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60 dezember 1893
giltnicht,wasersagt;esgilt,dassmanihmglaubt.DiebestenPläne,
Argumente, Wünsche helfen nicht, wenn sie in den Hörer hallen.
DerPhilosophwillnurseineMeinungaussichbringen.DerRedner
muss sie in die Anderen bringen. Der Künstler will seine Schönheit
90 gestalten.DieBühnemusssieindenAnderenwecken.Werdasnicht
kann, mag viele Ehren verdienen, aber er ist nicht theatralisch; er
gehört aus dem Theater. Die Leute haben Recht, es hart unhöflich,
grausam zu sagen. Sie fordern Wirkung von der Bühne. Was nicht
wirkt, zischensieweg.
95 Aber es muss eine ehrliche Probe sein. Wenn man sich die Ohren
verstopft, kann der beste Redner nichts. Man muss ihn unbefangen
hören.Das ist Pflicht.Dasdarf erverlangen.i
DieWienersindwunderlich.AlbernesInsipidestragensiegeduldig,
verzeihen, begütigen, entschuldigen immer, suchen mühsam Lob.
100 Gnädigere,mildereRichterkönnenStümpernichtwünschen.Aber
sie verwandeln sich ungestüm und werden Feinde, wenn ein Künst-
ler redet. Den dulden sie nicht. Da wehren und sträuben sie sich
heftigundhassen.Hämischhöhnensiegleich,wennerkommt,und
mühensichunablässig,allesanders,schmutzig, falschzudeuten.Sie
105 sindentschlossen,sichderDichtungzuerwehren,unddurchspötti-
sche Rufe, Gelächter im Ernste, Gähnen, Husten, Schneuzen eifert
einer den anderen an, jede Wirkung zu stören. Dann triumphieren
sie, wenn es gelingt, wie über einen guten Sieg und geberden sich
glücklich.Es ist in ihneneinedumpfeFurchtvorderKunstundmit
110 jedemMittel wollensie sieumjedenPreisverhindern.
***
Wien hat ein neues Theater. Es heisst nach dem alten Raimund, der
immer Pech hatte. Herr Adam Müller-Guttenbrunn leitet es noch.
DieKapitalisten,diedasGeldgaben, laufen inderStadtherumund
115 betteln,dassmanihnendasGeschäftnichtstörensoll:eswirdschon
besser werden; sie suchen auch einen ordentlichen Direktor; man
lasseihnennurZeit.IchwillpatriotischseinunddenFinanzendieser
kleinenLeutenicht schaden. Ichkannwarten.Eswird immernoch
Zeit sein, den verächtlichen Betrug zu schildern, den hier ein einst
120 litterarischer Namedeckensoll.
***
Ich will lieber eine Geschichte erzählen, die manchen wundert. Sie
zeigt unsere Sitten. Gesinnung ist ja hier wenig üblich. So wirkt sie
destomehr.Leiderhandeltessichummich,undichkannnurberich-
125 ten,nichturteilen.EswäreeinFall fürmeinen liebenHarden.
IchhabemeinenKollegenvonderKritik letzteWochediesenBrief
geschickt:
»Ich teile Ihnen mit, dass ich heute aus dem Verbande der ›Deut-
schenZeitung‹geschiedenbinundindiesemBlattekeineZeilemehr
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
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- 1899 167
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- 1901 192
- 1902 222
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- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
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