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340 januar 1905
775.Bahr:Freiwild,29.1.1905
Freiwild.
Schauspiel indrei AktenvonArthur Schnitzler.
Im DeutschenVolkstheateraufgeführt
am28. Jänner1905.
5 Es war 1897. Prinz Alonso und Herr Eugen Brüll hatten sich noch
nichtgegendasDuellerklärt.Dochgaltesdarumnichtfürritterlich,
feig zu sein. Auch hatte sich die neue Literatur mit ihren Zweifeln
und spöttischen Fragen noch der Soldaten nicht bemächtigt. Wenn
der Offizier auf der Bühne erschien, war es als Zierde der Nation
10 oder doch des Salons. Dem Major von Tellheim verwandt oder
Veilchenfresser und Reiflingen. Noch hatte sich Hartleben nicht
erdreistet, noch drohte kein Beyerlein und Bilse. Da begab es sich,
daßeinjungerDichter,schonvomerstenRuhmgestreift,aberunzu-
friedenmitsichselbst,hochmütiggegensichselbst,unddarumnach
15 großen Entschlüssen begierig, die seiner Kraft mehr abzufordern
hätten, als sie bisher ihm gewähren konnte, zudem von jener leich-
ten Schwermut gerührt, die uns betört, wenn wir uns zum ersten
Mal von den süßen Mädchen und den Spielen der Liebe trennen,
weilwirdanämlichnochnichtwissenkönnen,daßesdochniemals
20 ein Abschied für immer ist – in dieser zugleich melancholisch ent-
sagenden und doch heftiger, als er noch jemals einen Trieb in sich
vernommenhabenmochte,zumErnstdesLebens,zumWirklichen
hin, zu den großen Mächten des Daseins gedrängten Stimmung des
unruhigen jungen Dichters begab es sich, daß er an das Verhältnis
25 des Offiziers in unserer heutigen Welt geriet. Ich denke, er hatte
einenKater;sofingeswohlwahrscheinlichan.Wirsinddannimmer
sehr gekränkt, wenn wir eines Tages, erwachend, gewahren, daß
irgendeinliebeskleinesMädchendochnichtdasganzegroßeLeben
ist; und verargen ihr das sehr und rächen uns, indem wir uns plötz-
30 lich nun auf die »Probleme« werfen, zu denen uns erfahrene und
reifeFreundedochschonimmergeratenhaben.IhreErfahrung,ihre
Reife ist freilichmeistenszuletztwohleigentlichmehrnureinleiser
Neid, siekönnenunsnicht törichtglücklichsehen.Undwerspäter,
in Gefahren, durch Leiden, aus Freuden, wirklich reif geworden ist
35 und den wahren Sinn des Lebens erfahren hat, merkt erst, daß ihn
vielleichtdasdümmstekleineMädchenTieferes lebendiger lehrt,als
es die Lösung der höchsten Probleme vermag. Dazwischen aber, in
derleerenPausevonverlangenderJugendzurerfüllendenMännlich-
keithinüber,kommtesunsriesiggescheitvor,den»Problemen«zu
40 dienen, worunter die ernsten Menschen alles verstehen, was gerade
zu dieser Zeit in den Beziehungen der Menschen und ihrer gesell-
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
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