Seite - 38 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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38 september 1893
wicklunggeschiedenundheutederdeutschenCulturnichtnäherals
irgendeineranderenist,denAnhangderdeutschenLiteraturverlas-
sen und nun aus der eigenen Art auch eine eigene Kunst gestalten.
10 Es möchte – sonst hat es keinen vernehmlichen Trieb – es möchte
rechtösterreichischsein,österreichischvon1890,wasdannfreilich
Jederwieder auf seineWeiseversteht.
Jetzt will ich noch ein bischen die Einzelnen prüfen. Ich muß dabei
dem geläufigen Gebrauche folgen, der nicht immer logisch ist: er
15 läßtMancheohnerechtenGrundausderGruppe,diedochwenigs-
tens als erste Boten und Läufer in sie gehören würden. So darf ich
vonSiegfriedLipiner,RichardKralikundderdelleGrazie,vonden
beiden Suttners, der Marriot und der Ossip Schubin, von Gustav
Schwarzkopf, C. Karlweis und J. J. David nicht sprechen, die von
20 derSchuleverleugnetundessichwohlauchselberverbittenwürden,
sondern Karl Baron Torresani, Arthur Schnitzler und Loris, dann
die Lyriker Dörmann, Korff, Specht und endlich ein paar Worte
übermichmüssengenügen.
Torresani2 kann von Glück sagen. Es ist noch nicht fünf Jahre,
25 daß der fröhliche Uhlane die erste Geschichte schrieb, und schon
heißt er, was einem Künstler nicht leicht passirt, der »beliebte
Erzähler«. Das kommt vielleicht daher, weil er eine unbesonnene,
saloppe, liederliche Sprache, unpersönliche zufällige Formen, eine
wüste Schlamperei hat, welche den üblichen Geschmack mit seinen
30 künstlerischenWerthenwiederversöhnen.DieEmpfindlichkeit für
reineundvollkommeneSätze,dieBegeisterunggefeilterWorte,das
Gewissen der Mache fehlt ihm. Technisch ist er von der größten
Unschuld, welche keine Sorgen, Gefahren, Beschwerden der Form
ahnt. Er schreibt, wie es gerade kommt: au petit hasard de la
35 plumeund Kleckse verstören jede Schönheit. Man mag an Tovote
denken, und so hat er auch diesen heiteren und leichten Fluß, den
kein Kummer trübt. Alles ist ungesucht, ungekünstelt, ungezwun-
gen. Er schwitzt nicht, würde Nietzsche sagen. Er hat eine solche
FüllevonEreignissen,Gestalten,Welten,dieohneRastnachOffen-
40 barung drängen, daß er nirgends halten, nicht verweilen, nimmer
sich besinnen kann, und während er Eine gibt, quellen schon tau-
sendAnderedazwischen.Er istderrechteFabulantwiedamals jene
Novellisten der Spanier und Italiener, mit der großen Leidenschaft
derFabel,dernichtsalsnurerzählenwill,nurunerschöpflichimmer
45 erzählen. Er sucht nicht »Probleme«; er prüft keine »Fragen«; er
2 »AusderschönenwildenLieutenantszeit.«–»SchwarzgelbeReitergeschichten.«
– »Mit tausend Masten.« – »Auf gerettetem Kahn.« – »Die Juckercomtesse.« –
»Der beschleunigteFall.«–»Oberlicht.«
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
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