Seite - 260 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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260 april 1903
25 und der grün-blaue Zauber umfängt mich bald. Da gibt es Räum-
lichkeiten, klein und zierlich und größer, bauernmäßig, aber es ist
Alles luftig und licht und man sieht sich so was riesig gern an und
freut sich noch mehr, wenn man draußen ist. Aber das muß wohl
Gewohnheitsein.IchhabemichinderVillaBahrgründlichunmög-
30 lich gemacht, denn ich hielt mir die Augen zu, als wir über einen
grellblauenTeppichschritten;dassollnichtdierichtigeAuffassung
Olbrich’scherKunstsein.–AberesgibthierschöneBildervonden
Größen der neuen Kunst, und man sieht deutlich, wie sie den Rah-
menheben.NiemalsschienenmirauchTulpensowunderbarfarbig
35 und fein als in dem blauen Zimmer, da sie ihre Köpfe hochauf, fast
duftvollzurDeckestrecken.UndvomMittelzimmersiehtmanweit
hinaus ins Land und freut sich der Nebelgebilde, die über den Städ-
tenhängen.DerechteBahraberzeigt sichmir imStudirzimmer.Es
istdenschönenKünstenundvorAllemKlimtgeweiht.Dagrüßtim
40 Mittelfeld die »Wahrheit« mit dem häßlichen Antlitz und dem vio-
lettenLeib,undläßtanallerfrauenhaftenAnmuthzweifeln.Aberes
banntdenBesucherwohlundkannihninnochsogesättigterLaune
zum Nachdenken bringen. Und das Ganze ist ein Tempel, nur daß
diesesBildvonSaissichEinemimmerfortaufdrängtunddieNerven
45 bedroht.DennBahrhatdemErbauerdesHausesklarseineAnsicht
kundgethan, für die Wahrheit Klimt’s sollte ein Raum geschaffen
werden,derdasBild indenVordergrunddrängtundallesAndere in
FormundFarbe ihm zu Füßen legt.Das istnuntrefflichgelungen.
Bahr erzählt Wundervolles von dem Bild. Es hält ihn in Stimmung,
50 es stärkt und kräftigt. Tritt er früh Morgens in sein Zimmer, dann
istdieWahrheitvomLichtumfluthet,dannerlebteretwaswieSon-
nenaufgang.Undstets,auchintrübenTagen,hatdasBildseineKraft
gewahrt.Dabegreift sich’s,daßeres liebt.
Wir sprechen nun von Klimt, und Hermann Bahr nennt ihn einen
55 großen, fertigen Menschen, der nur wie zufällig hier lebt, der aber
mitseinerKunstsowahrist,wieetwadieFranzosen.Erzeigtmirdie
BilderderDuse,diesiezumeist inwelkerSinnlichkeitwiedergeben.
Wie theuer sie ihm ist, das weist wohl ein Spruch der Künstlerin,
dermit fester,erzwungenerMännlichkeitüberderEingangsthürzu
60 seinenZimmern prangt.
Und dann sprechen wir im Studirzimmer von all den tausend Din-
gen, über die der erfahrene, kluge, geistvolle Hausherr wie selten
Einer zu sprechen weiß. Er stand Pathe, da viel große Dinge ent-
standen, aber sein Ruhm übertrifft seine Thaten und er hat nur das
65 Ueble,daßalleAuswüchse,allePhrasenaufseinContokommen.Er
lächelt und ereifert sich darüber nicht, er gibt gern zu, daß viel hin-
ter ihmliegt,daßergesucht,getastethat.Aberervertrittdasnurso
beiläufig. Und so fand ich keinen Feuergeist, athme nur sein Tem-
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
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