Seite - 11 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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dezember 1891 11
alswennsievondendelikatenEleganzendesGemüthessingen,von
jenen feinsten, zartesten und seltensten Gefühlen, welche nur auf
den Höhen der Menschheit wachsen, die letzten Geschenke langer
Bildung. Man denke an jene zierlichen Reime des Banville, welche
70 dieGeberdedesTages inmondäneGrazie fassen–vonebendiesem
fliedermildenMärchenreize ist ihreSensation.
Schauerlich siehts bei den Malern aus, es ist eine Schande. Es muss
einmal ohne Rücksicht gesagt werden, was man mit tausend Küns-
ten ängstlich zu vertuschen sucht; die Wiener Malerei ist heute in
75 Europa die letzte. Es giebt ja einige, die eine ganze Menge können;
aber sie wissen nicht, was sie damit sollen, sie wollen nichts und
wirthschaftenrathlosherum.FastallesanihrenWerkenistgemacht,
anempfunden, nachgeäfft, nichts aus freien zuversichtlichen Gefüh-
len geschöpft und nichts von einem eigenen Bedürfnisse geboten.
80 Manweissvor jedemBilde immergleichdasMuster,nachwelchem
esverfertigt ist;manriechtdenLehrerunddieSchule.Korrekt, flei-
ssig,tadelloseArbeit–ja;aberArbeit,Handwerk,keineKunst.Von
modernen Empfindungen will ich gar nicht reden – wenn sie nur
überhauptetwas empfänden!
85 Ich spreche hier nur von den Jungen. In der vorigen Generation ist
mancher befestigte und gesicherte Ruhm. An diesen will ich nicht
tasten; es fällt mir nicht ein, an der verbrieften Meisterschaft der
Alt, Russ, Schindler, Blaas, Wisinger-Florian u. a. m. zu mäkeln.
Ich spreche von dem neuen Geschlechte der letzten zehn Jahre, das
90 jene ablösen und ersetzen soll. Da finde ich denn vor allem Merode
und Pausinger, geistreiche, delikate und für die heimiliche Schön-
heit des Lebens empfindliche Talente, aber etwas schüchtern gegen
sich selbst und bisweilen noch ein bischen in angelernten Schablo-
nenbefangen;Engelhart, einverwegenzugreifenderWager,dernur
95 noch nicht recht fertig und sicher ist; Hirschl, eine tiefe, mystisch
bedrängte, aber verworrene, konfuse rathlose Natur; und endlich
FerryBératon.
Bératon ist mir von ihnen der liebste: denn er ist der ehrlichste und
aufrichtigste von allen. Er fragt nach keinem Muster; er hört auf
100 keineSchablone;keinerLehrezurLiebeverläugneter seineArt.Er
folgt treu und gerade dem eigenen Drange. Er malt nicht, wie er es
an den anderen sieht, sondern er malt, wie er es in sich selber fühlt.
Man merkt es an seinen Bildern auf den ersten Blick, dass er etwas
zu sagen hat: seine besondere Welt, die noch kein anderer vor ihm
105 entdeckthat,dieSchöpfungseinerNervenundSinne.Es istmanch-
maleinhastigerEiferinihrenZügen,wieeineunsteteAngst,dasssie
mit der Fülle seiner Seele gar nimmer mehr fertig werden könnten;
sounendlichvielhaterzuerzählen;undes ist jene fanatischeWuth
des echten Künstlers in ihnen, Proselyten für sich zu machen, aus
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916