biologischen Gesellschaft, 1937 die Cothenius-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher in Halle (deren Mitglied er auch war), den Josef -Schneider-Preis der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg sowie 1938 die Paterno-Medaille der Italienischen Chemischen Gesellschaft und den Rudolf-Wegscheider-Preis der Wiener Akademie der Wissenschaften.
Dieser Preis, der widmungsgemäß alljährlich „für eine ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeit aus dem Gesamtgebiet der Chemie“ zur Verteilung gelangen kann, wurde ihm ausdrücklich „für seine Arbeiten über Polyene und das Lactoflavin“ zuerkannt. Kuhns Leistungen sind, wie die Wiener Akademie dabei feststellt, „Meisterwerke auf dem Gebiete der Erforschung der Struktur und der Synthese organischer Naturstoffe. Sie haben hervorragende Beiträge zur Kenntnis der Vitamine geliefert.“
Nach dem Nobelpreis erhielt der Gelehrte 1940 den Kopernikus-Preis der Universität Königsberg, 1944 den Behring-Preis der Universität Marburg und 1950 die Scheele-Medaille der Chemischen Gesellschaft in Stockholm. 1939 wählte man ihn zum Präsidenten der Deutschen Chemischen Gesellschaft. Außerdem wurde er auch Ehrenmitglied der Royal Chemical Society in London, zweier wissenschaftlicher Gesellschaften in Paris, der Polnischen Chemischen Gesellschaft und der Gesellschaft der Biochemiker von Indien. Im Oktober 1940 wurde er korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, deren mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse ihn im Mai 1952 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte.
Einer der charakteristischsten Preise je doch, die ihm zuteil wurden, war die Auszeichnung mit dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt im Jahr 1942. Der Goethe-Preis, eigentlich nur Künstlern und Philosophen zugedacht, wurde einem Chemiker verliehen. Dieses bisher einmalige Geschehen galt einem Würdigen, war sich Kuhn doch stets der Einordnung der Naturwissenschaften in den Komplex der Gesamtkultur bewusst. Hatte er doch selbst gewissermaßen wie ein Künstler mit schöpferischem Geist aus analytisch erdachten Erkenntnissen synthetisch-konstruktiv Stoffe der Natur in seinem Laboratorium nachgeschaffen und aufgebaut. Der Universalgeist Goethe hatte ja einmal die Chemie seine „heimliche Geliebte“ genannt.
In der Dankrede, die der Forscher damals hielt und die im Goethe-Kalender für das Jahr 1943 Aufnahme fand, hat Kuhn selbst das Wesen eines Forschers der naturwissenschaftlichen Richtung so beschrieben: „…der Naturforscher strebt ursprünglich nicht danach, Kunstwerke zu schaffen. Sein Ziel ist vielmehr, das große Kunstwerk der Natur, das fertig vor ihm steht, zu enträtseln.“
Wie sehr sich Kuhn jedoch über die nüchterne Welt eines Nur-Spezialisten hinaushebt, verraten seine folgenden Worte: „Allmählich erst, wenn sich dem Naturforscher die Gesetzmäßigkeiten des Belebten und Unbelebten offenbaren, kommt auch er dazu, – und dies gilt insbesondere für den synthetisch arbeitenden Chemiker – seiner Eingebung folgend, über das hinauszugehen, was er in der Natur findet. Damit wird auch er in gewissem Sinn zum Künstler, der sich innerhalb der durch die Naturgesetze gezogenen Grenzen frei entfalten und betätigen kann.“