Seite - 12 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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12 dezember 1891
110 demsicherenGefühleheraus,dasseseineeigeneundeinzigeKunst
ist wie jede, die schlicht und treu eine Seele bekennt. Er gestaltet
Erlebtes.Ergiebt sichselbst,ohneAnleihe,ohneRest, sowieer ist.
Er ist eineNatur.
DasistderReizseinerBilder.AberseineBildnissehabennocheinen
115 besonderenWerth;siestelleneineNeuerungdesPorträtsdar,dieich
sonst nur bei Franzosen und einigen verpariserten Italienern gefun-
den.Sie theilendasaugenblicklichederErscheinungmit.
Jedes Porträt sucht ja heute die Wahrheit, die Wirklichkeit: es will
einengeben,wieererscheint.Aber jedererscheint jedenTaganders,
120 in jeder Laune, unter jedem Gedanken, bei jedem Ereignisse anders.
Jeder ist sozusagen zuisammengesetzt aus einem ständigen Theile,
den er immer mit sich trägt, und einem veränderlichen Theile, den
derAugenblickgiebtunddernächstewiedernimmt.DerRealismus
des Bastien Lepage wollte blos den ersten; er suchte die allen Stim-
125 mungengemeinsameSarahBernhardt, jenesStückdesAlbertWolff,
das im Wechsel bleibt, den Rest des Theuriet, wenn das bewegli-
cheundvergänglichedesAugenblicksabgezogenist.Manetwarder
erste,derdieseVerkürzungderWahrheitverschmähte,erwolltedie
ganze Wirklichkeit, im Augenblick überrascht, wie sie der Zufall
130 eben bietet, mit der Erde an den Knollen ausgegraben. Ich weiss
heutekeinen,derdasmitsokühner,rücksichtsloserunddrastischer
Gewaltvermag, wieFerryBératon.
SehrsonderbaristesumdieLitteratur,sonderbarundtraurig.Aller-
dings darf sich ein Land, das zwei so herrliche, unvergleichliche
135 Dichter, wie Ferdinand von Saar und die Ebner-Eschenbach, und
die bemerkenswerthen Talente der Schubin, Suttner, Marriot und
anderer anerkannter und allgemein bekannter Autoren hat, schon
auch einmal eine kleine Rast erlauben; aber es macht von die-
sem Luxus doch einen etwas gar unmässigen Gebrauch. Es giebt
140 natürlich auch in Wien eine »neue Richtung«: es giebt ein »jun-
ges Oesterreich«. Man kann eigentlich gar nicht Oesterreichischer
sein,alsdiesehöchstseltsameGemeinde;urwienerischistihreWeise
durch und durch: alles beginnt sie von hinten und sie verspätet sich
immerumeineIdee.Siehatein»Organ«geschaffen, einenSammel-
145 platz der neuen Dichter, die noch gar nicht da waren. Sie hat eine
»freie Bühne« begründet, um unterdrückten Dramen zum Leben
zuverhelfen,undgewahrt jetztmitverlegenemErstaunen,dassmit
dem besten Willen durchaus kein solches Drama aufzufinden ist.
Sie kämpft für die Erneuerung der Kunst durch eine Form, wel-
150 che in allen anderen Ländern längst schon wieder für den ältesten
Zopf und die schändlichste Rückwärtserei gilt. Es ist keine Gruppe
von Schriftstellern, sondern von solchen, die es gern werden möch-
ten und eine verlässliche Methode, eine gute Anweisung, wirksame
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
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- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
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