Seite - 574 - in Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
Bild der Seite - 574 -
Text der Seite - 574 -
574 juni 1923
1299.Schnitzler:Bemerkungenzum
Thema»KunstundKritik«, Juni 1923
Bemerkungenzum Thema»Kunstund Kritik«
(Ausdem»BuchderSprücheundBedenken«)
von
ArthurSchnitzler
5 Wenn wir in einem Kunstwerk das Vorhandensein einer Welt-
anschauung als künstlerischen Vorzug zu empfinden glauben, so
kommt diese Wirkung niemals von der Tatsache oder von der
Art der Weltanschauung her, die der Autor zum Ausdruck bringt,
sondernimmernurvondemGraddesTalentes,denerhierzuaufzu-
10 wenden imstandewar.
Wie oft geschieht es – und muß nicht immer böse gemeint sein –
daßderKritikerseineeigenefixeIdee indasWerkeinesAutorshin-
einträgt und nichts anderes mehr darin zu sehen vermag als eben
diese Idee, von der er selbst monomanisch besessen ist; – während
15 siedemAutordochnureinElementseinesWerkesundnichteinmal
daswichtigsteuntereinem Dutzendandererbedeutet.
Es ist schlechter Geschmack über seine eigenen Figuren gerührt
zu sein und ein noch schlechterer sich über sie lustig zu machen.
Leider fehlt uns das rechte Wort, das innerhalb des Geistigen eine
20 gewisse mindere Art von Humor so glücklich bezeichnete, als das
WortSentimentalitäteinunreinesVerhältnis innerhalbdesGefühls-
mäßigenzumAusdruckbringt.(»Witzelei«kämederSachenocham
nächsten.) InbeidenFällenaberhandeltessichumeinenMangelan
DistanzvonSeitendesAutorsentwederdereigenenFiguroderdem
25 Publikumoderbeidengegenüber.
Dem Kritiker verrät sich ohne weiteres, ob ein Werk, es mag im
einzelnen mehr oder minder geglückt sein, aus innerster Notwen-
digkeiti oder ob es aus irgendwelchen äußeren Gründen geschaffen
wurde.DochmitnichtgeringererUnfehlbarkeitweißesderKünst-
30 ler, ob das Urteil, das er vom Kritiker erfährt, sei es Zustimmung
oder Ablehnung, sachlicher Anteilnahme entstammt oder ob es
durch irgendwelcheandereMotivegetrübt ist.
DiedreiKriteriendesKunstwerks:Einheitlichkeit, Intensität,Kon-
tinuität.
35 Manchem Urteil gegenüber, das ich gedruckt lese, ergeht es mir so,
daß ich vor allem denke: »Wie klug, wie zutreffend, wie gerecht!
zurück zum
Buch Arthur Schnitzler & Hermann Bahr - Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931"
Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Titel
- Arthur Schnitzler & Hermann Bahr
- Untertitel
- Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente 1891–1931
- Herausgeber
- Kurt Ifkovits
- Martin Anton Müller
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3228-7
- Abmessungen
- 14.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 1010
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- 1891 7
- 1892 18
- 1893 31
- 1894 64
- 1895 91
- 1896 115
- 1897 135
- 1898 160
- 1899 167
- 1900 173
- 1901 192
- 1902 222
- 1903 246
- 1904 288
- 1905 338
- 1906 371
- 1907 386
- 1908 401
- 1909 413
- 1910 433
- 1911 447
- 1912 463
- 1913 480
- 1914 492
- 1915 497
- 1916 502
- 1917 507
- 1918 510
- 1919 526
- 1920 536
- 1921 539
- 1922 547
- 1923 570
- 1924 583
- 1925 584
- 1926 585
- 1927 586
- 1928 588
- 1929 590
- 1930 593
- 1931 598
- 1932 604
- 1934 606
- 1936 607
- 1962 610
- Quellennachweis und Erläuterungen 632
- Buchausgaben im gegenseitigen Besitz 787
- Theaterbesuche 792
- Auszüge aus Schnitzlers Tagebuch 793
- Editorische Richtlinien 796
- Die Korrespondenz Bahr –Schnitzler 813
- Nachwort 820
- Dank 864
- Verzeichnis der Dokumente 866
- Korrespondenzpartner 902
- Register 916