Seite - 330 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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330 dezember 1904
len,mitdemLebenundmitdenMenschenspielen,wiemitPuppen,
was wahrhaftig, an Lebendigen geübt, ein edleres Vergnügen ist,
80 als »Luftgestalten im poetischen Tanze herumwirbeln zu lassen.«
Als solcher »Puppenspieler« hat sich Merklin von je gern vergnügt.
Aucheinst,vorzehnJahren,anebendiesemHerrnJagisch,der jetzt
so glücklich ist. Damals war er das gar nicht, denn er litt, wie sol-
che schlichte Menschen in der Jugend oft, an Mißtrauen vor sich
85 selbst. Wie einen Größenwahn, gibt es nämlich, vielleicht viel öfter
alsdiesen,aucheinenKleinheitswahn:»Mirgehtihaltnichtsgutaus,
mich hat halt niemand lieb!« Davon ihn zu heilen, sich aber wie-
der ein Exempel zu machen, daß in unserem Leben doch alles nur
aus Illusion gewoben ist, stiftet Merklin ein junges Mädchen an, in
90 Jagischverliebtzutun,wozues,selbst inMerklinverliebt,sichbere-
denläßt.Undnun,nachzehnJahren, sagteres ihmundweidetsich
daran: »Ich vermute, daß dieser Abend bedeutungsvoller für dich
war,alsduahnst. Ichglaube,daßduandiesemAbendedenLebens-
mutindichgetrunkenhast,vondemduauchheutenocherfülltbist.
95 Denn damals, gesteh’ es, hast du zum ersten Mal empfunden, daß
auch du im stande bist, Glück zu geben, Glück zu empfangen ...
Wäre jeneStundenichtgewesen,duwärstwohldeinLebtagderver-
schüchterte, ängstliche Bursche geblieben, als den ich dich kannte.
Vielleicht hättest du nicht einmal den Mut gefunden, um ein Weib
100 zu werben ... Und wie kam dies alles? Wodurch war diese außer-
ordentliche Veränderung deines Wesens hervorgerufen? Indem du
glaubtest, das schöne Mädchen, das dich damals doch zum ersten
Mal sah, hätte sich auf den ersten Blick in dich verliebt ... Du hat-
test Ursache, es zu glauben; aber du hast dich geirrt ... Das Ganze
105 war ein tiefsinniger Spaß, den ich ausgedacht hatte ... Es war eine
abgekartete Sache. Die Kleine, die so zärtlich mit dir war, tat ein-
fach,wasichwollte.Ihrwar’tdiePuppeninmeinerHand,ichlenkte
die Drähte. Es war abgemacht, daß sie sich in dich verliebt stellen
sollte.Dennduhastmir immer leidgetan,Eduard. Ichwollte indir
110 die Illusion eines Glückes erwecken, damit dich das wahre Glück
bereit fände, wenn es einmal erschiene. Und so hab’ ich – wie es
Leuten meiner Art wohl gegeben sein mag – vielleicht noch tiefer
gewirkt, als ich wollte. Ich habe dich zu einem anderen Menschen
gemacht.« Der andere hört zu und lacht nur still vor sich hin. Und
115 dannkommtesheraus:daßerdasallesschonweiß.Längst.DasMäd-
chenselbsthatihmgestanden,daßeszuerstnureinSpielwar.Später,
alseskeinSpielmehrwar.Dennspäter istsie ihmdannwirklichgut
geworden und dann ist sie seine Frau geworden und jetzt ist schon
ein großmächtiger Bub da. Und so verdankt er dem Puppenspieler
120 eigentlich sein ganzes Glück. Aber dem Puppenspieler kommt es
doch seltsam vor. Besonders der Bub kommt ihm seltsam vor, die-
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Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
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- 1897 135
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- 1899 167
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- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
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- 1962 610
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- Theaterbesuche 792
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- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
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