Seite - 232 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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232 mai 1902
Italienern, fast wie zu Haus – ihre Mutter stammt ja aus Florenz,
150 also vielleicht: eine ferne Erinnerung, wer weiß? Und jetzt betrach-
tet sie das Bild erst genauer, während Leonhard leidenschaftlich in
siedringt,heuteAbendszuihmzukommen.VonwemistdasBild?
Der Katalog sagt: Unbekannter Maler, starb um 1530. Und Pauline
starrt immerhin,währenddraußendieGlockenMittag läuten.Und
155 plötzlich sagt sie: »Ich bin es, ich bin es selbst. Erkennen Sie mich
nicht? Und hier im Schatten, der todte Jüngling – Sie! Erinnern Sie
sich nicht, Leonhard? Lionardo, erinnerst Du Dich nicht?« Und es
ist dunkel geworden, noch tönen die Glocken, dann verstummen
sie, eswirdwiederhell,dieBühnehatsichverwandelt:wir sehen in
160 dasAtelierdesMeistersRemigio;Morgengrauen;Lionardoaufdem
Boden; Paola kommt, weiß gekleidet, ganz jenem Bilde gleich, geht
zurStaffelei,ziehtdenSchleierweg,esistdasselbeBild,unvollendet,
nochohnedieHandmitdemDolche.Paolahat ihrenGatten,der in
Florenz weilt, diese Nacht mit seinem Schüler Lionardo betrogen.
165 Jetztekeltsie.SiewirdRemigioAllesgestehen;siewillkeinGeheim-
niß mit jenem haben. Noch beschwört er sie, von ihrem Wahn zu
lassen,datrittderGatteschonein.Erwillheiteraufsiezu.Siewehrt
ihm:
Gib Acht,daßDunichtvorschnellmichumarmst,
170 Der hierwar meinGeliebterheuteNacht.
Remigiobefiehltgelassen:Geh, Lionardo!Aberder schreit auf:
TödtetmichRemigio!
IchnehmekeineGnadevonEuchan!
Remigio gewährtes ihm nicht:
175 Wer haßt,mag tödten–tödtenmag,wer liebt!
GleichgiltigkeitgreiftnachderWaffenicht.
Das Glaszersplittr’ ichnicht,dasärmlichschlechte,
Daraus einKindverbot’nenTrankgenoß.
Daß Dir dieGabedesBewußtseinsward,
180 MachtmirausDirnichtsAnd’res, alsDubist,
Erbärmliches,zufäll’ges Instrument.
Rasend vor solcher Schmach, schwört Lionardo, ihn zu tödten.
Paola schreit auf: Laß ihn nicht fort, er hält deni Schwur, Remigio!
So wahr ich lebe, betheuert Lionardo. Und Paola: Ja, so wahr Du
185 lebst! Und sie eilt auf ihn zu und stößt ihm den Dolch in den Hals.
Lionardosinkt,Paola starrt,denDolcherhoben,denBlickauf ihm,
wie in jenem Bilde.Aber Remigiospricht, gefaßt,beinaheheiter:
Wardies der Sinn?IstmeinGebeterhört,
DaßfürmeinBildnißmir Erleuchtungwerde?
190 Ja, sovollend’ ich’s!Der Du diesgefügt,
OHimmel, eineStunde langgewähre
DerSeeleFrieden,RuhedieserHand!
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
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