Seite - 224 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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224 januar 1902
genannt hat – das behagt unserem ewig räsonnierenden, gern ver-
neinenden, mißvergnügten Geiste. Er muß endlich jedem Artisten
gefallen, weil er auf allen Seilen der Technik, fast wie ein Franzose,
tanzen kann – und alle Wiener schmeicheln sich, Artisten zu sein.
20 Auch ist er oft in Wien gewesen, und seine ganze unfeierliche, stu-
dentische Art, die jeden gleich duzt, ist uns lieb. Er bringt immer
eine angenehme Salvatorstimmung mit, er ist ein Maupassant, mit
demmanzechenkann.DerWieneraberverlangtvonDichternstets,
daß sie ins Winterbierhaus passen. Dazu kommt, daß gerade der
25 »Rosenmontag« alle Qualitäten hat, die der Wiener an einem guten
Stückewünscht:ersiehtsoaus,alsobereigentlichverbotenwerden
müßte, und ist doch in jedem Hoftheater möglich, so stark, daß er
prickelt, und doch harmlos; er thut modern und hat doch die gute,
alteherzzerbrechendeHandlung;underhatRollen, inwelchensich
30 dieSchauspielerauszeichnenkönnen.Dafürmußmandankbarsein,
und so wird man gegen seine Berufung zur höchsten litterarischen
Ehre,diederOesterreicherzuvergebenhat,öffentlichnichts sagen.
Aber–
Abermanärgertsich.Manärgertsich,weilmandieEmpfindunghat,
35 es sei dadurch der eigentliche Sinn dieses Preises verletzt worden,
und weil man einen besseren Kandidaten für ihn zu haben glaubt.
Man ärgert sich und muß doch dabei lachen, weil es der Zufall will,
daß dieser andere Kandidat aus einem Grunde ausgeschlossen wor-
den ist, der Hartleben und gerade den »Rosenmontag« ganz ebenso
40 trifft.
Welchen Sinn kann es haben, unter den vielen Stücken, die in drei
Jahren mit Erfolg gegeben worden, eines durch einen Preis aus-
zuzeichnen? Doch offenbar nur den: das Urteil der Menge zu
korrigieren.AufgeführtwerdenStückeallerArt,guteundschlechte,
45 vonDichternundvonFabrikanten.Wirwissen,daßderWerteines
Stückes mit seinem Erfolge gar nichts zu thun hat. Ganz schlechte
Stücke gefallen sehr, aber es kommt sogar vor, daß auch einmal ein
gutesgefällt.NachdemErfolgeweißmanalsonochgarnichtsüber
ein Stück, über einen Autor. Woran soll sich nun das Pulikum hal-
50 ten?Esfühlt selbst,daßdieZahlderAufführungennichtsbedeutet,
und daß es ungerecht wäre, den Wert eines Stückes nach den Tan-
tiemen zu berechnen, die es trägt. Es findet ferner, daß man sich
auch auf die Presse nicht verlassen kann, weil ihr Urteil dem Spiele
von Haß und Liebe nicht immer entrückt sein soll. Es hat also das
55 Bedürfnis nach einer »höheren Instanz«, die sich durch den Lärm
nichtbetäuben, von der Laune der Menge nicht hinreißen läßt, son-
dern auf die Sache selbst hört und also fähig ist, auszugleichen und
gut zu machen, was der Zufall verschuldet hat, vielleicht sogar mit
einer leisenAbsichtgegendiejenigen,dieGlückhaben.
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
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