Seite - 359 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
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oktober 1905 359
kommt Cäcilie aus Berlin zurück, wo sie gastiert hat. Der junge
Fürst war natürlich mit. Amadeus hat nichts dagegen, als er es
erfährt. Es stimmt ja mit der Verabredung. Es macht ihn höchstens
manchmaleinbißchennervös,daßdieLeuteschondavonreden,daß
115 man ihn anonym warnt, daß eine Zeitung sogar von der Verlobung
seinerFraumitdemFürstenwissenwill.Abererwürdemitdiesem
allen fertig, wenn sie nicht plötzlich, heimgekommen, so merkwür-
digverwandeltwäre.Ererkenntsiekaum,ihrWesenhateinenneuen
Klang, der ihm fremd ist, und es regt sich in ihm wie Furcht für
120 sie. Er möchte sie schützen, vor unbekannten Gefahren, die er ihr
drohen fühlt. Aber das weist sie zurück, sie will nicht mehr gehü-
tet sein. »Ich habe ja noch ... ich habe ja noch so wenig erlebt. Und
ich sehne mich danach. Ich sehne mich nach allem Schmerzlichen
undSüßen,nachallemSchönenundnachallemKläglichen,wasdas
125 Lebenbringt. IchsehnemichnachStürmenundGefahr–vielleicht
nachmehr...Duweißtnur,wasichDir–wasichalsDeineGeliebte,
DeineGattinwar.UnddaDufürmichdieganzeWeltbedeutethast,
in Dir all meine Sehnsucht, all meine Zärtlichkeit beschlossen war,
so konnten wir beide früher nicht ahnen, wozu ich bestimmt wäre,
130 wenn sich die wirkliche Welt vor mir auftäte. Ich bin schon heute
nicht mehr, die ich war, Amadeus... Oder vielleicht war ich immer
dieselbeundhabeesnurnichtgewußt;undesist jetztetwasvonmir
abgefallen, das mich früher umhüllt hat ... Ja, so muß es sein: denn
jetzt fühle ich alle Wünsche, die früher an mir herabgeglitten sind,
135 wie an einem fühllosen eisernen Panzer ... jetzt fühle ich sie über
meinen Leib über meine Seele gleiten und sie machen mich beben
undglühen.DieErdescheintmirvollvonAbenteuern,derHimmel
wievonFlammenstrahlendundmir ist, als säh’ ichmichselbst,wie
ichmitausgebreitetenArmendasteheundwarte.«Unddasiesovor
140 ihmsteht, fernerVerheißungenwartend,andersalsersie jegekannt,
von einer Schönheit, die er nie an ihr gesehen hat – »Keine Bessere,
glaub’ ich, als jene Andere, eher eine Grausamere, und doch eine,
glaub’ ich, die mehr geischaffen ist zu beglücken« – da geschieht
ihm,daßersieplötzlichwiederbegehrt.Sieberauscht ihn,erdringt
145 auf sie ein und jetzt, seit er sie wieder gehabt hat, ist ihm der Fürst
unerträglich,dieLeidenschaftwirktzurück,erhaßtihn,will ihnfor-
dern, will ihn töten, bis er erfährt, daß zwischen dem Fürsten und
seiner Frau gar nichts gewesen ist. Also nur eine Komödie von ihr?
Umihneifersüchtigzumachen?UndanseinerEifersuchtausseinen
150 Abenteuernzuihrzurückzuziehen?Nein.Siewarnicht treu.Und
wenn sie dem Fürsten nicht gehört hat, so ist das nur, weil Frauen
irgend etwas auch dann noch zögern macht, wenn sie schon längst
entschlossen sind. Nur deshalb ist es noch nicht, aber es wird sein.
Amadeusfährtauf:»Nie!«Sieaber:»WarumbildestDuDirdasein,
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Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
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- 1911 447
- 1912 463
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- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916